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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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erfahrung auf ihre jährlich wechselnden Vorgesetzten großen Einfluß übten, ist
klar; gewiß überließen diese ihnen häufig die Besorgung - der Geschäfte sogar
ganz, und da sie dann Anordnungen, namentlich in Bezug auf Marktpolizei
und Kassenverwaltung, selbständig treffen konnten, so fehlte es ihnen nicht an
Gelegenheiten, sich viele zu verpflichten.

Am stärksten drängten sich wohl die jungen Männer aus dem Volke zum
Militärdienst. Die Besatzung Roms, zehntausend Prätoriancr, zwischen
vier- und sechstausend Soldaten der Stadtcohorten, wurde ausschließlich aus
Freigebornen, die ebenfalls militärisch organisirte Feuerwehr, etwa sieben¬
tausend Mann, die zugleich Nachtwächterdienste versahen, aus Freigelassenen
angeworben.

Die Gemeinen der römischen Besatzung standen im Solde und Range über
denen der Legionen. Die der Stadtcohorten hatten bei zwanzig Dienstjahren,
wie es scheint, einen Sold von einem Denar, die der Garde (Prätorianer)
bei sechzehn Dienstjahren zwei Denare täglich. Hierzu kamen aber noch sehr
ansehnliche Geschenke bei außerordentlichen Gelegenheiten, besonders Thron¬
besteigungen, wobei die Garden immer am meisten erhieltein so z. B. an jedem
Jahrestage der Thronbesteigung des Claudius je hundert Sesterzen, nachdem
sie bereits ein für alle Mal Mann für Mann fünfzehntausend Sesterzen erhalten
hatten. Nicht blos der hohe Sold aber, die Aussicht auf Beförderung zu
höher" Posten und die Lust am Waffenhandwerk und Waffenschmuck lockten zum
Eintritt in den Militärstand, sondern sicher auch dessen mit der Zeit immer
mehr zunehmendes Ansehen. In einem Gedicht aus dem Anfang des zweiten
Jahrhunderts wird unter andern Vorzügen jenes Standes besonders betont,
daß der Soldat sich ungestraft manchen Uebermuth gegen den Civilisten erlauben
durfte. Schlug ein Soldat einen Mann in der Toga, so getraute sich dieser
niemals den Schlag zu erwidern, ja er wagte nicht einmal vor Gericht über
den etwa ausgeschlagnen Zahn oder das hoffnungslos zugerichtete Auge zu
klagen. Denn vor den Militärgerichten, die über die Vergehen von Angehörigen
der bewaffneten Macht abzuurtheilen hatten, nahm stets die ganze Kohorte
gegen den Ankläger Partei, und niemand war kühn genug, für ihn als Zeuge
aufzutreten. Es war leichter, einen falschen Zeugen gegen einen Nichtsoldaten,
als einen wahren gegen einen Soldaten zu finden.

Wie die Legionen in den Provinzen an trotzigem Uebermuth den Garden
in der Hauptstadt nichts nachgaben, mag folgendes, bei Apulejus zu lesendes
Beispiel zeigen.

Ein Legionssvldat begegnet in der Prqvinz Macedonien auf der Landstraße
einem Gärtner, der auf einem Esel reitet. Er richtet mit hochmüthiger und
dreister Geberde eine Frage auf lateinisch an ihn, die dieser nicht versteht und
daher nicht beantwortet. Der Soldat säumt nicht, die seinem Stande gleich-


erfahrung auf ihre jährlich wechselnden Vorgesetzten großen Einfluß übten, ist
klar; gewiß überließen diese ihnen häufig die Besorgung - der Geschäfte sogar
ganz, und da sie dann Anordnungen, namentlich in Bezug auf Marktpolizei
und Kassenverwaltung, selbständig treffen konnten, so fehlte es ihnen nicht an
Gelegenheiten, sich viele zu verpflichten.

Am stärksten drängten sich wohl die jungen Männer aus dem Volke zum
Militärdienst. Die Besatzung Roms, zehntausend Prätoriancr, zwischen
vier- und sechstausend Soldaten der Stadtcohorten, wurde ausschließlich aus
Freigebornen, die ebenfalls militärisch organisirte Feuerwehr, etwa sieben¬
tausend Mann, die zugleich Nachtwächterdienste versahen, aus Freigelassenen
angeworben.

Die Gemeinen der römischen Besatzung standen im Solde und Range über
denen der Legionen. Die der Stadtcohorten hatten bei zwanzig Dienstjahren,
wie es scheint, einen Sold von einem Denar, die der Garde (Prätorianer)
bei sechzehn Dienstjahren zwei Denare täglich. Hierzu kamen aber noch sehr
ansehnliche Geschenke bei außerordentlichen Gelegenheiten, besonders Thron¬
besteigungen, wobei die Garden immer am meisten erhieltein so z. B. an jedem
Jahrestage der Thronbesteigung des Claudius je hundert Sesterzen, nachdem
sie bereits ein für alle Mal Mann für Mann fünfzehntausend Sesterzen erhalten
hatten. Nicht blos der hohe Sold aber, die Aussicht auf Beförderung zu
höher» Posten und die Lust am Waffenhandwerk und Waffenschmuck lockten zum
Eintritt in den Militärstand, sondern sicher auch dessen mit der Zeit immer
mehr zunehmendes Ansehen. In einem Gedicht aus dem Anfang des zweiten
Jahrhunderts wird unter andern Vorzügen jenes Standes besonders betont,
daß der Soldat sich ungestraft manchen Uebermuth gegen den Civilisten erlauben
durfte. Schlug ein Soldat einen Mann in der Toga, so getraute sich dieser
niemals den Schlag zu erwidern, ja er wagte nicht einmal vor Gericht über
den etwa ausgeschlagnen Zahn oder das hoffnungslos zugerichtete Auge zu
klagen. Denn vor den Militärgerichten, die über die Vergehen von Angehörigen
der bewaffneten Macht abzuurtheilen hatten, nahm stets die ganze Kohorte
gegen den Ankläger Partei, und niemand war kühn genug, für ihn als Zeuge
aufzutreten. Es war leichter, einen falschen Zeugen gegen einen Nichtsoldaten,
als einen wahren gegen einen Soldaten zu finden.

Wie die Legionen in den Provinzen an trotzigem Uebermuth den Garden
in der Hauptstadt nichts nachgaben, mag folgendes, bei Apulejus zu lesendes
Beispiel zeigen.

Ein Legionssvldat begegnet in der Prqvinz Macedonien auf der Landstraße
einem Gärtner, der auf einem Esel reitet. Er richtet mit hochmüthiger und
dreister Geberde eine Frage auf lateinisch an ihn, die dieser nicht versteht und
daher nicht beantwortet. Der Soldat säumt nicht, die seinem Stande gleich-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/180>, abgerufen am 26.06.2024.