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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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aus und ein und waren bei den wichtigsten und gefährlichsten Unternehmungen
Anstifter und Rathgeber. Dem Astrologen Thrasyllus, der bis zum Tode
Tibers der unzertrennliche Begleiter des Kaisers blieb, legte man am Hofe einen
unbedingten Einfluß auf den sonst so verschlossenen Monarchen bei. Vespasian
bewilligte dem ephesischen Astrologen Barbillus zu Gefallen der Stadt Ephesus
die Einrichtung eines periodischen Festspiels, eine Bevorzugung, die er sonst
keiner Stadt zu Theil werden ließ. Auf den Rath desselben berühmten Stern¬
deuters ließ Nero im Jahre 65 beim Erscheinen eines Kometen mehre Vornehme
hinrichten. um so die ihm angeblich drohende Gefahr abzuwenden. Ueberhaupt
lag nicht selten das Schicksal fürstlicher Geschlechter in den Handen von Hof-
astrologen. Der Unterthan, dem sein Horoskop nach ihrer Aussage den Thron
verhieß, hatte in der Regel nur zwischen Verschwörung oder eigenem Untergang
die Wahl. So soll der Tod Ncrvas aus diesem Grunde bereits von Domitian
beschlossen und nur durch einen ihm wohlwollenden Sterndeuter abgewendet
worden sein, der den Kaiser glauben machte, Nerva habe nur noch wenige Tage
zu leben.

Die Astrologie war die eigentlich aristokratische Art der Prophezeiung und
verhielt sich in Bezug auf das Ansehen, das sie genoß, zu den populären Arten,
dem Wahrsagen aus der Hand, aus Würfeln, Sieben, Schüsseln, aus Käse
und aus Feuer, etwa wie in neuester Zeit der Somnambulismus, das Tisch¬
klopfen und der Psychograph zu der Erforschung der Zukunft aus Karten, Blei¬
guß und Kaffeesatz. Nur ist zu bemerken, daß damals die von den höheren
Standen vorzüglich begünstigte Art der Prophezeiung auch unter Leuten des
dritten Standes sehr verbreitet war, und daß es neben jenen vornehmen Pro¬
pheten auch eine große Anzahl Winkelastrologcn gab, die geringerem Volk für
ein Billiges dienten. Diese hielten sich besonders am Circus auf und weissagten
dem Bauersmann den^Ausfall der Ernte, Brautleuten den Tag ihrer Hochzeit,
lauernden Erben die Zeit, wo der betreffende reiche Vetter sterben mußte, sagten
Bauherrn den rechten Augenblick zur Legung des Grundsteins ihres Hauses,
Reisenden den passendsten Moment für den Antritt ihrer Fahrt u. f. w.

Sehr gesucht waren von Leuten des dritten Standes die Subaltern¬
dienste bei den Magistraten und Priesterschaften, die meist von Freigelassnen
versehen wurden, lebenslänglich und besoldet waren und auch durch Kauf er¬
langt werden konnten. Die niedrigsten Stellen dieser Art waren die der Aus¬
rufer und Amtsboten, für höher galten die der Victoren, für die einflu߬
reichsten und einträglichsten sind die der Schreiber bei den Quästoren und
Aedilen anzusehen. Jene geringeren Subalternbeamten betrieben zuweilen neben
ihren amtlichen Geschäften ein Handwerk oder einen Kram; diese höheren,
deren Posten selbst von Rittern gesucht wurden, scheinen gewöhnlich Männer
von freier Geburt gewesen zu sein. Daß sie mit ihrer vieljährigen Geschäfts-


aus und ein und waren bei den wichtigsten und gefährlichsten Unternehmungen
Anstifter und Rathgeber. Dem Astrologen Thrasyllus, der bis zum Tode
Tibers der unzertrennliche Begleiter des Kaisers blieb, legte man am Hofe einen
unbedingten Einfluß auf den sonst so verschlossenen Monarchen bei. Vespasian
bewilligte dem ephesischen Astrologen Barbillus zu Gefallen der Stadt Ephesus
die Einrichtung eines periodischen Festspiels, eine Bevorzugung, die er sonst
keiner Stadt zu Theil werden ließ. Auf den Rath desselben berühmten Stern¬
deuters ließ Nero im Jahre 65 beim Erscheinen eines Kometen mehre Vornehme
hinrichten. um so die ihm angeblich drohende Gefahr abzuwenden. Ueberhaupt
lag nicht selten das Schicksal fürstlicher Geschlechter in den Handen von Hof-
astrologen. Der Unterthan, dem sein Horoskop nach ihrer Aussage den Thron
verhieß, hatte in der Regel nur zwischen Verschwörung oder eigenem Untergang
die Wahl. So soll der Tod Ncrvas aus diesem Grunde bereits von Domitian
beschlossen und nur durch einen ihm wohlwollenden Sterndeuter abgewendet
worden sein, der den Kaiser glauben machte, Nerva habe nur noch wenige Tage
zu leben.

Die Astrologie war die eigentlich aristokratische Art der Prophezeiung und
verhielt sich in Bezug auf das Ansehen, das sie genoß, zu den populären Arten,
dem Wahrsagen aus der Hand, aus Würfeln, Sieben, Schüsseln, aus Käse
und aus Feuer, etwa wie in neuester Zeit der Somnambulismus, das Tisch¬
klopfen und der Psychograph zu der Erforschung der Zukunft aus Karten, Blei¬
guß und Kaffeesatz. Nur ist zu bemerken, daß damals die von den höheren
Standen vorzüglich begünstigte Art der Prophezeiung auch unter Leuten des
dritten Standes sehr verbreitet war, und daß es neben jenen vornehmen Pro¬
pheten auch eine große Anzahl Winkelastrologcn gab, die geringerem Volk für
ein Billiges dienten. Diese hielten sich besonders am Circus auf und weissagten
dem Bauersmann den^Ausfall der Ernte, Brautleuten den Tag ihrer Hochzeit,
lauernden Erben die Zeit, wo der betreffende reiche Vetter sterben mußte, sagten
Bauherrn den rechten Augenblick zur Legung des Grundsteins ihres Hauses,
Reisenden den passendsten Moment für den Antritt ihrer Fahrt u. f. w.

Sehr gesucht waren von Leuten des dritten Standes die Subaltern¬
dienste bei den Magistraten und Priesterschaften, die meist von Freigelassnen
versehen wurden, lebenslänglich und besoldet waren und auch durch Kauf er¬
langt werden konnten. Die niedrigsten Stellen dieser Art waren die der Aus¬
rufer und Amtsboten, für höher galten die der Victoren, für die einflu߬
reichsten und einträglichsten sind die der Schreiber bei den Quästoren und
Aedilen anzusehen. Jene geringeren Subalternbeamten betrieben zuweilen neben
ihren amtlichen Geschäften ein Handwerk oder einen Kram; diese höheren,
deren Posten selbst von Rittern gesucht wurden, scheinen gewöhnlich Männer
von freier Geburt gewesen zu sein. Daß sie mit ihrer vieljährigen Geschäfts-


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[0179] aus und ein und waren bei den wichtigsten und gefährlichsten Unternehmungen Anstifter und Rathgeber. Dem Astrologen Thrasyllus, der bis zum Tode Tibers der unzertrennliche Begleiter des Kaisers blieb, legte man am Hofe einen unbedingten Einfluß auf den sonst so verschlossenen Monarchen bei. Vespasian bewilligte dem ephesischen Astrologen Barbillus zu Gefallen der Stadt Ephesus die Einrichtung eines periodischen Festspiels, eine Bevorzugung, die er sonst keiner Stadt zu Theil werden ließ. Auf den Rath desselben berühmten Stern¬ deuters ließ Nero im Jahre 65 beim Erscheinen eines Kometen mehre Vornehme hinrichten. um so die ihm angeblich drohende Gefahr abzuwenden. Ueberhaupt lag nicht selten das Schicksal fürstlicher Geschlechter in den Handen von Hof- astrologen. Der Unterthan, dem sein Horoskop nach ihrer Aussage den Thron verhieß, hatte in der Regel nur zwischen Verschwörung oder eigenem Untergang die Wahl. So soll der Tod Ncrvas aus diesem Grunde bereits von Domitian beschlossen und nur durch einen ihm wohlwollenden Sterndeuter abgewendet worden sein, der den Kaiser glauben machte, Nerva habe nur noch wenige Tage zu leben. Die Astrologie war die eigentlich aristokratische Art der Prophezeiung und verhielt sich in Bezug auf das Ansehen, das sie genoß, zu den populären Arten, dem Wahrsagen aus der Hand, aus Würfeln, Sieben, Schüsseln, aus Käse und aus Feuer, etwa wie in neuester Zeit der Somnambulismus, das Tisch¬ klopfen und der Psychograph zu der Erforschung der Zukunft aus Karten, Blei¬ guß und Kaffeesatz. Nur ist zu bemerken, daß damals die von den höheren Standen vorzüglich begünstigte Art der Prophezeiung auch unter Leuten des dritten Standes sehr verbreitet war, und daß es neben jenen vornehmen Pro¬ pheten auch eine große Anzahl Winkelastrologcn gab, die geringerem Volk für ein Billiges dienten. Diese hielten sich besonders am Circus auf und weissagten dem Bauersmann den^Ausfall der Ernte, Brautleuten den Tag ihrer Hochzeit, lauernden Erben die Zeit, wo der betreffende reiche Vetter sterben mußte, sagten Bauherrn den rechten Augenblick zur Legung des Grundsteins ihres Hauses, Reisenden den passendsten Moment für den Antritt ihrer Fahrt u. f. w. Sehr gesucht waren von Leuten des dritten Standes die Subaltern¬ dienste bei den Magistraten und Priesterschaften, die meist von Freigelassnen versehen wurden, lebenslänglich und besoldet waren und auch durch Kauf er¬ langt werden konnten. Die niedrigsten Stellen dieser Art waren die der Aus¬ rufer und Amtsboten, für höher galten die der Victoren, für die einflu߬ reichsten und einträglichsten sind die der Schreiber bei den Quästoren und Aedilen anzusehen. Jene geringeren Subalternbeamten betrieben zuweilen neben ihren amtlichen Geschäften ein Handwerk oder einen Kram; diese höheren, deren Posten selbst von Rittern gesucht wurden, scheinen gewöhnlich Männer von freier Geburt gewesen zu sein. Daß sie mit ihrer vieljährigen Geschäfts-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/179>, abgerufen am 26.06.2024.