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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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ertheilten ihren Rath, verabreichten ihre Mittel und nahmen selbst Operationen
vor in Buden und Läden, die nach der Straße zu offen waren, und die un¬
wissendsten waren am meisten darauf bedacht, ihre Lokale mit elfenbeinernen
Pillen- und Salbenbüchsen, silbernen Schröpfköpfen und Messern mit vergoldetem
Griff auszustaffiren. Epictet sagt, in Rom sei es bereits dahin gekommen, daß
die Aerzte die Patienten zum Eintreten bei sich einluden. Auch der Verkauf
von Medicamenten, welche die Aerzte zum großen Theil selbst bereiteten, war
eine gute Einnahmequelle, besonders da man meinte, daß die theuersten Arzneien
die wirksamsten seien. Viele Aerzte beschäftigten sich mit der Komposition von
kosmetischen Mittelchen, andern sagte man nach, daß sie Zauberkünste und Gift¬
mischerei betrieben, sehr viele bemühten sich eifrig mit der Bereitung von Gegen¬
giften, die von einer großen Anzahl Leuten als Präservative regelmäßig ge¬
braucht wurden.

Von selbst versteht sich, daß ein Stand, zu dem jeder leicht Zutritt fand,
und dessen Mitglieder starken Versuchungen ausgesetzt waren, viele unlautere
Elemente enthielt. Außer der Giftmischerei warf der Volksmund den Aerzten
besonders oft Ehebruch vor. Ferner galten sie für habsüchtig, streitliebend,
neidisch auf den Erfolg von College", für grob, hochmüthig und andererseits
Vornehmen gegenüber sklavenhaft unterthänig.

Sehr häufig kamen neue Heilmethoden auf. Die Kaltwasserkur spielte in
Rom wiederholt eine Rolle. Asklepiades aus Bithynien, der in der letzten
Zeit der Republik zuerst als Lehrer der Beredsamkeit, dann aber, da seine
Einnahmen aus dieser Erwerbsquelle ihn nicht befriedigten, als Mediciner auf¬
trat, curirte seine Kranken hauptsächlich dadurch, daß er ihnen eine zweckmäßige
Diät vorschrieb. Sein Glück machte er aber vorzüglich durch Anbequemung
an die Launen der Patienten und durch unerhörte Charlatanskünste, indem er
Kräuter zu kennen vorgab, durch die man Seen und Flüsse austrocknen, alles
Verschlossene öffnen, Heere in die Flucht jagen und sich alle Dinge im Ueber¬
fluß verschaffen könne. Ueberhaupt stand die Magie mit der Medicin in viel¬
fältigem Zusammenhang: sie wurde von den Aerzten keineswegs immer in be¬
trügerischer Absicht, sondern oft auch in gutem Glauben angewendet. Selbst
Galen war von dem unermeßlichen medicinischen Aberglauben der damaligen
Zeit nicht ganz frei. Und sogar die, welche alle Zaubermittel verwarfen, wagten
nur selten den Werth astrologischer Berechnungen in Abrede zu stellen, die
besonders in Aegypten der Therapie zu Grunde gelegt wurden und vielen Nicht-
ärzten für unentbehrlich galten.

Auch die Astrologie war eine einträgliche Kunst und zwar nicht erlaubt,
aber geduldet, soweit sie nicht auf die Person des Kaisers oder auf Staats¬
angelegenheiten angewandt wurde. Astrologen, vorzugsweise Griechen und
Orientalen, gingen am Hofe wie in den Palästen der Aristokratie als Vertraute


ertheilten ihren Rath, verabreichten ihre Mittel und nahmen selbst Operationen
vor in Buden und Läden, die nach der Straße zu offen waren, und die un¬
wissendsten waren am meisten darauf bedacht, ihre Lokale mit elfenbeinernen
Pillen- und Salbenbüchsen, silbernen Schröpfköpfen und Messern mit vergoldetem
Griff auszustaffiren. Epictet sagt, in Rom sei es bereits dahin gekommen, daß
die Aerzte die Patienten zum Eintreten bei sich einluden. Auch der Verkauf
von Medicamenten, welche die Aerzte zum großen Theil selbst bereiteten, war
eine gute Einnahmequelle, besonders da man meinte, daß die theuersten Arzneien
die wirksamsten seien. Viele Aerzte beschäftigten sich mit der Komposition von
kosmetischen Mittelchen, andern sagte man nach, daß sie Zauberkünste und Gift¬
mischerei betrieben, sehr viele bemühten sich eifrig mit der Bereitung von Gegen¬
giften, die von einer großen Anzahl Leuten als Präservative regelmäßig ge¬
braucht wurden.

Von selbst versteht sich, daß ein Stand, zu dem jeder leicht Zutritt fand,
und dessen Mitglieder starken Versuchungen ausgesetzt waren, viele unlautere
Elemente enthielt. Außer der Giftmischerei warf der Volksmund den Aerzten
besonders oft Ehebruch vor. Ferner galten sie für habsüchtig, streitliebend,
neidisch auf den Erfolg von College», für grob, hochmüthig und andererseits
Vornehmen gegenüber sklavenhaft unterthänig.

Sehr häufig kamen neue Heilmethoden auf. Die Kaltwasserkur spielte in
Rom wiederholt eine Rolle. Asklepiades aus Bithynien, der in der letzten
Zeit der Republik zuerst als Lehrer der Beredsamkeit, dann aber, da seine
Einnahmen aus dieser Erwerbsquelle ihn nicht befriedigten, als Mediciner auf¬
trat, curirte seine Kranken hauptsächlich dadurch, daß er ihnen eine zweckmäßige
Diät vorschrieb. Sein Glück machte er aber vorzüglich durch Anbequemung
an die Launen der Patienten und durch unerhörte Charlatanskünste, indem er
Kräuter zu kennen vorgab, durch die man Seen und Flüsse austrocknen, alles
Verschlossene öffnen, Heere in die Flucht jagen und sich alle Dinge im Ueber¬
fluß verschaffen könne. Ueberhaupt stand die Magie mit der Medicin in viel¬
fältigem Zusammenhang: sie wurde von den Aerzten keineswegs immer in be¬
trügerischer Absicht, sondern oft auch in gutem Glauben angewendet. Selbst
Galen war von dem unermeßlichen medicinischen Aberglauben der damaligen
Zeit nicht ganz frei. Und sogar die, welche alle Zaubermittel verwarfen, wagten
nur selten den Werth astrologischer Berechnungen in Abrede zu stellen, die
besonders in Aegypten der Therapie zu Grunde gelegt wurden und vielen Nicht-
ärzten für unentbehrlich galten.

Auch die Astrologie war eine einträgliche Kunst und zwar nicht erlaubt,
aber geduldet, soweit sie nicht auf die Person des Kaisers oder auf Staats¬
angelegenheiten angewandt wurde. Astrologen, vorzugsweise Griechen und
Orientalen, gingen am Hofe wie in den Palästen der Aristokratie als Vertraute


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[0178] ertheilten ihren Rath, verabreichten ihre Mittel und nahmen selbst Operationen vor in Buden und Läden, die nach der Straße zu offen waren, und die un¬ wissendsten waren am meisten darauf bedacht, ihre Lokale mit elfenbeinernen Pillen- und Salbenbüchsen, silbernen Schröpfköpfen und Messern mit vergoldetem Griff auszustaffiren. Epictet sagt, in Rom sei es bereits dahin gekommen, daß die Aerzte die Patienten zum Eintreten bei sich einluden. Auch der Verkauf von Medicamenten, welche die Aerzte zum großen Theil selbst bereiteten, war eine gute Einnahmequelle, besonders da man meinte, daß die theuersten Arzneien die wirksamsten seien. Viele Aerzte beschäftigten sich mit der Komposition von kosmetischen Mittelchen, andern sagte man nach, daß sie Zauberkünste und Gift¬ mischerei betrieben, sehr viele bemühten sich eifrig mit der Bereitung von Gegen¬ giften, die von einer großen Anzahl Leuten als Präservative regelmäßig ge¬ braucht wurden. Von selbst versteht sich, daß ein Stand, zu dem jeder leicht Zutritt fand, und dessen Mitglieder starken Versuchungen ausgesetzt waren, viele unlautere Elemente enthielt. Außer der Giftmischerei warf der Volksmund den Aerzten besonders oft Ehebruch vor. Ferner galten sie für habsüchtig, streitliebend, neidisch auf den Erfolg von College», für grob, hochmüthig und andererseits Vornehmen gegenüber sklavenhaft unterthänig. Sehr häufig kamen neue Heilmethoden auf. Die Kaltwasserkur spielte in Rom wiederholt eine Rolle. Asklepiades aus Bithynien, der in der letzten Zeit der Republik zuerst als Lehrer der Beredsamkeit, dann aber, da seine Einnahmen aus dieser Erwerbsquelle ihn nicht befriedigten, als Mediciner auf¬ trat, curirte seine Kranken hauptsächlich dadurch, daß er ihnen eine zweckmäßige Diät vorschrieb. Sein Glück machte er aber vorzüglich durch Anbequemung an die Launen der Patienten und durch unerhörte Charlatanskünste, indem er Kräuter zu kennen vorgab, durch die man Seen und Flüsse austrocknen, alles Verschlossene öffnen, Heere in die Flucht jagen und sich alle Dinge im Ueber¬ fluß verschaffen könne. Ueberhaupt stand die Magie mit der Medicin in viel¬ fältigem Zusammenhang: sie wurde von den Aerzten keineswegs immer in be¬ trügerischer Absicht, sondern oft auch in gutem Glauben angewendet. Selbst Galen war von dem unermeßlichen medicinischen Aberglauben der damaligen Zeit nicht ganz frei. Und sogar die, welche alle Zaubermittel verwarfen, wagten nur selten den Werth astrologischer Berechnungen in Abrede zu stellen, die besonders in Aegypten der Therapie zu Grunde gelegt wurden und vielen Nicht- ärzten für unentbehrlich galten. Auch die Astrologie war eine einträgliche Kunst und zwar nicht erlaubt, aber geduldet, soweit sie nicht auf die Person des Kaisers oder auf Staats¬ angelegenheiten angewandt wurde. Astrologen, vorzugsweise Griechen und Orientalen, gingen am Hofe wie in den Palästen der Aristokratie als Vertraute

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/178>, abgerufen am 26.06.2024.