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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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Bucht nebst einem angemessenen Theile des dahinter liegenden Landes, soweit
dasselbe für Befestigungen u. s. w- nothwendig erachtet würde, können füglich
ohne Störung der Interessen der Herzogthümer an der Stadt Kiel, sowie der
besonderen Interessen der Stadt Kiel selbst abgetreten werden. Kiel wird als
offne Stadt außerhalb der sämmtlichen Befestigungen liegen bleiben und der
besondere Handelsverkehr durch den unberührt bleibenden innern Hafentheil völlig
befriedigt werden können."

Wir sagen zu diesem Räsonnement: wenn der Verfasser der Denkschrift
keine bessern Gründe für die Wahl der Mündung des Kanals bei Wieck vorgebracht
hätte, so fiele seine Empfehlung derselben zu Boden. Der Kanal ist eine deutsche
und zunächst eine preußische Angelegenheit, und die Schleswig-holsteinische Selbst¬
sucht , die sich gar zu gern in jedes nationale Interesse hineinschiebt, der Schles¬
wig-holsteinische Particularismus, dessen Hochmuth nachgerade die Grenze des
gesunden Menschenverstandes überschritten hat, das Sonderinteresse der guten
Stadt Kiel wird hoffentlich in diese Frage nicht hineinzureden, nichts zu "ver¬
einbaren", nichts "angemessen" zu finden, nichts abzuhandeln haben.

Kann nicht ganz Schleswig-Holstein durch Vereinigung mit dem preußischen
Staat dem deutschen Interesse dienstbar gemacht werden -- eine Frage, die
vorläufig noch verneint werden zu müssen scheint -- so ist wenigstens zu.er¬
warten, daß der Krone Preußen von ihrer Eroberung das Stück verbleibt,
welches der Kanal durchschneidet, und daß dieselbe den ganzen kieler Hafen
von Friedrichsort bis Dorfgarten, nicht blos eine Ecke behält. Ist die Stadt
selbst dazu nöthig, so wird man sie eben in Anspruch nehmen und aller
Wahrscheinlichkeit nach bekommen. Ob die kieler Bürgerschaft und die Particu-
laristen an der Universität Ja dazu sagen, ob die Weisheit der hohen Schles-
wig-holsteinischen Landesvcrsammlung in sy<z dazu ihren Segen geben wird, ist
gleichgiltig. Die Stimme der Zukunft Deutschlands aus Preußens Munde ist
zu hören, nichts weiter, und wer das noch nicht begreift, dem wird die Fortdauer
des Provisoriums das verdunkelte Denkvermögen erleuchten, was beiläufig, wie
das schüchterne "wenn möglich" im Obigen zeigt, bei dem Verfasser unserer
Denkschrift nicht mehr dringend erforderlich sein möchte.

" Wir schließen unsre Mittheilungen aus der letzteren mit einem Auszug
aus den Kapiteln, die von der Rentabilität des Kanals und der Stellung
handeln, welche dem Staat zu dem Unternehmen gebühren möchte.

Die Frequenz des Kanals wird, wie oben erwähnt, in den ersten Jahren
15.000 Schiffe von der durchschnittlichen Tragfähigkeit von 200 Tonnen schwer¬
lich übersteigen, nach einiger Zeit aber sicher auf 20,000 solche Schiffe wachsen
und später wahrscheinlich die Ziffer von 25,000 derartigen Fahrzeugen erreichen.
Die Grenze der Schiffszahl, welche der Kanal befriedigen kann, ohne eine Ver¬
größerung der jetzt herzustellenden Anlagen und der Betriebskosten zu erfordern,


Bucht nebst einem angemessenen Theile des dahinter liegenden Landes, soweit
dasselbe für Befestigungen u. s. w- nothwendig erachtet würde, können füglich
ohne Störung der Interessen der Herzogthümer an der Stadt Kiel, sowie der
besonderen Interessen der Stadt Kiel selbst abgetreten werden. Kiel wird als
offne Stadt außerhalb der sämmtlichen Befestigungen liegen bleiben und der
besondere Handelsverkehr durch den unberührt bleibenden innern Hafentheil völlig
befriedigt werden können."

Wir sagen zu diesem Räsonnement: wenn der Verfasser der Denkschrift
keine bessern Gründe für die Wahl der Mündung des Kanals bei Wieck vorgebracht
hätte, so fiele seine Empfehlung derselben zu Boden. Der Kanal ist eine deutsche
und zunächst eine preußische Angelegenheit, und die Schleswig-holsteinische Selbst¬
sucht , die sich gar zu gern in jedes nationale Interesse hineinschiebt, der Schles¬
wig-holsteinische Particularismus, dessen Hochmuth nachgerade die Grenze des
gesunden Menschenverstandes überschritten hat, das Sonderinteresse der guten
Stadt Kiel wird hoffentlich in diese Frage nicht hineinzureden, nichts zu „ver¬
einbaren", nichts „angemessen" zu finden, nichts abzuhandeln haben.

Kann nicht ganz Schleswig-Holstein durch Vereinigung mit dem preußischen
Staat dem deutschen Interesse dienstbar gemacht werden — eine Frage, die
vorläufig noch verneint werden zu müssen scheint — so ist wenigstens zu.er¬
warten, daß der Krone Preußen von ihrer Eroberung das Stück verbleibt,
welches der Kanal durchschneidet, und daß dieselbe den ganzen kieler Hafen
von Friedrichsort bis Dorfgarten, nicht blos eine Ecke behält. Ist die Stadt
selbst dazu nöthig, so wird man sie eben in Anspruch nehmen und aller
Wahrscheinlichkeit nach bekommen. Ob die kieler Bürgerschaft und die Particu-
laristen an der Universität Ja dazu sagen, ob die Weisheit der hohen Schles-
wig-holsteinischen Landesvcrsammlung in sy<z dazu ihren Segen geben wird, ist
gleichgiltig. Die Stimme der Zukunft Deutschlands aus Preußens Munde ist
zu hören, nichts weiter, und wer das noch nicht begreift, dem wird die Fortdauer
des Provisoriums das verdunkelte Denkvermögen erleuchten, was beiläufig, wie
das schüchterne „wenn möglich" im Obigen zeigt, bei dem Verfasser unserer
Denkschrift nicht mehr dringend erforderlich sein möchte.

" Wir schließen unsre Mittheilungen aus der letzteren mit einem Auszug
aus den Kapiteln, die von der Rentabilität des Kanals und der Stellung
handeln, welche dem Staat zu dem Unternehmen gebühren möchte.

Die Frequenz des Kanals wird, wie oben erwähnt, in den ersten Jahren
15.000 Schiffe von der durchschnittlichen Tragfähigkeit von 200 Tonnen schwer¬
lich übersteigen, nach einiger Zeit aber sicher auf 20,000 solche Schiffe wachsen
und später wahrscheinlich die Ziffer von 25,000 derartigen Fahrzeugen erreichen.
Die Grenze der Schiffszahl, welche der Kanal befriedigen kann, ohne eine Ver¬
größerung der jetzt herzustellenden Anlagen und der Betriebskosten zu erfordern,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/152>, abgerufen am 26.06.2024.