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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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Der König Ahasveros von Persien verstößt seine Gemahlin Vasthi, weil
sie sich geweigert hatte, auf seinen Befehl bei einem öffentlichen Zechgelage in
der Hauptstadt Susan allem Volke ihre Schönheit zu zeigen. Die Jüdin Esther,
die Nichte eines gewissen Mardochai, hat das Glück, unter allen Schönheiten
welche aus dem ganzen Reich zusammengesucht sind, dem König am besten zu
gefallen und zur Nachfolgerin der Verstoßenen erhoben zu werden. Ihr Oheim
entdeckt bald darauf eine Verschwörung gegen das Leben des Königs; die
Uebelthäter werden aufgehängt und Mardochais Verdienst wird in die Reichs¬
chronik eingetragen.

Darnach macht der König den Haman, einen Mann aus dem Königs¬
geschlecht der von Urzeit her mit Israel verfeindeten Amalekiter zum obersten
Minister. Mardochai versagt ihm die übliche und vom König noch besonders
allen anbefohlene Ehrenbezeugung, sich vor ihm niederzuwerfen (?ryos^t^).
Haman will seinen Zorn darüber an Mardochais ganzem Volk auslassen; er
verlangt vom König einen Befehl, daß am 13. des Monats Adar alle Juden
im ganzen Lande umgebracht werden sollen.

Durch ihren Oheim erfährt die Königin Esther von dem Edict. Da die
Todesstrafe darauf steht, wenn sich irgend jemand unberufen zum König begiebt,
es sei denn, daß derselbe sofort durch Berührung mit seinem Scepter das
Zeichen der Begnadigung gebe, so macht sie anfangs Schwierigkeiten, sich für
ihr Volk zu verwenden; doch entschließt sie sich endlich und geht, nachdem sie
selbst mit ihren Mägden ebenso wie die andern Juden in Susan drei Tage
gefastet hat, zum König. Da er sie gnädig aufnimmt, bittet sie ihn, er möge
morgen mit Haman bei ihr speisen. Bei dem Mahle bittet sie den König,
der nach ihrem eigentlichen Begehren fragt, am andern Tage mit Haman wieder¬
zukommen.

Unterdessen ist Haman wieder erboßt über Mardochai und errichtet auf den
Rath seines Weibes einen 50 Ellen hohen Galgen für ihn. Der König aber
läßt sich, weil er nicht schlafen kann, in der Nacht aus der Reichschronik vor¬
lesen und kommt dabei auf das schon vergessene und, wie er erfährt, noch un°
belohnte Verdienst Mardochais bei der Entdeckung der Verschwörung. Als nun
Haman in aller Frühe erscheint, um sich die Erlaubniß zum Aufhängen Mar¬
dochais zu erbitten, fragt ihn der König, was man dem Manne thun solle,
den der König liebe. In dem Wahn, der König meine ihn selbst, nennt
Haman hohe öffentliche Ehren und sieht sich nun gezwungen, den Mardochai im
Triumphzug durch die Stadt zu führen.

Dies ist der Anfang zum Falle Hamans, wie es sein Weib sogleich ahnt.
Bei dem Mahle bittet Esther, welche ihre jüdische Abkunft auf den Befehl ihres
Oheims bis dahin verborgen hatte, ihr und ihrem Volke das Leben zu schenken.
Der König wird über Hamans Bosheit aufgeklärt, und da Haman in seiner


Der König Ahasveros von Persien verstößt seine Gemahlin Vasthi, weil
sie sich geweigert hatte, auf seinen Befehl bei einem öffentlichen Zechgelage in
der Hauptstadt Susan allem Volke ihre Schönheit zu zeigen. Die Jüdin Esther,
die Nichte eines gewissen Mardochai, hat das Glück, unter allen Schönheiten
welche aus dem ganzen Reich zusammengesucht sind, dem König am besten zu
gefallen und zur Nachfolgerin der Verstoßenen erhoben zu werden. Ihr Oheim
entdeckt bald darauf eine Verschwörung gegen das Leben des Königs; die
Uebelthäter werden aufgehängt und Mardochais Verdienst wird in die Reichs¬
chronik eingetragen.

Darnach macht der König den Haman, einen Mann aus dem Königs¬
geschlecht der von Urzeit her mit Israel verfeindeten Amalekiter zum obersten
Minister. Mardochai versagt ihm die übliche und vom König noch besonders
allen anbefohlene Ehrenbezeugung, sich vor ihm niederzuwerfen (?ryos^t^).
Haman will seinen Zorn darüber an Mardochais ganzem Volk auslassen; er
verlangt vom König einen Befehl, daß am 13. des Monats Adar alle Juden
im ganzen Lande umgebracht werden sollen.

Durch ihren Oheim erfährt die Königin Esther von dem Edict. Da die
Todesstrafe darauf steht, wenn sich irgend jemand unberufen zum König begiebt,
es sei denn, daß derselbe sofort durch Berührung mit seinem Scepter das
Zeichen der Begnadigung gebe, so macht sie anfangs Schwierigkeiten, sich für
ihr Volk zu verwenden; doch entschließt sie sich endlich und geht, nachdem sie
selbst mit ihren Mägden ebenso wie die andern Juden in Susan drei Tage
gefastet hat, zum König. Da er sie gnädig aufnimmt, bittet sie ihn, er möge
morgen mit Haman bei ihr speisen. Bei dem Mahle bittet sie den König,
der nach ihrem eigentlichen Begehren fragt, am andern Tage mit Haman wieder¬
zukommen.

Unterdessen ist Haman wieder erboßt über Mardochai und errichtet auf den
Rath seines Weibes einen 50 Ellen hohen Galgen für ihn. Der König aber
läßt sich, weil er nicht schlafen kann, in der Nacht aus der Reichschronik vor¬
lesen und kommt dabei auf das schon vergessene und, wie er erfährt, noch un°
belohnte Verdienst Mardochais bei der Entdeckung der Verschwörung. Als nun
Haman in aller Frühe erscheint, um sich die Erlaubniß zum Aufhängen Mar¬
dochais zu erbitten, fragt ihn der König, was man dem Manne thun solle,
den der König liebe. In dem Wahn, der König meine ihn selbst, nennt
Haman hohe öffentliche Ehren und sieht sich nun gezwungen, den Mardochai im
Triumphzug durch die Stadt zu führen.

Dies ist der Anfang zum Falle Hamans, wie es sein Weib sogleich ahnt.
Bei dem Mahle bittet Esther, welche ihre jüdische Abkunft auf den Befehl ihres
Oheims bis dahin verborgen hatte, ihr und ihrem Volke das Leben zu schenken.
Der König wird über Hamans Bosheit aufgeklärt, und da Haman in seiner


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[0134] Der König Ahasveros von Persien verstößt seine Gemahlin Vasthi, weil sie sich geweigert hatte, auf seinen Befehl bei einem öffentlichen Zechgelage in der Hauptstadt Susan allem Volke ihre Schönheit zu zeigen. Die Jüdin Esther, die Nichte eines gewissen Mardochai, hat das Glück, unter allen Schönheiten welche aus dem ganzen Reich zusammengesucht sind, dem König am besten zu gefallen und zur Nachfolgerin der Verstoßenen erhoben zu werden. Ihr Oheim entdeckt bald darauf eine Verschwörung gegen das Leben des Königs; die Uebelthäter werden aufgehängt und Mardochais Verdienst wird in die Reichs¬ chronik eingetragen. Darnach macht der König den Haman, einen Mann aus dem Königs¬ geschlecht der von Urzeit her mit Israel verfeindeten Amalekiter zum obersten Minister. Mardochai versagt ihm die übliche und vom König noch besonders allen anbefohlene Ehrenbezeugung, sich vor ihm niederzuwerfen (?ryos^t^). Haman will seinen Zorn darüber an Mardochais ganzem Volk auslassen; er verlangt vom König einen Befehl, daß am 13. des Monats Adar alle Juden im ganzen Lande umgebracht werden sollen. Durch ihren Oheim erfährt die Königin Esther von dem Edict. Da die Todesstrafe darauf steht, wenn sich irgend jemand unberufen zum König begiebt, es sei denn, daß derselbe sofort durch Berührung mit seinem Scepter das Zeichen der Begnadigung gebe, so macht sie anfangs Schwierigkeiten, sich für ihr Volk zu verwenden; doch entschließt sie sich endlich und geht, nachdem sie selbst mit ihren Mägden ebenso wie die andern Juden in Susan drei Tage gefastet hat, zum König. Da er sie gnädig aufnimmt, bittet sie ihn, er möge morgen mit Haman bei ihr speisen. Bei dem Mahle bittet sie den König, der nach ihrem eigentlichen Begehren fragt, am andern Tage mit Haman wieder¬ zukommen. Unterdessen ist Haman wieder erboßt über Mardochai und errichtet auf den Rath seines Weibes einen 50 Ellen hohen Galgen für ihn. Der König aber läßt sich, weil er nicht schlafen kann, in der Nacht aus der Reichschronik vor¬ lesen und kommt dabei auf das schon vergessene und, wie er erfährt, noch un° belohnte Verdienst Mardochais bei der Entdeckung der Verschwörung. Als nun Haman in aller Frühe erscheint, um sich die Erlaubniß zum Aufhängen Mar¬ dochais zu erbitten, fragt ihn der König, was man dem Manne thun solle, den der König liebe. In dem Wahn, der König meine ihn selbst, nennt Haman hohe öffentliche Ehren und sieht sich nun gezwungen, den Mardochai im Triumphzug durch die Stadt zu führen. Dies ist der Anfang zum Falle Hamans, wie es sein Weib sogleich ahnt. Bei dem Mahle bittet Esther, welche ihre jüdische Abkunft auf den Befehl ihres Oheims bis dahin verborgen hatte, ihr und ihrem Volke das Leben zu schenken. Der König wird über Hamans Bosheit aufgeklärt, und da Haman in seiner

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/134>, abgerufen am 26.06.2024.