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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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läßt: in den alten Propyläen haben die ionischen Kapitäle in derselben Flucht
mit den von ihnen getragenen Architraven gelegen, und datier ihre Vorder¬
ansicht nicht parallel, sondern im rechten Winkel mit der dorischen Front: eine
Anordnung, die zudem dem Gebäude den Reiz der Mannigfaltigkeit, des leben¬
digen Gegensatzes gab.

Hat sich somit Klenze in der Anordnung seines Lauch mehr als einen
Verstoß gegen das griechische Vorbild zu Schulden kommen lassen: so zeigen
dagegen die Behandlung und die Durchbildung der Detailformen, wie die
Verhältnisse von einem richtigen Verständniß der classischen Baukunst. In dieser
Hinsicht ist das Gebäude immerhin ein höchst achtungswerthes Erzeugnis; archi¬
tektonischer Kunst und weitaus das Beste, was die Architektur seit Jahren in
München geleistet hat. In der Behandlung des Einzelnen, sowie in der Aus¬
führung ist keineswegs ein blos nachahmendes Geschick, vielmehr eine feine
Empfindung für die bewegte, der blos messenden Hand unfaßbare Schönheit
der classischen Formen. Auch die Schärfe und Sauberkeit der technischen Arbeit
in dem edlen Material ist durchaus anerkenncnswerth. Und so hat das Gebäude
bei allen Mängeln eine gewisse edle Größe und Gediegenheit der Erscheinung.

Dagegen sind dann wieder die plastische Ausstattung des Aeußeren
sowie der polychrome Schmuck des Inneren ganz unglücklich ausgefallen.
Jene, zum Theil nach Entwürfen Schwanthalers von seinen "Erben" ausgeführt,
läßt sich kaum als mittelmäßig bezeichnen. Sind schon die Gestalten des Meisters,
dessen Talent, näher besehen, nur in einer beweglichen, unermüdlichen Phantasie
bestand und daher zu einer gründlichen Formenkenntniß nicht durchdrang, in
der Bewegung lahm, im Ausdruck unentschieden, in den Verhältnissen schwankend
und somit in der ganzen plastischen Erscheinung unsicher, von einem die Wirkung
der Komposition abschwächenden Ungefähr: so sind hier gar die Figuren, von
den handwerksmäßigen Händen der "Erben" ausgeführt, leblos und schemen-
haft, in der Form gebrochen und schwerfällig. Doch auf die neueste Münchener
Plastik werden wir später noch die Rede bringen und berühren sie daher nicht
näher, wie auch den Compositionen selber der lebendige Zug fehlt und die
harmonische Anordnung in den architektonischen Rahmen. Diese Verunstaltung
des Baus durch die bildnerische "Zierde" fällt natürlich nicht dem Architekten
zur Last. Wohl aber die geradezu unschöne Polychromie des Inneren. Davon
zunächst abgesehen, daß sich die farbige Ausschmückung allzu sparsam auf die
Kapitäle, Einfassung der Oeffnungen und die Bedeckung beschränkt: so ist die
Behandlung auch an sich mager, das farbige Ornament, das doch den Aus¬
druck der Dienstleistung des Gliedes steigern soll, oft an unrichtiger Stelle an¬
gebracht, daher bedeutungslos oder widersinnig, die Zeichnung klein und arm¬
selig, die Zusammenstellung endlich der hellen, trockenen, marklosen Farben --
meistens in dem mißtönenden Wechsel von Gelb, Braun, Hellgrün und Hellblau


Grenzboten II. 186S. Is

läßt: in den alten Propyläen haben die ionischen Kapitäle in derselben Flucht
mit den von ihnen getragenen Architraven gelegen, und datier ihre Vorder¬
ansicht nicht parallel, sondern im rechten Winkel mit der dorischen Front: eine
Anordnung, die zudem dem Gebäude den Reiz der Mannigfaltigkeit, des leben¬
digen Gegensatzes gab.

Hat sich somit Klenze in der Anordnung seines Lauch mehr als einen
Verstoß gegen das griechische Vorbild zu Schulden kommen lassen: so zeigen
dagegen die Behandlung und die Durchbildung der Detailformen, wie die
Verhältnisse von einem richtigen Verständniß der classischen Baukunst. In dieser
Hinsicht ist das Gebäude immerhin ein höchst achtungswerthes Erzeugnis; archi¬
tektonischer Kunst und weitaus das Beste, was die Architektur seit Jahren in
München geleistet hat. In der Behandlung des Einzelnen, sowie in der Aus¬
führung ist keineswegs ein blos nachahmendes Geschick, vielmehr eine feine
Empfindung für die bewegte, der blos messenden Hand unfaßbare Schönheit
der classischen Formen. Auch die Schärfe und Sauberkeit der technischen Arbeit
in dem edlen Material ist durchaus anerkenncnswerth. Und so hat das Gebäude
bei allen Mängeln eine gewisse edle Größe und Gediegenheit der Erscheinung.

Dagegen sind dann wieder die plastische Ausstattung des Aeußeren
sowie der polychrome Schmuck des Inneren ganz unglücklich ausgefallen.
Jene, zum Theil nach Entwürfen Schwanthalers von seinen „Erben" ausgeführt,
läßt sich kaum als mittelmäßig bezeichnen. Sind schon die Gestalten des Meisters,
dessen Talent, näher besehen, nur in einer beweglichen, unermüdlichen Phantasie
bestand und daher zu einer gründlichen Formenkenntniß nicht durchdrang, in
der Bewegung lahm, im Ausdruck unentschieden, in den Verhältnissen schwankend
und somit in der ganzen plastischen Erscheinung unsicher, von einem die Wirkung
der Komposition abschwächenden Ungefähr: so sind hier gar die Figuren, von
den handwerksmäßigen Händen der „Erben" ausgeführt, leblos und schemen-
haft, in der Form gebrochen und schwerfällig. Doch auf die neueste Münchener
Plastik werden wir später noch die Rede bringen und berühren sie daher nicht
näher, wie auch den Compositionen selber der lebendige Zug fehlt und die
harmonische Anordnung in den architektonischen Rahmen. Diese Verunstaltung
des Baus durch die bildnerische „Zierde" fällt natürlich nicht dem Architekten
zur Last. Wohl aber die geradezu unschöne Polychromie des Inneren. Davon
zunächst abgesehen, daß sich die farbige Ausschmückung allzu sparsam auf die
Kapitäle, Einfassung der Oeffnungen und die Bedeckung beschränkt: so ist die
Behandlung auch an sich mager, das farbige Ornament, das doch den Aus¬
druck der Dienstleistung des Gliedes steigern soll, oft an unrichtiger Stelle an¬
gebracht, daher bedeutungslos oder widersinnig, die Zeichnung klein und arm¬
selig, die Zusammenstellung endlich der hellen, trockenen, marklosen Farben —
meistens in dem mißtönenden Wechsel von Gelb, Braun, Hellgrün und Hellblau


Grenzboten II. 186S. Is
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[0123] läßt: in den alten Propyläen haben die ionischen Kapitäle in derselben Flucht mit den von ihnen getragenen Architraven gelegen, und datier ihre Vorder¬ ansicht nicht parallel, sondern im rechten Winkel mit der dorischen Front: eine Anordnung, die zudem dem Gebäude den Reiz der Mannigfaltigkeit, des leben¬ digen Gegensatzes gab. Hat sich somit Klenze in der Anordnung seines Lauch mehr als einen Verstoß gegen das griechische Vorbild zu Schulden kommen lassen: so zeigen dagegen die Behandlung und die Durchbildung der Detailformen, wie die Verhältnisse von einem richtigen Verständniß der classischen Baukunst. In dieser Hinsicht ist das Gebäude immerhin ein höchst achtungswerthes Erzeugnis; archi¬ tektonischer Kunst und weitaus das Beste, was die Architektur seit Jahren in München geleistet hat. In der Behandlung des Einzelnen, sowie in der Aus¬ führung ist keineswegs ein blos nachahmendes Geschick, vielmehr eine feine Empfindung für die bewegte, der blos messenden Hand unfaßbare Schönheit der classischen Formen. Auch die Schärfe und Sauberkeit der technischen Arbeit in dem edlen Material ist durchaus anerkenncnswerth. Und so hat das Gebäude bei allen Mängeln eine gewisse edle Größe und Gediegenheit der Erscheinung. Dagegen sind dann wieder die plastische Ausstattung des Aeußeren sowie der polychrome Schmuck des Inneren ganz unglücklich ausgefallen. Jene, zum Theil nach Entwürfen Schwanthalers von seinen „Erben" ausgeführt, läßt sich kaum als mittelmäßig bezeichnen. Sind schon die Gestalten des Meisters, dessen Talent, näher besehen, nur in einer beweglichen, unermüdlichen Phantasie bestand und daher zu einer gründlichen Formenkenntniß nicht durchdrang, in der Bewegung lahm, im Ausdruck unentschieden, in den Verhältnissen schwankend und somit in der ganzen plastischen Erscheinung unsicher, von einem die Wirkung der Komposition abschwächenden Ungefähr: so sind hier gar die Figuren, von den handwerksmäßigen Händen der „Erben" ausgeführt, leblos und schemen- haft, in der Form gebrochen und schwerfällig. Doch auf die neueste Münchener Plastik werden wir später noch die Rede bringen und berühren sie daher nicht näher, wie auch den Compositionen selber der lebendige Zug fehlt und die harmonische Anordnung in den architektonischen Rahmen. Diese Verunstaltung des Baus durch die bildnerische „Zierde" fällt natürlich nicht dem Architekten zur Last. Wohl aber die geradezu unschöne Polychromie des Inneren. Davon zunächst abgesehen, daß sich die farbige Ausschmückung allzu sparsam auf die Kapitäle, Einfassung der Oeffnungen und die Bedeckung beschränkt: so ist die Behandlung auch an sich mager, das farbige Ornament, das doch den Aus¬ druck der Dienstleistung des Gliedes steigern soll, oft an unrichtiger Stelle an¬ gebracht, daher bedeutungslos oder widersinnig, die Zeichnung klein und arm¬ selig, die Zusammenstellung endlich der hellen, trockenen, marklosen Farben — meistens in dem mißtönenden Wechsel von Gelb, Braun, Hellgrün und Hellblau Grenzboten II. 186S. Is

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/123>, abgerufen am 26.06.2024.