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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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an. daß bei Hochwasser die Elbe durchschnittlich nur dritthalb Fuß über dem
Niveau des Durchstichs steht, daß eine große Schleuße 380 Fuß lang und
64 Fuß breit, eine kleine halb so lang und dre.it ist, und daß unter jenen
10,000 Schiffen 1000 durch die große und 9000 durch die kleine gehen, so
gelangen fast 200 Millionen Kubikfuß Wasser aus der Elbe und mit diesen
60.000 Kubikfuß Schlamm in die Schleuße und die erste Strecke des Durch¬
stichs, eine Verschickung, welche die Schifffahrt stören und durch Baggerarbeiten
weggeschafft werden muß, welche letzteren nicht unerhebliche Steigerung der
Unterhaltungskosten verursachen werden.

Wir kommen zu demProject derKieler, welches wir in einem zweiten
Abschnitt ausführlich schildern wollen, und von dem wir hier nur voraussenden,
daß die Linie desselben in ziemlich gerader Richtung vom linker Hafen über den
Wcstensee und Bockelholm nach dem brunsbüttlcr Koog läuft, und daß der
Kanal kein Durchstich sein, sondern über dem Niveau der Ostsee und der Elbe
liegen soll.

Die Vorzüge dieser Linie vor der vorigen sind unerkennbar. Zunächst ist
die kieler Bucht der eckernförder in nautischer Hinsicht durchweg vorzuziehen.
Ferner ist der kieler Hafen durch Fortificationen vollkommen zu schließen und
von so günstiger Beschaffenheit, daß er die Anlage eines Marine- und Handels¬
hafens überflüssig macht. Endlich ist die Lage der ganzen Kanallinie strategisch
richtiger als die der soeben beurtheilten.

Der kieler Busen ist in nautischer Beziehung unzweifelhaft weit besser als
der eckernförder. Schon der Außenhafen zwischen Bülkhuk. Bvttsand und
Friedrichsort bietet eine gute Rhede dar, welche bei den stärksten Winden, den
östlichen und westlichen, Schutz gewährt. Der eigentliche Hafen, fünfmal so
geräumig wie das windebyer Noer,*) und deshalb bequem sowohl als Rhede
wie als Hafen zu benutzen, hat einen Ankergrund, der, aus Lehmschlick bestehend,
auch bei den heftigsten Stürmen vollkommen sicher ist, wie man erst noch am
24. August vorigen Jahres sah, wo ein Nordoststurm von einer bis dahin kaum
beobachteten Stärke in den Hafen eindrang, aber nicht einmal ein Lichterfahr¬
zeug ins Treiben gerieth. Die ausgezeichnete Reinheit und Tiefe des Hafens
von Kiel erlaubt sodann das Aus- und Einkreuzen der Schiffe ganz ohne Ge¬
fahr; auch können dieselben unmittelbar an den Bollwerken löschen und laden,
ohne daß es dazu künstlicher Bauten bedürfte. Die Landmarken und Feuer¬
zeichen für Ein- und Aussegeln sind so gut, als man sie nur irgend wünschen
kann, und die Natur des Meeresgrundes gestattet bei Nebel stets das Einkochen.



') Er bietet über drei Millionen Quadratklaftern Raum zu Ankerplätzen für die größten
Fahrzeuge und könnte infolge dessen zu gleicher Zeit mehr als ein halbes Tausend Linien¬
schiffe aufnehmen.

an. daß bei Hochwasser die Elbe durchschnittlich nur dritthalb Fuß über dem
Niveau des Durchstichs steht, daß eine große Schleuße 380 Fuß lang und
64 Fuß breit, eine kleine halb so lang und dre.it ist, und daß unter jenen
10,000 Schiffen 1000 durch die große und 9000 durch die kleine gehen, so
gelangen fast 200 Millionen Kubikfuß Wasser aus der Elbe und mit diesen
60.000 Kubikfuß Schlamm in die Schleuße und die erste Strecke des Durch¬
stichs, eine Verschickung, welche die Schifffahrt stören und durch Baggerarbeiten
weggeschafft werden muß, welche letzteren nicht unerhebliche Steigerung der
Unterhaltungskosten verursachen werden.

Wir kommen zu demProject derKieler, welches wir in einem zweiten
Abschnitt ausführlich schildern wollen, und von dem wir hier nur voraussenden,
daß die Linie desselben in ziemlich gerader Richtung vom linker Hafen über den
Wcstensee und Bockelholm nach dem brunsbüttlcr Koog läuft, und daß der
Kanal kein Durchstich sein, sondern über dem Niveau der Ostsee und der Elbe
liegen soll.

Die Vorzüge dieser Linie vor der vorigen sind unerkennbar. Zunächst ist
die kieler Bucht der eckernförder in nautischer Hinsicht durchweg vorzuziehen.
Ferner ist der kieler Hafen durch Fortificationen vollkommen zu schließen und
von so günstiger Beschaffenheit, daß er die Anlage eines Marine- und Handels¬
hafens überflüssig macht. Endlich ist die Lage der ganzen Kanallinie strategisch
richtiger als die der soeben beurtheilten.

Der kieler Busen ist in nautischer Beziehung unzweifelhaft weit besser als
der eckernförder. Schon der Außenhafen zwischen Bülkhuk. Bvttsand und
Friedrichsort bietet eine gute Rhede dar, welche bei den stärksten Winden, den
östlichen und westlichen, Schutz gewährt. Der eigentliche Hafen, fünfmal so
geräumig wie das windebyer Noer,*) und deshalb bequem sowohl als Rhede
wie als Hafen zu benutzen, hat einen Ankergrund, der, aus Lehmschlick bestehend,
auch bei den heftigsten Stürmen vollkommen sicher ist, wie man erst noch am
24. August vorigen Jahres sah, wo ein Nordoststurm von einer bis dahin kaum
beobachteten Stärke in den Hafen eindrang, aber nicht einmal ein Lichterfahr¬
zeug ins Treiben gerieth. Die ausgezeichnete Reinheit und Tiefe des Hafens
von Kiel erlaubt sodann das Aus- und Einkreuzen der Schiffe ganz ohne Ge¬
fahr; auch können dieselben unmittelbar an den Bollwerken löschen und laden,
ohne daß es dazu künstlicher Bauten bedürfte. Die Landmarken und Feuer¬
zeichen für Ein- und Aussegeln sind so gut, als man sie nur irgend wünschen
kann, und die Natur des Meeresgrundes gestattet bei Nebel stets das Einkochen.



') Er bietet über drei Millionen Quadratklaftern Raum zu Ankerplätzen für die größten
Fahrzeuge und könnte infolge dessen zu gleicher Zeit mehr als ein halbes Tausend Linien¬
schiffe aufnehmen.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/106>, abgerufen am 26.06.2024.