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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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verständlich wird daher, wenn die Frequenz berechnet werden soll, die ein Kanal
mit mehr als zwei Schleußen befriedigen kann, darnach gefragt, wie viel Zeit
das Durchschleußen bei einer Schleuße kostet, aber nicht, wie viele Male am
Tage das Schiff dieselbe Operation wiederholen muß."

Der Nachtheil der größeren Schleußenzahl besteht folglich allein darin, daß
die Operation des Durchschleußens so viele Male mehr zu vollziehen ist, als der
betreffende Kanal mehr Schleußen hat als der Durchstich mit blos zwei Schleußen.
Das kieler Project hat. um das gleich vorwegzunehmen. 2 End- und 4 Zwischen-
schleußen, und dies giebt gegen das lentzesche. da zum Passiren einer Schleuße
nicht, wie Lentze behaupten soll, 90, sondern nur circa 20--23 Minuten er¬
forderlich sind, einen Zeitverlust höchstens von 100 Minuten -- ein Nachtheil,
der augenscheinlich ein so geringfügiger ist, daß der ihm entsprechende Vortheil
nur der Vollständigkeit halber vorher unter den Vorzügen des sogenannten
Durchstichs mit aufgeführt wurde.

Der einzige wirkliche Vorzug des lentzeschen Durchstichs ist. daß er die
Anstalten zur Speisung des Kanals mit Wasser überflüssig macht. Dazu aber
bedarf es enormer Summen, die weit größer sind als das auf den Betrieb eines
Schleußenkanals zu verwendende Kapital. Wie oben angedeutet, wurde der
eigentliche Kanalbau auf der eckernförder Linie, für den Fall, daß derselbe als
Schleußenkanal ausgeführt würde, auf circa 12 Millionen Thaler veranschlagt.
Jetzt, wo man an einen Durchstich denkt, heißt es, die muthmaßlichen Aus¬
gaben würden sich auf ungefähr 34 Millionen Thaler belaufen. Also 22 Mil¬
lionen Thaler mehr zu dem einzig reellen Zweck, die Wasserversorgung des
Kanals zu sparen.*)

Zu diesem alles Maß übersteigenden Kapitalaufwande kommt aber noch
hinzu, daß der Durchstich eine Anzahl Uebelstände mit sich bringen würde,
welche die Unterhaltungskosten des Werkes vermehren und die Schifffahrt hindern
müssen, und von denen wir nur auf folgenden aufmerksam machen wollen.

Das Elbwasser enthält bekanntlich eine Masse erdiger Theile suspendirt,
von deren Ablagerung die Marschbildungen an der Westküste Holsteins abhängen,
und die sich zu den flüssigen wie 1 zu 4000 verhalten. Befindet sich die Elbe
über ihrem mittleren Stande, was 12 von den 24 Stunden jedes Tages der
Fall ist. so muß das Elbwasser beim Durchschleußen in die dortige Endschleuße
gelassen werden. Passiren also 20.000 Schiffe jährlich den Durchstich und
kommen davon die Hälfte bei Hochwasser in die Elbe oder aus derselben, so
tritt das zum Füllen der Schleußenkammer für 10,000 Schiffe erforderliche
Elbwasser erst in die Schleußenkammer und darauf in den Kanal. Nimmt man



*) Nach der inzwischen erschienenen, uns nur auszugsweise vorliegenden Denkschrift
Lentzes würden die Baukosten seines Kanals nur 28,192,000, die jährlichen Unterhaltungs¬
und Betriebskosten 200,000 Thaler betragen. D. Red,

verständlich wird daher, wenn die Frequenz berechnet werden soll, die ein Kanal
mit mehr als zwei Schleußen befriedigen kann, darnach gefragt, wie viel Zeit
das Durchschleußen bei einer Schleuße kostet, aber nicht, wie viele Male am
Tage das Schiff dieselbe Operation wiederholen muß.«

Der Nachtheil der größeren Schleußenzahl besteht folglich allein darin, daß
die Operation des Durchschleußens so viele Male mehr zu vollziehen ist, als der
betreffende Kanal mehr Schleußen hat als der Durchstich mit blos zwei Schleußen.
Das kieler Project hat. um das gleich vorwegzunehmen. 2 End- und 4 Zwischen-
schleußen, und dies giebt gegen das lentzesche. da zum Passiren einer Schleuße
nicht, wie Lentze behaupten soll, 90, sondern nur circa 20—23 Minuten er¬
forderlich sind, einen Zeitverlust höchstens von 100 Minuten — ein Nachtheil,
der augenscheinlich ein so geringfügiger ist, daß der ihm entsprechende Vortheil
nur der Vollständigkeit halber vorher unter den Vorzügen des sogenannten
Durchstichs mit aufgeführt wurde.

Der einzige wirkliche Vorzug des lentzeschen Durchstichs ist. daß er die
Anstalten zur Speisung des Kanals mit Wasser überflüssig macht. Dazu aber
bedarf es enormer Summen, die weit größer sind als das auf den Betrieb eines
Schleußenkanals zu verwendende Kapital. Wie oben angedeutet, wurde der
eigentliche Kanalbau auf der eckernförder Linie, für den Fall, daß derselbe als
Schleußenkanal ausgeführt würde, auf circa 12 Millionen Thaler veranschlagt.
Jetzt, wo man an einen Durchstich denkt, heißt es, die muthmaßlichen Aus¬
gaben würden sich auf ungefähr 34 Millionen Thaler belaufen. Also 22 Mil¬
lionen Thaler mehr zu dem einzig reellen Zweck, die Wasserversorgung des
Kanals zu sparen.*)

Zu diesem alles Maß übersteigenden Kapitalaufwande kommt aber noch
hinzu, daß der Durchstich eine Anzahl Uebelstände mit sich bringen würde,
welche die Unterhaltungskosten des Werkes vermehren und die Schifffahrt hindern
müssen, und von denen wir nur auf folgenden aufmerksam machen wollen.

Das Elbwasser enthält bekanntlich eine Masse erdiger Theile suspendirt,
von deren Ablagerung die Marschbildungen an der Westküste Holsteins abhängen,
und die sich zu den flüssigen wie 1 zu 4000 verhalten. Befindet sich die Elbe
über ihrem mittleren Stande, was 12 von den 24 Stunden jedes Tages der
Fall ist. so muß das Elbwasser beim Durchschleußen in die dortige Endschleuße
gelassen werden. Passiren also 20.000 Schiffe jährlich den Durchstich und
kommen davon die Hälfte bei Hochwasser in die Elbe oder aus derselben, so
tritt das zum Füllen der Schleußenkammer für 10,000 Schiffe erforderliche
Elbwasser erst in die Schleußenkammer und darauf in den Kanal. Nimmt man



*) Nach der inzwischen erschienenen, uns nur auszugsweise vorliegenden Denkschrift
Lentzes würden die Baukosten seines Kanals nur 28,192,000, die jährlichen Unterhaltungs¬
und Betriebskosten 200,000 Thaler betragen. D. Red,
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[0105] verständlich wird daher, wenn die Frequenz berechnet werden soll, die ein Kanal mit mehr als zwei Schleußen befriedigen kann, darnach gefragt, wie viel Zeit das Durchschleußen bei einer Schleuße kostet, aber nicht, wie viele Male am Tage das Schiff dieselbe Operation wiederholen muß.« Der Nachtheil der größeren Schleußenzahl besteht folglich allein darin, daß die Operation des Durchschleußens so viele Male mehr zu vollziehen ist, als der betreffende Kanal mehr Schleußen hat als der Durchstich mit blos zwei Schleußen. Das kieler Project hat. um das gleich vorwegzunehmen. 2 End- und 4 Zwischen- schleußen, und dies giebt gegen das lentzesche. da zum Passiren einer Schleuße nicht, wie Lentze behaupten soll, 90, sondern nur circa 20—23 Minuten er¬ forderlich sind, einen Zeitverlust höchstens von 100 Minuten — ein Nachtheil, der augenscheinlich ein so geringfügiger ist, daß der ihm entsprechende Vortheil nur der Vollständigkeit halber vorher unter den Vorzügen des sogenannten Durchstichs mit aufgeführt wurde. Der einzige wirkliche Vorzug des lentzeschen Durchstichs ist. daß er die Anstalten zur Speisung des Kanals mit Wasser überflüssig macht. Dazu aber bedarf es enormer Summen, die weit größer sind als das auf den Betrieb eines Schleußenkanals zu verwendende Kapital. Wie oben angedeutet, wurde der eigentliche Kanalbau auf der eckernförder Linie, für den Fall, daß derselbe als Schleußenkanal ausgeführt würde, auf circa 12 Millionen Thaler veranschlagt. Jetzt, wo man an einen Durchstich denkt, heißt es, die muthmaßlichen Aus¬ gaben würden sich auf ungefähr 34 Millionen Thaler belaufen. Also 22 Mil¬ lionen Thaler mehr zu dem einzig reellen Zweck, die Wasserversorgung des Kanals zu sparen.*) Zu diesem alles Maß übersteigenden Kapitalaufwande kommt aber noch hinzu, daß der Durchstich eine Anzahl Uebelstände mit sich bringen würde, welche die Unterhaltungskosten des Werkes vermehren und die Schifffahrt hindern müssen, und von denen wir nur auf folgenden aufmerksam machen wollen. Das Elbwasser enthält bekanntlich eine Masse erdiger Theile suspendirt, von deren Ablagerung die Marschbildungen an der Westküste Holsteins abhängen, und die sich zu den flüssigen wie 1 zu 4000 verhalten. Befindet sich die Elbe über ihrem mittleren Stande, was 12 von den 24 Stunden jedes Tages der Fall ist. so muß das Elbwasser beim Durchschleußen in die dortige Endschleuße gelassen werden. Passiren also 20.000 Schiffe jährlich den Durchstich und kommen davon die Hälfte bei Hochwasser in die Elbe oder aus derselben, so tritt das zum Füllen der Schleußenkammer für 10,000 Schiffe erforderliche Elbwasser erst in die Schleußenkammer und darauf in den Kanal. Nimmt man *) Nach der inzwischen erschienenen, uns nur auszugsweise vorliegenden Denkschrift Lentzes würden die Baukosten seines Kanals nur 28,192,000, die jährlichen Unterhaltungs¬ und Betriebskosten 200,000 Thaler betragen. D. Red,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/105>, abgerufen am 26.06.2024.