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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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nördlich bis 20 Fuß über den mittleren Wasserstand angeschwellt worden.
Sturmfluthen aber von 8 bis 10 Fuß über ordinärer Fluth kommen sehr oft
vor, weil die sie bewirkenden Wirbelstürme, bei denen der Wind von Südwest
nach Nordwest umspringt, regelmäßig jedes Jahr längere Zeit hindurch eintreten.

Auf der Ostseite sind die Schwankungen des Wassers nicht so bedeutend,
weil die Ostsee keine Fluth und Ebbe hat. Dafür kommen aber hier zu un¬
bestimmten Zeiten Hebungen und Senkungen des Wasserspiegels vor. indem
bald westliche Winde das Wasser nach Osten zurückdrängen , bald östliche Winde
Anschwellungen des Meeres an den dortigen Küsten veranlassen. Diese Wechsel
fallen oft sehr plötzlich und schnell aus einander folgend ein, wenn der Wind
um Norden schwankt. Die Differenzen des Wasserstandes, welche hierbei be¬
obachtet wurden, sind verschieden: 3 Fuß Steigen oder Sinken ist sehr gewöhn¬
lich, nicht selten aber treten 4 bis 5 Fuß betragende Differenzen, bisweilen
sogar solche von 7 bis 8 Fuß ein. In der zweiten Hälfte des Jahres 1864
z. B. erlebte man wiederholt ein derartiges ungewöhnlich starkes und plötzliches
Anschwellen des Wassers. Am 24. August lief in der kieler Bucht das Wasser
in vierundzwanzig Stunden bis zu 70 Zoll über Mittel aus, hielt sich dann
nahezu vierundzwanzig Stunden auf dieser Höhe und sank darauf in etwa
ebensoviel Zeit bis zum Mittel. Am 6. November wiederholte sich diese Er¬
scheinung, nur erfolgte das Ablaufen weit rascher. Welche Strömungen in
diesen beiden Fällen in einem nach der Ostseite offenen Kanal entstanden sein
würden, läßt sich völlig genau nicht angeben, da die von den Richtungen und
Profilen desselben abhängigen Bewegungshindernisse unbekannt sind. Die vier¬
undzwanzig Stunden lang in derselben Weise wirkende Anschwellung des Wassers
am 24. August konnte unter günstigen Verhältnissen eine sich bis 18 Fuß
steigernde Stromschnelle in dem Kanäle des Herrn v. Puttkammer hervorrufen
oder würde bei Hemmung der Geschwindigkeit durch Bewegungshindernisse in¬
folge der Stauung um so furchtbarer geworden sein. Noch gewaltsamer wären
die Wirkungen am 6. November gewesen.

Vergegenwärtigt man 'sich den Einfluß dieser Verhältnisse auf einen an
beiden Enden offenen Verbindungskanal oder Durchstich und bedenkt man ferner,
daß ein Stromgefälle von 2'/s Fuß pro Meile, wie es die Elbe bei Boitzen-
burg hat, die Böschungen der concaven Uferstrecken nicht mehr zu halten ge¬
stattet, so möchte einleuchten, daß an die Erhaltung eines derartigen Kanals,
auch wenn ihn, was nebenbei zu bedenken, die Fluth des Wattgebietes im
Westen nicht verschlickcn müßte, nicht zu glauben ist. Schon die gewöhnlichen
Fluthen würden alle sechs Stunden umsetzende, bald ein- bald auslaufende
Strömungen von ziemlicher Geschwindigkeit hervorrufen, welche die Kanal¬
schifffahrt besonders an den Mündungen des Durchstichs schwer belästigen müßten.
Spnngfluthen würden in denselben mit noch größerer Gewalt eindringen, und


nördlich bis 20 Fuß über den mittleren Wasserstand angeschwellt worden.
Sturmfluthen aber von 8 bis 10 Fuß über ordinärer Fluth kommen sehr oft
vor, weil die sie bewirkenden Wirbelstürme, bei denen der Wind von Südwest
nach Nordwest umspringt, regelmäßig jedes Jahr längere Zeit hindurch eintreten.

Auf der Ostseite sind die Schwankungen des Wassers nicht so bedeutend,
weil die Ostsee keine Fluth und Ebbe hat. Dafür kommen aber hier zu un¬
bestimmten Zeiten Hebungen und Senkungen des Wasserspiegels vor. indem
bald westliche Winde das Wasser nach Osten zurückdrängen , bald östliche Winde
Anschwellungen des Meeres an den dortigen Küsten veranlassen. Diese Wechsel
fallen oft sehr plötzlich und schnell aus einander folgend ein, wenn der Wind
um Norden schwankt. Die Differenzen des Wasserstandes, welche hierbei be¬
obachtet wurden, sind verschieden: 3 Fuß Steigen oder Sinken ist sehr gewöhn¬
lich, nicht selten aber treten 4 bis 5 Fuß betragende Differenzen, bisweilen
sogar solche von 7 bis 8 Fuß ein. In der zweiten Hälfte des Jahres 1864
z. B. erlebte man wiederholt ein derartiges ungewöhnlich starkes und plötzliches
Anschwellen des Wassers. Am 24. August lief in der kieler Bucht das Wasser
in vierundzwanzig Stunden bis zu 70 Zoll über Mittel aus, hielt sich dann
nahezu vierundzwanzig Stunden auf dieser Höhe und sank darauf in etwa
ebensoviel Zeit bis zum Mittel. Am 6. November wiederholte sich diese Er¬
scheinung, nur erfolgte das Ablaufen weit rascher. Welche Strömungen in
diesen beiden Fällen in einem nach der Ostseite offenen Kanal entstanden sein
würden, läßt sich völlig genau nicht angeben, da die von den Richtungen und
Profilen desselben abhängigen Bewegungshindernisse unbekannt sind. Die vier¬
undzwanzig Stunden lang in derselben Weise wirkende Anschwellung des Wassers
am 24. August konnte unter günstigen Verhältnissen eine sich bis 18 Fuß
steigernde Stromschnelle in dem Kanäle des Herrn v. Puttkammer hervorrufen
oder würde bei Hemmung der Geschwindigkeit durch Bewegungshindernisse in¬
folge der Stauung um so furchtbarer geworden sein. Noch gewaltsamer wären
die Wirkungen am 6. November gewesen.

Vergegenwärtigt man 'sich den Einfluß dieser Verhältnisse auf einen an
beiden Enden offenen Verbindungskanal oder Durchstich und bedenkt man ferner,
daß ein Stromgefälle von 2'/s Fuß pro Meile, wie es die Elbe bei Boitzen-
burg hat, die Böschungen der concaven Uferstrecken nicht mehr zu halten ge¬
stattet, so möchte einleuchten, daß an die Erhaltung eines derartigen Kanals,
auch wenn ihn, was nebenbei zu bedenken, die Fluth des Wattgebietes im
Westen nicht verschlickcn müßte, nicht zu glauben ist. Schon die gewöhnlichen
Fluthen würden alle sechs Stunden umsetzende, bald ein- bald auslaufende
Strömungen von ziemlicher Geschwindigkeit hervorrufen, welche die Kanal¬
schifffahrt besonders an den Mündungen des Durchstichs schwer belästigen müßten.
Spnngfluthen würden in denselben mit noch größerer Gewalt eindringen, und


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[0100] nördlich bis 20 Fuß über den mittleren Wasserstand angeschwellt worden. Sturmfluthen aber von 8 bis 10 Fuß über ordinärer Fluth kommen sehr oft vor, weil die sie bewirkenden Wirbelstürme, bei denen der Wind von Südwest nach Nordwest umspringt, regelmäßig jedes Jahr längere Zeit hindurch eintreten. Auf der Ostseite sind die Schwankungen des Wassers nicht so bedeutend, weil die Ostsee keine Fluth und Ebbe hat. Dafür kommen aber hier zu un¬ bestimmten Zeiten Hebungen und Senkungen des Wasserspiegels vor. indem bald westliche Winde das Wasser nach Osten zurückdrängen , bald östliche Winde Anschwellungen des Meeres an den dortigen Küsten veranlassen. Diese Wechsel fallen oft sehr plötzlich und schnell aus einander folgend ein, wenn der Wind um Norden schwankt. Die Differenzen des Wasserstandes, welche hierbei be¬ obachtet wurden, sind verschieden: 3 Fuß Steigen oder Sinken ist sehr gewöhn¬ lich, nicht selten aber treten 4 bis 5 Fuß betragende Differenzen, bisweilen sogar solche von 7 bis 8 Fuß ein. In der zweiten Hälfte des Jahres 1864 z. B. erlebte man wiederholt ein derartiges ungewöhnlich starkes und plötzliches Anschwellen des Wassers. Am 24. August lief in der kieler Bucht das Wasser in vierundzwanzig Stunden bis zu 70 Zoll über Mittel aus, hielt sich dann nahezu vierundzwanzig Stunden auf dieser Höhe und sank darauf in etwa ebensoviel Zeit bis zum Mittel. Am 6. November wiederholte sich diese Er¬ scheinung, nur erfolgte das Ablaufen weit rascher. Welche Strömungen in diesen beiden Fällen in einem nach der Ostseite offenen Kanal entstanden sein würden, läßt sich völlig genau nicht angeben, da die von den Richtungen und Profilen desselben abhängigen Bewegungshindernisse unbekannt sind. Die vier¬ undzwanzig Stunden lang in derselben Weise wirkende Anschwellung des Wassers am 24. August konnte unter günstigen Verhältnissen eine sich bis 18 Fuß steigernde Stromschnelle in dem Kanäle des Herrn v. Puttkammer hervorrufen oder würde bei Hemmung der Geschwindigkeit durch Bewegungshindernisse in¬ folge der Stauung um so furchtbarer geworden sein. Noch gewaltsamer wären die Wirkungen am 6. November gewesen. Vergegenwärtigt man 'sich den Einfluß dieser Verhältnisse auf einen an beiden Enden offenen Verbindungskanal oder Durchstich und bedenkt man ferner, daß ein Stromgefälle von 2'/s Fuß pro Meile, wie es die Elbe bei Boitzen- burg hat, die Böschungen der concaven Uferstrecken nicht mehr zu halten ge¬ stattet, so möchte einleuchten, daß an die Erhaltung eines derartigen Kanals, auch wenn ihn, was nebenbei zu bedenken, die Fluth des Wattgebietes im Westen nicht verschlickcn müßte, nicht zu glauben ist. Schon die gewöhnlichen Fluthen würden alle sechs Stunden umsetzende, bald ein- bald auslaufende Strömungen von ziemlicher Geschwindigkeit hervorrufen, welche die Kanal¬ schifffahrt besonders an den Mündungen des Durchstichs schwer belästigen müßten. Spnngfluthen würden in denselben mit noch größerer Gewalt eindringen, und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/100>, abgerufen am 26.06.2024.