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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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Fürsten, d. h. als" die Vernichtung des Königreiches Italien. Es bedarf aber
nicht des Beweises, daß ein solcher Restaurationsvcrsuch durchaus unausführbar
sein würde, selbst für den Fall unausführbar, das, Italien ohne Bundesgenossen
Oestreich gegenüberstehn sollte. Nun würde aber Italien aller Wahrscheinlich¬
keit nach nicht allein stehen. Es würde vielmehr, wenn nicht früher, doch sobald
Oestreich Miene machte, das Restaurativnswerk z" beginne", mit Sicherheit auf
den Beistand Frankreichs rechnen können. Denn wenn Frankreich auch Prin¬
cipiell ohne Zweifel einem lockeren italienische" Staatenbunde vor einem kräf¬
tigen Einheitsstaate den Vorzug geben würde, so kann es doch nicht Oestreich
gestatten, einen Bau zu zertrümmern, der größtenteils der französischen Hilfe
seine Entstehung verdankt, mag der Bau auch solider auszufalle" versprechen,
als es dem Architekten an der Seine selbst erwünscht ist.

Somit sind die Chancen eines italienischen Krieges für Oestreich unter
allen Umständen höchst bedenklich. Nun giebt es aber in Oestreich eine wenig¬
stens numerisch sehr starke Partei, die Venetien festhalten und dabei doch mit
Italien in Frieden bleiben will. Die Erfüllung dieses doppelten Wunsches
hoffte man von Frankreichs gutem Willen. Der Kaiser Napoleon soll die Ver¬
mittlerrolle zwischen beiden Staaten übernehmen, wobei man von der an sich
ganz richtigen Ansicht ausgeht, daß Italien gegen den entschieden ausgesprochenen
Willen Napoleons schwerlich wagen wird, einen Krieg gegen Oestreich zu unter¬
nehmen. Worauf aber gründet sich die Hoffnung, daß der Kaiser der Fran¬
zosen Italiens Angriffsgelüsten auf die Dauer entgegentreten wird? Glaubt
man denn, daß Napoleon ein definitives Abkommen zwischen Italien und Oest¬
reich auf einer anderen Grundlage als auf der einer Abtretung Venetiens für
möglich hält? So lange Napoleon des Friedens für Frankreich bedarf, so lange
wird er natürlich auch Italien nicht zum Schauplatz eines Krieges gemacht zu
sehen wünschen, bei dem er schwerlich die Rolle eines müßigen Zuschauers
würde spielen können, da er weder eine Wiederherstellung der östreichischen
Macht in Italien dulden kann, noch ein Sieg der Italiener ohne französischen
Beistand, der gleichbedeutend wäre mit einer Emancipation Italiens von Frank¬
reich, seinem Interesse entsprechen würde. Es ist in der That möglich, ja wohl
wahrscheinlich, daß der Kaiser für das nächste Jahr, vielleicht für die nächsten
Jahre, keinen Krieg wünscht. Aber es wäre ein Irrthum, zu glauben, daß
die gegenwärtige Friedenspolitik Frankreichs Venetien zu einem auf die Dauer
haltbaren Besitz für Oestreich machen würde. Mehr als eine kurze Frist, die
weder zu einer Penninderung des Heeresbestandes, noch zu einem ernstlichen
Versuch, die Finanzen zu verbessern, hinreichen würde, vermag Napoleon selbst
beim besten Willen (den vorauszusetzen übrigens durchaus kein Grund vorliegt)
Oestreich gar nicht zu bieten. Eine systematische Allianz zwischen Oestreich und
Frankreich zur Unterdrückung der übergreifenden Begehrlichkeit Italiens ist auf


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Fürsten, d. h. als» die Vernichtung des Königreiches Italien. Es bedarf aber
nicht des Beweises, daß ein solcher Restaurationsvcrsuch durchaus unausführbar
sein würde, selbst für den Fall unausführbar, das, Italien ohne Bundesgenossen
Oestreich gegenüberstehn sollte. Nun würde aber Italien aller Wahrscheinlich¬
keit nach nicht allein stehen. Es würde vielmehr, wenn nicht früher, doch sobald
Oestreich Miene machte, das Restaurativnswerk z» beginne», mit Sicherheit auf
den Beistand Frankreichs rechnen können. Denn wenn Frankreich auch Prin¬
cipiell ohne Zweifel einem lockeren italienische» Staatenbunde vor einem kräf¬
tigen Einheitsstaate den Vorzug geben würde, so kann es doch nicht Oestreich
gestatten, einen Bau zu zertrümmern, der größtenteils der französischen Hilfe
seine Entstehung verdankt, mag der Bau auch solider auszufalle» versprechen,
als es dem Architekten an der Seine selbst erwünscht ist.

Somit sind die Chancen eines italienischen Krieges für Oestreich unter
allen Umständen höchst bedenklich. Nun giebt es aber in Oestreich eine wenig¬
stens numerisch sehr starke Partei, die Venetien festhalten und dabei doch mit
Italien in Frieden bleiben will. Die Erfüllung dieses doppelten Wunsches
hoffte man von Frankreichs gutem Willen. Der Kaiser Napoleon soll die Ver¬
mittlerrolle zwischen beiden Staaten übernehmen, wobei man von der an sich
ganz richtigen Ansicht ausgeht, daß Italien gegen den entschieden ausgesprochenen
Willen Napoleons schwerlich wagen wird, einen Krieg gegen Oestreich zu unter¬
nehmen. Worauf aber gründet sich die Hoffnung, daß der Kaiser der Fran¬
zosen Italiens Angriffsgelüsten auf die Dauer entgegentreten wird? Glaubt
man denn, daß Napoleon ein definitives Abkommen zwischen Italien und Oest¬
reich auf einer anderen Grundlage als auf der einer Abtretung Venetiens für
möglich hält? So lange Napoleon des Friedens für Frankreich bedarf, so lange
wird er natürlich auch Italien nicht zum Schauplatz eines Krieges gemacht zu
sehen wünschen, bei dem er schwerlich die Rolle eines müßigen Zuschauers
würde spielen können, da er weder eine Wiederherstellung der östreichischen
Macht in Italien dulden kann, noch ein Sieg der Italiener ohne französischen
Beistand, der gleichbedeutend wäre mit einer Emancipation Italiens von Frank¬
reich, seinem Interesse entsprechen würde. Es ist in der That möglich, ja wohl
wahrscheinlich, daß der Kaiser für das nächste Jahr, vielleicht für die nächsten
Jahre, keinen Krieg wünscht. Aber es wäre ein Irrthum, zu glauben, daß
die gegenwärtige Friedenspolitik Frankreichs Venetien zu einem auf die Dauer
haltbaren Besitz für Oestreich machen würde. Mehr als eine kurze Frist, die
weder zu einer Penninderung des Heeresbestandes, noch zu einem ernstlichen
Versuch, die Finanzen zu verbessern, hinreichen würde, vermag Napoleon selbst
beim besten Willen (den vorauszusetzen übrigens durchaus kein Grund vorliegt)
Oestreich gar nicht zu bieten. Eine systematische Allianz zwischen Oestreich und
Frankreich zur Unterdrückung der übergreifenden Begehrlichkeit Italiens ist auf


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/83>, abgerufen am 23.07.2024.