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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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Frage nicht mit Zuversicht bejahen zu tonnen. Denn so lange noch "in Theil
des italienischen Gebietes nicht blos dem nationalen Leben entfremdet, sondern
auch in den Händen einer fremden und feindlich gesinnten Macht ist. kann der
junge Staat sich des bereits erworbenen Besitzes nicht mit Sicherheit erfreuen.
Venetien in den Händen Oestreichs muß den Italienern als eine beständige Be¬
drohung ihrer Unabhängigkeit erscheinen. Ein aufrichtiger Friede ist zwischen den
velde.n Staaten nicht möglich. Ihr Verhältniß zu einander ist das einer Waffenruhe
auf unbestimmte Zeit, die beiden mit jedem Tage lästiger und drückender wird. Die
italienische" Staatsmänner machen kein Hehldaraus, daß siein demZiele vollkommen
mit der Actionspartei übereinstimmen. Und daß man in Oestreich auf alles
gefaßt und zu allem entschlossen ist, geht aus der Entschiedenheit hervor, mit
der Gras Mensdorf unter scharfer Hinweisung auf das gespannte Verhältniß zu
Italien die Möglichkeit einer Entwaffnung in Abrede gestellt Kar. Und man
hat alle Ursache, auf seiner Hut zu sein und sich für jede Eventualität bereit
zu halten. Denn wenn, woran sich doch nicht zweifeln läßt, die italienische
Negierung feindliche Absichten hegt, so kann sie die Ausführung derselben nicht
besser vorbereiten, als durch Verlegung des Regierungssitzes von dem nach der
ersten entschiedenen Niederlage aufs Ernstlichste bedrohten Turin nach dem durch
die Apenninen geschützten Florenz, Wir wollen nicht behaupten, daß die Rück¬
sicht auf Verbesserung der militärischen Lage des Landes das vorwiegende Mo¬
tiv bei dem Abschluß der Convention gewesen sei; -aber die Thatsache, daß durch
die Verlegung des Regierungssitzes die Defensivstellung Italiens unberechenbar
gestärkt und damit auch die Befähigung desselben zur Offensive gesteigert wird,
steht nun einmal fest, und diese eine Thatsache ist hinreichend, um die Gefahr
eines italienisch-östreichischen Krieges nahe zu rücken und die Italiener zur
Vertagung der einer raschen Lösung widerstrebenden römischen Frage bis nach
der Befreiung Venetiens geneigt zu machen.

Die Aussicht auf einen italienischen Krieg ist aber für Oestreich nichts
weniger als erfreulich. Daß die östreichische Armee zunächst militärische Erfolge
davontragen wird, mag man als wahrscheinlich annehmen können. Was würde
aber mit einigen gewonnenen Schlachten in politischer Beziehung gewonnen
sein? Welches Ziel kann sich überhaupt Oestreich bei einem ^Kriege gegen Ita¬
lien stecken? Die Vertheidigung seines Besitzes, wird man sagen. Wird denn
aber ein glücklicher Feldzug die Venetianer in gute Oestreicher, die Italiener
in freundliche Nachbarn umwandeln? Kann Oestreich dies aber nicht erreichen,
so würde, vorausgesetzt, daß Oestreich nur an Vertheidigung denkt, die Lage
der Dinge auch durch den glücklichsten Krieg auf die Dauer nicht verändert
werden. Ein Krieg in Italien zur Aufrechterhaltung des StatusquV ist ein
Unding. Will Oestreich Krieg führen, so kann es sich kein anderes Zivl setzen,
als die Eroberung der Lombardei und die Wiedereinsetzung der vertriebenen


Frage nicht mit Zuversicht bejahen zu tonnen. Denn so lange noch «in Theil
des italienischen Gebietes nicht blos dem nationalen Leben entfremdet, sondern
auch in den Händen einer fremden und feindlich gesinnten Macht ist. kann der
junge Staat sich des bereits erworbenen Besitzes nicht mit Sicherheit erfreuen.
Venetien in den Händen Oestreichs muß den Italienern als eine beständige Be¬
drohung ihrer Unabhängigkeit erscheinen. Ein aufrichtiger Friede ist zwischen den
velde.n Staaten nicht möglich. Ihr Verhältniß zu einander ist das einer Waffenruhe
auf unbestimmte Zeit, die beiden mit jedem Tage lästiger und drückender wird. Die
italienische» Staatsmänner machen kein Hehldaraus, daß siein demZiele vollkommen
mit der Actionspartei übereinstimmen. Und daß man in Oestreich auf alles
gefaßt und zu allem entschlossen ist, geht aus der Entschiedenheit hervor, mit
der Gras Mensdorf unter scharfer Hinweisung auf das gespannte Verhältniß zu
Italien die Möglichkeit einer Entwaffnung in Abrede gestellt Kar. Und man
hat alle Ursache, auf seiner Hut zu sein und sich für jede Eventualität bereit
zu halten. Denn wenn, woran sich doch nicht zweifeln läßt, die italienische
Negierung feindliche Absichten hegt, so kann sie die Ausführung derselben nicht
besser vorbereiten, als durch Verlegung des Regierungssitzes von dem nach der
ersten entschiedenen Niederlage aufs Ernstlichste bedrohten Turin nach dem durch
die Apenninen geschützten Florenz, Wir wollen nicht behaupten, daß die Rück¬
sicht auf Verbesserung der militärischen Lage des Landes das vorwiegende Mo¬
tiv bei dem Abschluß der Convention gewesen sei; -aber die Thatsache, daß durch
die Verlegung des Regierungssitzes die Defensivstellung Italiens unberechenbar
gestärkt und damit auch die Befähigung desselben zur Offensive gesteigert wird,
steht nun einmal fest, und diese eine Thatsache ist hinreichend, um die Gefahr
eines italienisch-östreichischen Krieges nahe zu rücken und die Italiener zur
Vertagung der einer raschen Lösung widerstrebenden römischen Frage bis nach
der Befreiung Venetiens geneigt zu machen.

Die Aussicht auf einen italienischen Krieg ist aber für Oestreich nichts
weniger als erfreulich. Daß die östreichische Armee zunächst militärische Erfolge
davontragen wird, mag man als wahrscheinlich annehmen können. Was würde
aber mit einigen gewonnenen Schlachten in politischer Beziehung gewonnen
sein? Welches Ziel kann sich überhaupt Oestreich bei einem ^Kriege gegen Ita¬
lien stecken? Die Vertheidigung seines Besitzes, wird man sagen. Wird denn
aber ein glücklicher Feldzug die Venetianer in gute Oestreicher, die Italiener
in freundliche Nachbarn umwandeln? Kann Oestreich dies aber nicht erreichen,
so würde, vorausgesetzt, daß Oestreich nur an Vertheidigung denkt, die Lage
der Dinge auch durch den glücklichsten Krieg auf die Dauer nicht verändert
werden. Ein Krieg in Italien zur Aufrechterhaltung des StatusquV ist ein
Unding. Will Oestreich Krieg führen, so kann es sich kein anderes Zivl setzen,
als die Eroberung der Lombardei und die Wiedereinsetzung der vertriebenen


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[0082] Frage nicht mit Zuversicht bejahen zu tonnen. Denn so lange noch «in Theil des italienischen Gebietes nicht blos dem nationalen Leben entfremdet, sondern auch in den Händen einer fremden und feindlich gesinnten Macht ist. kann der junge Staat sich des bereits erworbenen Besitzes nicht mit Sicherheit erfreuen. Venetien in den Händen Oestreichs muß den Italienern als eine beständige Be¬ drohung ihrer Unabhängigkeit erscheinen. Ein aufrichtiger Friede ist zwischen den velde.n Staaten nicht möglich. Ihr Verhältniß zu einander ist das einer Waffenruhe auf unbestimmte Zeit, die beiden mit jedem Tage lästiger und drückender wird. Die italienische» Staatsmänner machen kein Hehldaraus, daß siein demZiele vollkommen mit der Actionspartei übereinstimmen. Und daß man in Oestreich auf alles gefaßt und zu allem entschlossen ist, geht aus der Entschiedenheit hervor, mit der Gras Mensdorf unter scharfer Hinweisung auf das gespannte Verhältniß zu Italien die Möglichkeit einer Entwaffnung in Abrede gestellt Kar. Und man hat alle Ursache, auf seiner Hut zu sein und sich für jede Eventualität bereit zu halten. Denn wenn, woran sich doch nicht zweifeln läßt, die italienische Negierung feindliche Absichten hegt, so kann sie die Ausführung derselben nicht besser vorbereiten, als durch Verlegung des Regierungssitzes von dem nach der ersten entschiedenen Niederlage aufs Ernstlichste bedrohten Turin nach dem durch die Apenninen geschützten Florenz, Wir wollen nicht behaupten, daß die Rück¬ sicht auf Verbesserung der militärischen Lage des Landes das vorwiegende Mo¬ tiv bei dem Abschluß der Convention gewesen sei; -aber die Thatsache, daß durch die Verlegung des Regierungssitzes die Defensivstellung Italiens unberechenbar gestärkt und damit auch die Befähigung desselben zur Offensive gesteigert wird, steht nun einmal fest, und diese eine Thatsache ist hinreichend, um die Gefahr eines italienisch-östreichischen Krieges nahe zu rücken und die Italiener zur Vertagung der einer raschen Lösung widerstrebenden römischen Frage bis nach der Befreiung Venetiens geneigt zu machen. Die Aussicht auf einen italienischen Krieg ist aber für Oestreich nichts weniger als erfreulich. Daß die östreichische Armee zunächst militärische Erfolge davontragen wird, mag man als wahrscheinlich annehmen können. Was würde aber mit einigen gewonnenen Schlachten in politischer Beziehung gewonnen sein? Welches Ziel kann sich überhaupt Oestreich bei einem ^Kriege gegen Ita¬ lien stecken? Die Vertheidigung seines Besitzes, wird man sagen. Wird denn aber ein glücklicher Feldzug die Venetianer in gute Oestreicher, die Italiener in freundliche Nachbarn umwandeln? Kann Oestreich dies aber nicht erreichen, so würde, vorausgesetzt, daß Oestreich nur an Vertheidigung denkt, die Lage der Dinge auch durch den glücklichsten Krieg auf die Dauer nicht verändert werden. Ein Krieg in Italien zur Aufrechterhaltung des StatusquV ist ein Unding. Will Oestreich Krieg führen, so kann es sich kein anderes Zivl setzen, als die Eroberung der Lombardei und die Wiedereinsetzung der vertriebenen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/82>, abgerufen am 23.07.2024.