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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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War eine Partie solcher Unglücklicher, namentlich auf dem Wege der Ge¬
walt, zusammengebracht, so wurden sie mehr wie das Vieh, denn als Menschen
ttactirt. Es handelte sind nur darum, sie auf die billigste und sicherste Weise
an den Ort ihrer Bestimmung zu bringen. Sie erhielten eben so viel, um
nickt zu verhungern. Zusammengebunden und von einer zahlreichen Escorte be¬
gleitet, war es ihnen fast unmöglich, den Teufelskralle" dieser Menschenjäger zu
entfliehen, gelang es aber einem, einen Fluchtversuch zu machen, so wurde er
gewöhnlich wie ein Wild zusammengeschossen. Ja, man ging so weit. Bursche,
die "'an bei der Feldarbeit überfallen wollte und die, das Unheil merkend, zu ent¬
weichen strebten, ebenfalls ohne Weiteres zusammenzuschießen, und gewöhnlich
krähte kein Hahn darnach.

Man denke aber nicht, daß nur untergeordnete Chargen und fübllose, selber
verdorbene Subjecte sich mit diesem elenden Gewerbe befaßten: sie hatten Colle-
gen in den obersten Führern, ja sogar gekrönte und gesalbte Hcinvter fanden
nicht selten ebenso viel Freude an einer derartigen Menschenjagd, wie an einer
Hirsch- oder Sauhatz?. Um etwa zur Potsdamer Riesengarde unter Friedrich
Wilhelm dem Ersten einen Mann zu erlangen, auf den das Auge gefallen war,
respectirten Fürst und Diener kein Gesetz, keine Stellung, keinen Stand. Selbst
Geld, sonst das beredteste Mittel, konnte nicht davon entbinden. Kein frem¬
des Gebiet, nicht die Heiligkeit des häuslichen Asyls wurde respectirt, keine
List, kein Betrug verschmäht. Und war der Erwischte einmal in der bunten
Zwangsjacke, so nahm er sie auch mit ins Grab. --

Wenn auch Friedrich der Zweite vieles in den barbarischen Bräuchen
milderte, so blieb doch noch manches zurück, was jetzt das menschliche Gefühl
empört. Der Mensch wurde eben, so lange die Werbung bestand, als eine
nothwendige Waare betrachtet, die man haben mußte. Negierende Herren,
Prinzen und Generale wetteiferten darin mit einander. Bon dieser Schwäche
seiner Zeit war auch der bekannte Herzog Karl Wilhelm Ferdinand von
Braunschweig, der Held vom siebenjährigen Kriege, nicht frei, der als einer der
humanster und intelligentesten Fürsten galt und in allen Schichten der Bevöl¬
kerung seine Verehrer hatte. Wir wollen hier als Beispiele ein paar Briefe
von ihm an den braunschweigiscken General v. Riedesel anführen^)

"Die beiden Werber Seitz und Rühlmann. welche Ew. Hochwohl-
geboren dieses Schreiben überreichen werden, haben mir einen 12zölligen Kerl



") Der Herzog war damals noch Erbprinz und hatte als preußischer General el" in Hal¬
be r se ad t stehendes Infanterieregiment, für das er werben ließ.

War eine Partie solcher Unglücklicher, namentlich auf dem Wege der Ge¬
walt, zusammengebracht, so wurden sie mehr wie das Vieh, denn als Menschen
ttactirt. Es handelte sind nur darum, sie auf die billigste und sicherste Weise
an den Ort ihrer Bestimmung zu bringen. Sie erhielten eben so viel, um
nickt zu verhungern. Zusammengebunden und von einer zahlreichen Escorte be¬
gleitet, war es ihnen fast unmöglich, den Teufelskralle» dieser Menschenjäger zu
entfliehen, gelang es aber einem, einen Fluchtversuch zu machen, so wurde er
gewöhnlich wie ein Wild zusammengeschossen. Ja, man ging so weit. Bursche,
die »'an bei der Feldarbeit überfallen wollte und die, das Unheil merkend, zu ent¬
weichen strebten, ebenfalls ohne Weiteres zusammenzuschießen, und gewöhnlich
krähte kein Hahn darnach.

Man denke aber nicht, daß nur untergeordnete Chargen und fübllose, selber
verdorbene Subjecte sich mit diesem elenden Gewerbe befaßten: sie hatten Colle-
gen in den obersten Führern, ja sogar gekrönte und gesalbte Hcinvter fanden
nicht selten ebenso viel Freude an einer derartigen Menschenjagd, wie an einer
Hirsch- oder Sauhatz?. Um etwa zur Potsdamer Riesengarde unter Friedrich
Wilhelm dem Ersten einen Mann zu erlangen, auf den das Auge gefallen war,
respectirten Fürst und Diener kein Gesetz, keine Stellung, keinen Stand. Selbst
Geld, sonst das beredteste Mittel, konnte nicht davon entbinden. Kein frem¬
des Gebiet, nicht die Heiligkeit des häuslichen Asyls wurde respectirt, keine
List, kein Betrug verschmäht. Und war der Erwischte einmal in der bunten
Zwangsjacke, so nahm er sie auch mit ins Grab. —

Wenn auch Friedrich der Zweite vieles in den barbarischen Bräuchen
milderte, so blieb doch noch manches zurück, was jetzt das menschliche Gefühl
empört. Der Mensch wurde eben, so lange die Werbung bestand, als eine
nothwendige Waare betrachtet, die man haben mußte. Negierende Herren,
Prinzen und Generale wetteiferten darin mit einander. Bon dieser Schwäche
seiner Zeit war auch der bekannte Herzog Karl Wilhelm Ferdinand von
Braunschweig, der Held vom siebenjährigen Kriege, nicht frei, der als einer der
humanster und intelligentesten Fürsten galt und in allen Schichten der Bevöl¬
kerung seine Verehrer hatte. Wir wollen hier als Beispiele ein paar Briefe
von ihm an den braunschweigiscken General v. Riedesel anführen^)

„Die beiden Werber Seitz und Rühlmann. welche Ew. Hochwohl-
geboren dieses Schreiben überreichen werden, haben mir einen 12zölligen Kerl



") Der Herzog war damals noch Erbprinz und hatte als preußischer General el» in Hal¬
be r se ad t stehendes Infanterieregiment, für das er werben ließ.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/502>, abgerufen am 23.07.2024.