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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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Königsberg nach Berlin gereist war. Die Geschichte dieser Berufung ist noch
immer nicht ganz aufgeklärt. Im October 1862 berichtete die "Ostpreußische
Zeitung" und nach ihr die Kreuzzeitung, daß der Professor Muth er in Königs¬
berg "eine ihm angetragene Berufung nach Rostock ausgeschlagen" habe. Eine
officiöse Berichtigung in der "Rostocker Zeitung" führte diese Notiz darauf zurück,
daß von einem Mitgliede der Facultät privatim bei Muth er angefragt sei, ob
er einem Rufe nach Rostock Folge leisten würde, falls die Facultät ihn in
Vorschlag bringen und dies zu einer Berufung führen sollte. Einige Wochen
später las man wieder in auswärtigen Blättern, Mut her sei nach Rostock
berufen, aber durch ausdrückliche Anerkennung seiner Leistungen der Universität
Königsberg erhalten worden, was von der "Danziger Zeitung" weiter dahin
erläutert wurde, daß ihm während seiner Anwesenheit in Berlin in Sachen der
Loyalitätsagitation eine Gehaltszulage von 300 Thlr. bewilligt worden. Die¬
ses letztere ward von der "Ostpreußischen Zeitung" für unrichtig erklärt und
der Sache jetzt folgende Gestalt gegeben: Mut her habe weder einen Ruf
nach Rostock erhalten, noch sei ihm ein solcher angetragen worden, vielmehr
sei nur eine vorläufige Anfrage deswegen von einem Facultätsmitgliede an ihn
ergangen. Von diesem Privatschreiben habe Muth er den Minister in Kennt¬
niß gesetzt, und da er infolge der hieraus hervorgegangenen Verhandlungen er¬
klärt habe, daß er einen etwa an ihn ergehenden Ruf nach Rostock ablehnen
werde, so stehe vom April kommenden Jahres an eine Gehaltsverbesserung für
ihn zu erwarten. Aber auch in dieser Version bestätigte sich die Nachricht nicht.
Mulder lehnte nämlich den an ihn demnächst ergangenen Ruf nicht ab.
sondern folgte demselben.

Als Student gehörte er in Jena der "Teutonia" an. Auf einer Be¬
suchsreise kam er vor etwa 16 Jahren einmal nach Erlangen, wo er durch
seine nichts weniger als gewählte Tracht und sein ganzes Auftreten keineswegs
den Eindruck machte, als ob ein künftiger Professor in ihm stecke. Später be¬
gab er sich zur Fortsetzung seiner Studien nach Erlangen, wo um diese Zeit
eine burschenschaftliche Verbindung bestand, die aus der fortgeschrittenen Partei
einer Burschenschaft von älterem Zuschnitt sich gebildet hatte. Dieser gehörte
Mut her in Erlangen an. Die ihn damals gekannt haben, werden nicht
wenig erstaunt gewesen sein, als er einige Jahre später plötzlich in Königsberg
als Professor hervortauchte. Vorher war er in Halle als Privatdocent habili-
tirt. Durch Empfehlung des bekannten Pernice in Halle, des Vaters
seines Freundes, des nicht minder bekannten göttinger Pernice, erlangte er
jene Professur in Königsberg. Als Schriftsteller trat er zuerst mit der Schrift:
"Sequestration und Arrest im römischen Recht" (1856) hervor, welcher die Kri-
Ur nachrühmte, daß der Verfasser durch Aufsuchung. Ordnung und Zubereitung
der Quellen mindestens die nothwendigste Vorbedingung für eine endliche Lösung


Gmizboten I. 1866. 68

Königsberg nach Berlin gereist war. Die Geschichte dieser Berufung ist noch
immer nicht ganz aufgeklärt. Im October 1862 berichtete die „Ostpreußische
Zeitung" und nach ihr die Kreuzzeitung, daß der Professor Muth er in Königs¬
berg „eine ihm angetragene Berufung nach Rostock ausgeschlagen" habe. Eine
officiöse Berichtigung in der „Rostocker Zeitung" führte diese Notiz darauf zurück,
daß von einem Mitgliede der Facultät privatim bei Muth er angefragt sei, ob
er einem Rufe nach Rostock Folge leisten würde, falls die Facultät ihn in
Vorschlag bringen und dies zu einer Berufung führen sollte. Einige Wochen
später las man wieder in auswärtigen Blättern, Mut her sei nach Rostock
berufen, aber durch ausdrückliche Anerkennung seiner Leistungen der Universität
Königsberg erhalten worden, was von der „Danziger Zeitung" weiter dahin
erläutert wurde, daß ihm während seiner Anwesenheit in Berlin in Sachen der
Loyalitätsagitation eine Gehaltszulage von 300 Thlr. bewilligt worden. Die¬
ses letztere ward von der „Ostpreußischen Zeitung" für unrichtig erklärt und
der Sache jetzt folgende Gestalt gegeben: Mut her habe weder einen Ruf
nach Rostock erhalten, noch sei ihm ein solcher angetragen worden, vielmehr
sei nur eine vorläufige Anfrage deswegen von einem Facultätsmitgliede an ihn
ergangen. Von diesem Privatschreiben habe Muth er den Minister in Kennt¬
niß gesetzt, und da er infolge der hieraus hervorgegangenen Verhandlungen er¬
klärt habe, daß er einen etwa an ihn ergehenden Ruf nach Rostock ablehnen
werde, so stehe vom April kommenden Jahres an eine Gehaltsverbesserung für
ihn zu erwarten. Aber auch in dieser Version bestätigte sich die Nachricht nicht.
Mulder lehnte nämlich den an ihn demnächst ergangenen Ruf nicht ab.
sondern folgte demselben.

Als Student gehörte er in Jena der „Teutonia" an. Auf einer Be¬
suchsreise kam er vor etwa 16 Jahren einmal nach Erlangen, wo er durch
seine nichts weniger als gewählte Tracht und sein ganzes Auftreten keineswegs
den Eindruck machte, als ob ein künftiger Professor in ihm stecke. Später be¬
gab er sich zur Fortsetzung seiner Studien nach Erlangen, wo um diese Zeit
eine burschenschaftliche Verbindung bestand, die aus der fortgeschrittenen Partei
einer Burschenschaft von älterem Zuschnitt sich gebildet hatte. Dieser gehörte
Mut her in Erlangen an. Die ihn damals gekannt haben, werden nicht
wenig erstaunt gewesen sein, als er einige Jahre später plötzlich in Königsberg
als Professor hervortauchte. Vorher war er in Halle als Privatdocent habili-
tirt. Durch Empfehlung des bekannten Pernice in Halle, des Vaters
seines Freundes, des nicht minder bekannten göttinger Pernice, erlangte er
jene Professur in Königsberg. Als Schriftsteller trat er zuerst mit der Schrift:
"Sequestration und Arrest im römischen Recht" (1856) hervor, welcher die Kri-
Ur nachrühmte, daß der Verfasser durch Aufsuchung. Ordnung und Zubereitung
der Quellen mindestens die nothwendigste Vorbedingung für eine endliche Lösung


Gmizboten I. 1866. 68
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[0485] Königsberg nach Berlin gereist war. Die Geschichte dieser Berufung ist noch immer nicht ganz aufgeklärt. Im October 1862 berichtete die „Ostpreußische Zeitung" und nach ihr die Kreuzzeitung, daß der Professor Muth er in Königs¬ berg „eine ihm angetragene Berufung nach Rostock ausgeschlagen" habe. Eine officiöse Berichtigung in der „Rostocker Zeitung" führte diese Notiz darauf zurück, daß von einem Mitgliede der Facultät privatim bei Muth er angefragt sei, ob er einem Rufe nach Rostock Folge leisten würde, falls die Facultät ihn in Vorschlag bringen und dies zu einer Berufung führen sollte. Einige Wochen später las man wieder in auswärtigen Blättern, Mut her sei nach Rostock berufen, aber durch ausdrückliche Anerkennung seiner Leistungen der Universität Königsberg erhalten worden, was von der „Danziger Zeitung" weiter dahin erläutert wurde, daß ihm während seiner Anwesenheit in Berlin in Sachen der Loyalitätsagitation eine Gehaltszulage von 300 Thlr. bewilligt worden. Die¬ ses letztere ward von der „Ostpreußischen Zeitung" für unrichtig erklärt und der Sache jetzt folgende Gestalt gegeben: Mut her habe weder einen Ruf nach Rostock erhalten, noch sei ihm ein solcher angetragen worden, vielmehr sei nur eine vorläufige Anfrage deswegen von einem Facultätsmitgliede an ihn ergangen. Von diesem Privatschreiben habe Muth er den Minister in Kennt¬ niß gesetzt, und da er infolge der hieraus hervorgegangenen Verhandlungen er¬ klärt habe, daß er einen etwa an ihn ergehenden Ruf nach Rostock ablehnen werde, so stehe vom April kommenden Jahres an eine Gehaltsverbesserung für ihn zu erwarten. Aber auch in dieser Version bestätigte sich die Nachricht nicht. Mulder lehnte nämlich den an ihn demnächst ergangenen Ruf nicht ab. sondern folgte demselben. Als Student gehörte er in Jena der „Teutonia" an. Auf einer Be¬ suchsreise kam er vor etwa 16 Jahren einmal nach Erlangen, wo er durch seine nichts weniger als gewählte Tracht und sein ganzes Auftreten keineswegs den Eindruck machte, als ob ein künftiger Professor in ihm stecke. Später be¬ gab er sich zur Fortsetzung seiner Studien nach Erlangen, wo um diese Zeit eine burschenschaftliche Verbindung bestand, die aus der fortgeschrittenen Partei einer Burschenschaft von älterem Zuschnitt sich gebildet hatte. Dieser gehörte Mut her in Erlangen an. Die ihn damals gekannt haben, werden nicht wenig erstaunt gewesen sein, als er einige Jahre später plötzlich in Königsberg als Professor hervortauchte. Vorher war er in Halle als Privatdocent habili- tirt. Durch Empfehlung des bekannten Pernice in Halle, des Vaters seines Freundes, des nicht minder bekannten göttinger Pernice, erlangte er jene Professur in Königsberg. Als Schriftsteller trat er zuerst mit der Schrift: "Sequestration und Arrest im römischen Recht" (1856) hervor, welcher die Kri- Ur nachrühmte, daß der Verfasser durch Aufsuchung. Ordnung und Zubereitung der Quellen mindestens die nothwendigste Vorbedingung für eine endliche Lösung Gmizboten I. 1866. 68

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/485>, abgerufen am 23.07.2024.