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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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Als Nachfolger von Noth, der, gleich Wetzell von Marburg übergesiedelt
zu den Notabilitäten seines Faches gehört, in Mecklenburg aber an literarischen
Andenken nur ein ziemlich flüchtig abgefaßtes mecklenburgisches Lehnrecht und
daneben den Ruf hinterlassen hat, daß er im Winter nicht heizte, mit Virtuo¬
sität die Zither spielte und in lustigen Kreisen ein guter Gesellschafter war,
kam um Ostern 1838, gleichfalls von Marburg, wo er bis dahin das Amt
eines Unterstaatsprocurators bekleidet hatte, Victor v. Meibom. Er wurde im
Jahre 1863 zum Assessor pörxetuus des engeren Conciliums erwählt und
nahm in demselben Jahre als mecklenburgischer Commisscirius an den Verhand¬
lungen über Herstellung eines allgemeinen deutschen Obligationenrechts in Dres¬
den Theil. Seine Vorlesungen befassen deutsches Privatrecht, Geschichte des
deutschen Rechts, Lehnrecht, Handels- und Wechselrecht, seit einiger Zeit auch
Einleitung in das mecklenburgische Privatrecht, nach einem fleißig zusammen¬
getragenen und ausgearbeiteten Hefte. Früher arbeitete v. Meibom mit Roth
zusammen an einem Werke über kurhessisches Privatrecht. In dem "Jahrbuch
des gemeinen deutschen Rechts" von Bekker und Mulder (Band IV. 1860)
veröffentlichte er eine längere Abhandlung "über Realschulden und Reallasten",
welche mit einem empfehlenden Hinweis auf die mecklenburgische Hypotheken¬
gesetzgebung schließt. Die darin aufgestellte Ansicht hat jedoch wenig Beifall
gefunden und wird von Gerber in Leipzig in den von ihm und IHering
herausgegebenen Jahrbüchern scharf bekämpft.

Zu Ostern 1863 ward aus Greifswald der junge Professor Hugo B öhlau
berufen, der sich früher in Halle habilitirt hatte. Er führte sich damit ein,
daß er am schwarzen Brett bekannt machte, seine Vorlesungen über das und
das würden "so Gott will" dann und dann beginnen. Seit 1861 giebt er
mit Rudorff. Bruns. Noth und Merkel eine Zeitschrift für Rechtsgeschichte
heraus, in welcher sich kleine Aufsätze von ihm finden. Er ist äußerst fleißig
und sorgt auch dadurch für die Studenten, daß er mit Einzelnen in seinem
Hause den "Sachsenspiegel" und "Richtsteig Landrechts" tractirt. Aus Dank¬
barkeit haben sie ihm dafür einmal ein Ständchen gebracht. Er liest deutsche
Reichs- und Rechtsgeschichte, Criminalrecht, Criminalproceß, Civilproceß und
Encyklopädie. Das Criminalrecht behandelt er vom rein christlichen Stand¬
punkt und besucht gleich seinen Kollegen gewissenhaft die Kirche.

Die jüngste Erwerbung der Juristcnfacultät ist der Professor Theodor
Muth er. der zu Michaelis 1863 aus Königsberg berufen ward. Die ersten
Gerüchte von seiner Berufung sielen in die Zeit, wo er als Mitglied einer der
vielen Deputationen, welche mit der Ueberbringung von Ergebenheitsadressen
an den König von Preußen beauftragt waren und so weit nöthig von der
Kreuzzeitungspartei aus einer in der Wilhelmsstraße in Berlin für diesen Zweck
errichteten Niederlage mit Fracks und Handschuhen ausgestattet wurden, von


Als Nachfolger von Noth, der, gleich Wetzell von Marburg übergesiedelt
zu den Notabilitäten seines Faches gehört, in Mecklenburg aber an literarischen
Andenken nur ein ziemlich flüchtig abgefaßtes mecklenburgisches Lehnrecht und
daneben den Ruf hinterlassen hat, daß er im Winter nicht heizte, mit Virtuo¬
sität die Zither spielte und in lustigen Kreisen ein guter Gesellschafter war,
kam um Ostern 1838, gleichfalls von Marburg, wo er bis dahin das Amt
eines Unterstaatsprocurators bekleidet hatte, Victor v. Meibom. Er wurde im
Jahre 1863 zum Assessor pörxetuus des engeren Conciliums erwählt und
nahm in demselben Jahre als mecklenburgischer Commisscirius an den Verhand¬
lungen über Herstellung eines allgemeinen deutschen Obligationenrechts in Dres¬
den Theil. Seine Vorlesungen befassen deutsches Privatrecht, Geschichte des
deutschen Rechts, Lehnrecht, Handels- und Wechselrecht, seit einiger Zeit auch
Einleitung in das mecklenburgische Privatrecht, nach einem fleißig zusammen¬
getragenen und ausgearbeiteten Hefte. Früher arbeitete v. Meibom mit Roth
zusammen an einem Werke über kurhessisches Privatrecht. In dem „Jahrbuch
des gemeinen deutschen Rechts" von Bekker und Mulder (Band IV. 1860)
veröffentlichte er eine längere Abhandlung „über Realschulden und Reallasten",
welche mit einem empfehlenden Hinweis auf die mecklenburgische Hypotheken¬
gesetzgebung schließt. Die darin aufgestellte Ansicht hat jedoch wenig Beifall
gefunden und wird von Gerber in Leipzig in den von ihm und IHering
herausgegebenen Jahrbüchern scharf bekämpft.

Zu Ostern 1863 ward aus Greifswald der junge Professor Hugo B öhlau
berufen, der sich früher in Halle habilitirt hatte. Er führte sich damit ein,
daß er am schwarzen Brett bekannt machte, seine Vorlesungen über das und
das würden „so Gott will" dann und dann beginnen. Seit 1861 giebt er
mit Rudorff. Bruns. Noth und Merkel eine Zeitschrift für Rechtsgeschichte
heraus, in welcher sich kleine Aufsätze von ihm finden. Er ist äußerst fleißig
und sorgt auch dadurch für die Studenten, daß er mit Einzelnen in seinem
Hause den „Sachsenspiegel" und „Richtsteig Landrechts" tractirt. Aus Dank¬
barkeit haben sie ihm dafür einmal ein Ständchen gebracht. Er liest deutsche
Reichs- und Rechtsgeschichte, Criminalrecht, Criminalproceß, Civilproceß und
Encyklopädie. Das Criminalrecht behandelt er vom rein christlichen Stand¬
punkt und besucht gleich seinen Kollegen gewissenhaft die Kirche.

Die jüngste Erwerbung der Juristcnfacultät ist der Professor Theodor
Muth er. der zu Michaelis 1863 aus Königsberg berufen ward. Die ersten
Gerüchte von seiner Berufung sielen in die Zeit, wo er als Mitglied einer der
vielen Deputationen, welche mit der Ueberbringung von Ergebenheitsadressen
an den König von Preußen beauftragt waren und so weit nöthig von der
Kreuzzeitungspartei aus einer in der Wilhelmsstraße in Berlin für diesen Zweck
errichteten Niederlage mit Fracks und Handschuhen ausgestattet wurden, von


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[0484] Als Nachfolger von Noth, der, gleich Wetzell von Marburg übergesiedelt zu den Notabilitäten seines Faches gehört, in Mecklenburg aber an literarischen Andenken nur ein ziemlich flüchtig abgefaßtes mecklenburgisches Lehnrecht und daneben den Ruf hinterlassen hat, daß er im Winter nicht heizte, mit Virtuo¬ sität die Zither spielte und in lustigen Kreisen ein guter Gesellschafter war, kam um Ostern 1838, gleichfalls von Marburg, wo er bis dahin das Amt eines Unterstaatsprocurators bekleidet hatte, Victor v. Meibom. Er wurde im Jahre 1863 zum Assessor pörxetuus des engeren Conciliums erwählt und nahm in demselben Jahre als mecklenburgischer Commisscirius an den Verhand¬ lungen über Herstellung eines allgemeinen deutschen Obligationenrechts in Dres¬ den Theil. Seine Vorlesungen befassen deutsches Privatrecht, Geschichte des deutschen Rechts, Lehnrecht, Handels- und Wechselrecht, seit einiger Zeit auch Einleitung in das mecklenburgische Privatrecht, nach einem fleißig zusammen¬ getragenen und ausgearbeiteten Hefte. Früher arbeitete v. Meibom mit Roth zusammen an einem Werke über kurhessisches Privatrecht. In dem „Jahrbuch des gemeinen deutschen Rechts" von Bekker und Mulder (Band IV. 1860) veröffentlichte er eine längere Abhandlung „über Realschulden und Reallasten", welche mit einem empfehlenden Hinweis auf die mecklenburgische Hypotheken¬ gesetzgebung schließt. Die darin aufgestellte Ansicht hat jedoch wenig Beifall gefunden und wird von Gerber in Leipzig in den von ihm und IHering herausgegebenen Jahrbüchern scharf bekämpft. Zu Ostern 1863 ward aus Greifswald der junge Professor Hugo B öhlau berufen, der sich früher in Halle habilitirt hatte. Er führte sich damit ein, daß er am schwarzen Brett bekannt machte, seine Vorlesungen über das und das würden „so Gott will" dann und dann beginnen. Seit 1861 giebt er mit Rudorff. Bruns. Noth und Merkel eine Zeitschrift für Rechtsgeschichte heraus, in welcher sich kleine Aufsätze von ihm finden. Er ist äußerst fleißig und sorgt auch dadurch für die Studenten, daß er mit Einzelnen in seinem Hause den „Sachsenspiegel" und „Richtsteig Landrechts" tractirt. Aus Dank¬ barkeit haben sie ihm dafür einmal ein Ständchen gebracht. Er liest deutsche Reichs- und Rechtsgeschichte, Criminalrecht, Criminalproceß, Civilproceß und Encyklopädie. Das Criminalrecht behandelt er vom rein christlichen Stand¬ punkt und besucht gleich seinen Kollegen gewissenhaft die Kirche. Die jüngste Erwerbung der Juristcnfacultät ist der Professor Theodor Muth er. der zu Michaelis 1863 aus Königsberg berufen ward. Die ersten Gerüchte von seiner Berufung sielen in die Zeit, wo er als Mitglied einer der vielen Deputationen, welche mit der Ueberbringung von Ergebenheitsadressen an den König von Preußen beauftragt waren und so weit nöthig von der Kreuzzeitungspartei aus einer in der Wilhelmsstraße in Berlin für diesen Zweck errichteten Niederlage mit Fracks und Handschuhen ausgestattet wurden, von

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/484>, abgerufen am 23.07.2024.