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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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Die vierte Abtheilung behandelt die äußeren Verhältnisse der Städte und
besonders die Beziehungen der Gemeindegewalt zur Staatsgewalt und zu den
einzelnen Hoheitsrechten des Staats. Besonders interessant sind hier die Er¬
örterungen der Art, wie die Militärhoheit mit ihrer bekanntlich nicht geringen
Wucht auf den Communen lastet. Alles ist bis ins Kleinste geregelt, und man
bedauert bei all dieser Fürsorge nur den einzigen Umstand, daß sie leider noch
in so vielen Rücksichten nöthig ist. Wenn man nichts weiter als die hier
fragliche Rechtsdarstcllung der Einquartierungsverhältnisse kennte, so würde man
sich doch schon ein anschauliches Bild von dem Detail der Beschwerden, die sie
im Gefolge hat, entwerfen tonnen. Der Umstand, daß stehende Einquartierung
noch immer vielfach ein Surrogat der Kasernirung bilden muß, ist offenbar ein
großer Uebelstand. und wie sich in diesen Beziehungen die Militärhoheit des
Staates je zu Zeiten zu den Gemeinden und einzelnen Bürgern stellt, ließe sich,
wenn wir uns einen Scherz erlauben dürften, auf eine sehr einfache und zu¬
gleich charakteristische Weise bezeichnen. Wir sehen z. B. den einquartierten
Kavalleristen im Namen der Militärhoheit von seinem Wirth Futterschwinge,
Halfterkette, Mistgabel, Besen, Eimer und sogar zur Abendfütterung eine Laterne
in Anspruch nehmen, und versetzen uns andererseits in die behagliche Stimmung
des mit dem Gespenst der Bodenerschöpfung praktisch nicht ganz unbekannten
Ackerwirths, wenn er sich bei all jener Mühe die ebenso bedeutsamen als
naiven Worte des Gesetzes wiederholt: "Dafür gebührt dem Wirth der Dünger
der Pferde." Ein Satz, der hin und wieder allgemeineren symbolischen
Sinn gewinnt.

Das Gesammtbild, welches uns die möllersche Schrift von den Verhält¬
nissen der preußischen Städte entrollt, läßt bei aller objectiven Haltung und
vielleicht grade um der von subjectiven Hinweisungen ganz freien Darstellung
Willen einen etwas niederschlagenden Eindruck zurück. Man bedauert, daß ein
so reiches Entwicklungsgebiet, wie das des Gemeindelebens, nicht in dem
großen und praktischen Sinne Steins auch fernerhin gepflegt worden sei. und
daß kaum die Hauptpunkte der Reformen vor Angriffen bewahrt geblieben sind.
Die Beziehung der Gemeindegewalt zur Staatsgewalt, deren Regelung aller¬
dings eine der schwierigsten Aufgaben bildet, ist von der späteren Gesetzgebung
durchaus nicht im Sinne einer gewissen Emancipation und Selbstregierung be¬
handelt worden. Kaum würde man es glauben, daß noch eine Eintheilung
der Städte in mittelbare und unmittelbare nöthig ist. Koch und Rönne haben
diese Unterscheidung für obsolet erklärt, aber Möller weist nach, daß das von
der Städteordnung von 1808 aufgehobene mittelbare Verhältniß von derjenigen
des Jahres 1831 wieder restaurirt worden sei. Es giebt also in der That noch
Städte, die unmittelbar unter einer Gutsherrschaft stehen und daher zum Staate
uur ein durch den Gutsherrn vermitteltes Verhältniß haben. Außerdem ist die


Die vierte Abtheilung behandelt die äußeren Verhältnisse der Städte und
besonders die Beziehungen der Gemeindegewalt zur Staatsgewalt und zu den
einzelnen Hoheitsrechten des Staats. Besonders interessant sind hier die Er¬
örterungen der Art, wie die Militärhoheit mit ihrer bekanntlich nicht geringen
Wucht auf den Communen lastet. Alles ist bis ins Kleinste geregelt, und man
bedauert bei all dieser Fürsorge nur den einzigen Umstand, daß sie leider noch
in so vielen Rücksichten nöthig ist. Wenn man nichts weiter als die hier
fragliche Rechtsdarstcllung der Einquartierungsverhältnisse kennte, so würde man
sich doch schon ein anschauliches Bild von dem Detail der Beschwerden, die sie
im Gefolge hat, entwerfen tonnen. Der Umstand, daß stehende Einquartierung
noch immer vielfach ein Surrogat der Kasernirung bilden muß, ist offenbar ein
großer Uebelstand. und wie sich in diesen Beziehungen die Militärhoheit des
Staates je zu Zeiten zu den Gemeinden und einzelnen Bürgern stellt, ließe sich,
wenn wir uns einen Scherz erlauben dürften, auf eine sehr einfache und zu¬
gleich charakteristische Weise bezeichnen. Wir sehen z. B. den einquartierten
Kavalleristen im Namen der Militärhoheit von seinem Wirth Futterschwinge,
Halfterkette, Mistgabel, Besen, Eimer und sogar zur Abendfütterung eine Laterne
in Anspruch nehmen, und versetzen uns andererseits in die behagliche Stimmung
des mit dem Gespenst der Bodenerschöpfung praktisch nicht ganz unbekannten
Ackerwirths, wenn er sich bei all jener Mühe die ebenso bedeutsamen als
naiven Worte des Gesetzes wiederholt: „Dafür gebührt dem Wirth der Dünger
der Pferde." Ein Satz, der hin und wieder allgemeineren symbolischen
Sinn gewinnt.

Das Gesammtbild, welches uns die möllersche Schrift von den Verhält¬
nissen der preußischen Städte entrollt, läßt bei aller objectiven Haltung und
vielleicht grade um der von subjectiven Hinweisungen ganz freien Darstellung
Willen einen etwas niederschlagenden Eindruck zurück. Man bedauert, daß ein
so reiches Entwicklungsgebiet, wie das des Gemeindelebens, nicht in dem
großen und praktischen Sinne Steins auch fernerhin gepflegt worden sei. und
daß kaum die Hauptpunkte der Reformen vor Angriffen bewahrt geblieben sind.
Die Beziehung der Gemeindegewalt zur Staatsgewalt, deren Regelung aller¬
dings eine der schwierigsten Aufgaben bildet, ist von der späteren Gesetzgebung
durchaus nicht im Sinne einer gewissen Emancipation und Selbstregierung be¬
handelt worden. Kaum würde man es glauben, daß noch eine Eintheilung
der Städte in mittelbare und unmittelbare nöthig ist. Koch und Rönne haben
diese Unterscheidung für obsolet erklärt, aber Möller weist nach, daß das von
der Städteordnung von 1808 aufgehobene mittelbare Verhältniß von derjenigen
des Jahres 1831 wieder restaurirt worden sei. Es giebt also in der That noch
Städte, die unmittelbar unter einer Gutsherrschaft stehen und daher zum Staate
uur ein durch den Gutsherrn vermitteltes Verhältniß haben. Außerdem ist die


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[0439] Die vierte Abtheilung behandelt die äußeren Verhältnisse der Städte und besonders die Beziehungen der Gemeindegewalt zur Staatsgewalt und zu den einzelnen Hoheitsrechten des Staats. Besonders interessant sind hier die Er¬ örterungen der Art, wie die Militärhoheit mit ihrer bekanntlich nicht geringen Wucht auf den Communen lastet. Alles ist bis ins Kleinste geregelt, und man bedauert bei all dieser Fürsorge nur den einzigen Umstand, daß sie leider noch in so vielen Rücksichten nöthig ist. Wenn man nichts weiter als die hier fragliche Rechtsdarstcllung der Einquartierungsverhältnisse kennte, so würde man sich doch schon ein anschauliches Bild von dem Detail der Beschwerden, die sie im Gefolge hat, entwerfen tonnen. Der Umstand, daß stehende Einquartierung noch immer vielfach ein Surrogat der Kasernirung bilden muß, ist offenbar ein großer Uebelstand. und wie sich in diesen Beziehungen die Militärhoheit des Staates je zu Zeiten zu den Gemeinden und einzelnen Bürgern stellt, ließe sich, wenn wir uns einen Scherz erlauben dürften, auf eine sehr einfache und zu¬ gleich charakteristische Weise bezeichnen. Wir sehen z. B. den einquartierten Kavalleristen im Namen der Militärhoheit von seinem Wirth Futterschwinge, Halfterkette, Mistgabel, Besen, Eimer und sogar zur Abendfütterung eine Laterne in Anspruch nehmen, und versetzen uns andererseits in die behagliche Stimmung des mit dem Gespenst der Bodenerschöpfung praktisch nicht ganz unbekannten Ackerwirths, wenn er sich bei all jener Mühe die ebenso bedeutsamen als naiven Worte des Gesetzes wiederholt: „Dafür gebührt dem Wirth der Dünger der Pferde." Ein Satz, der hin und wieder allgemeineren symbolischen Sinn gewinnt. Das Gesammtbild, welches uns die möllersche Schrift von den Verhält¬ nissen der preußischen Städte entrollt, läßt bei aller objectiven Haltung und vielleicht grade um der von subjectiven Hinweisungen ganz freien Darstellung Willen einen etwas niederschlagenden Eindruck zurück. Man bedauert, daß ein so reiches Entwicklungsgebiet, wie das des Gemeindelebens, nicht in dem großen und praktischen Sinne Steins auch fernerhin gepflegt worden sei. und daß kaum die Hauptpunkte der Reformen vor Angriffen bewahrt geblieben sind. Die Beziehung der Gemeindegewalt zur Staatsgewalt, deren Regelung aller¬ dings eine der schwierigsten Aufgaben bildet, ist von der späteren Gesetzgebung durchaus nicht im Sinne einer gewissen Emancipation und Selbstregierung be¬ handelt worden. Kaum würde man es glauben, daß noch eine Eintheilung der Städte in mittelbare und unmittelbare nöthig ist. Koch und Rönne haben diese Unterscheidung für obsolet erklärt, aber Möller weist nach, daß das von der Städteordnung von 1808 aufgehobene mittelbare Verhältniß von derjenigen des Jahres 1831 wieder restaurirt worden sei. Es giebt also in der That noch Städte, die unmittelbar unter einer Gutsherrschaft stehen und daher zum Staate uur ein durch den Gutsherrn vermitteltes Verhältniß haben. Außerdem ist die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/439>, abgerufen am 23.07.2024.