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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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haben, eine Unterstützung, die nicht zu entbehren war. und forderte zur Bildung
einer "Gesellschaft der Gemeindebibliotheken des Oberrheins" auf. in jeder Ge¬
meinde warb er passende Leute. Aerzte, Notare. Lehrer. Geistliche. Gutsbesitzer,
Fabrikanten u. s. w. und so konnte am 29, Nov. 1863 die constituirende Ver¬
sammlung mit 813 Mitgliedern eröffnet werden. Alle Lebensstellungen und
alle Meinungen waren u> dieser Versammlung vertreten, der Millionär neben
dem Dorfschulmeister, der Konservative neben dem Liberalen, der Protestant
neben dem Katholiken, der Deutsche neben dem Franzosen. Zum Vorsitzenden
wurde der Bürgermeister von Mühlhausen. Jean Dollfus. gewählt, ein Name,
der überall in erster Linie steht, wo es eine gemeinnützige Sache gilt. Der
Generalrats des Oberrheins sprach seine vollständige Sympathie mit den
Zwecken der Gesellschaft aus und trat ihr mit allen seinen Mitgliedern bei.
Die liberale Presse in Frankreich lenkte auf sie die allgemeine Aufmerksamkeit.

Die Gesellschaft durfte nicht in denselben Fehler verfallen, an welchem die
früheren Plane gescheitert waren. Sie durfte nicht von oben herab anordnen,
Was nur aus der Initiative der Gemeinden selbst hervorgehen kann. Ihren
Statuten zufolge untersagt sie sich deshalb jeden directen Ankauf und jede offi-
cielle Bezeichnung von Büchern, indem sie in Bezug auf Meinungen und Buch¬
handlungen völlig unparteiisch bleiben will; ihre Mitglieder behalten sich vor.
denjenigen, die sich an sie wenden, mit Rath beizustehen. Alljährlich soll über
den Stand der Bibliotheken Bericht erstattet, denjenigen Gemeinden, welche sich
besonders auszeichnen, Aufmunterungsprämien zuerkannt, ebenso Bibliothekaren,
die besonderen Eifer zeigen, Ehrenbelohnungen ertheilt werden. Im Nothfall
unterstützt die Gesellschaft auch die Gründung von Bibliotheken durch Geld,
und vermittelt z. B. mit den Buchhandlungen die Lieferung der Bücher zu
Rabbatprciscn. Hetzel in Saris hat sich aus freien Stücken mit Nachlaß seines
ganzen Buchhändlerrabbats den Gemeinden zur Verfügung gestellt. Für die
deutschen Bücher hat sich die Schmidt'sche Buchhandlung in Straßburg mit
einem Rabbat von 10 Proc. an den Katalogpreisen angeboten. Aber die Haupt¬
sache ist, daß die Gesellschaft die lokale Initiative der Gemeinden anspornen
will. Was sie geben will, ist der Impuls, und zwar der Impuls von unten
herauf, durch die persönliche Thätigkeit der Mitglieder. Es wäre keine Kunst,
den Gemeinden Bibliotheken zu schenken, aber die Kunst ist zu machen, daß
die Bücher gelesen werden, und das erste Mittel hierzu ist. daß den Gemeinden
nicht Bücher geschenkt, sondern daß sie vermocht werden, sie sich selbst anzu-
schaffen. Die von jeder Gemeinde gewählte Commission ist das eigentliche
active Element der Organisation, sie muß die Bibliothek gründen und fort¬
setzen, die Gesellschaft des Departements hat blos die Bildung anzuregen, auf-
zumuntern, zu unterstützen.

Was sind nun die bisherigen Erfolge? Sie scheinen vielleicht nicht eben


4*

haben, eine Unterstützung, die nicht zu entbehren war. und forderte zur Bildung
einer „Gesellschaft der Gemeindebibliotheken des Oberrheins" auf. in jeder Ge¬
meinde warb er passende Leute. Aerzte, Notare. Lehrer. Geistliche. Gutsbesitzer,
Fabrikanten u. s. w. und so konnte am 29, Nov. 1863 die constituirende Ver¬
sammlung mit 813 Mitgliedern eröffnet werden. Alle Lebensstellungen und
alle Meinungen waren u> dieser Versammlung vertreten, der Millionär neben
dem Dorfschulmeister, der Konservative neben dem Liberalen, der Protestant
neben dem Katholiken, der Deutsche neben dem Franzosen. Zum Vorsitzenden
wurde der Bürgermeister von Mühlhausen. Jean Dollfus. gewählt, ein Name,
der überall in erster Linie steht, wo es eine gemeinnützige Sache gilt. Der
Generalrats des Oberrheins sprach seine vollständige Sympathie mit den
Zwecken der Gesellschaft aus und trat ihr mit allen seinen Mitgliedern bei.
Die liberale Presse in Frankreich lenkte auf sie die allgemeine Aufmerksamkeit.

Die Gesellschaft durfte nicht in denselben Fehler verfallen, an welchem die
früheren Plane gescheitert waren. Sie durfte nicht von oben herab anordnen,
Was nur aus der Initiative der Gemeinden selbst hervorgehen kann. Ihren
Statuten zufolge untersagt sie sich deshalb jeden directen Ankauf und jede offi-
cielle Bezeichnung von Büchern, indem sie in Bezug auf Meinungen und Buch¬
handlungen völlig unparteiisch bleiben will; ihre Mitglieder behalten sich vor.
denjenigen, die sich an sie wenden, mit Rath beizustehen. Alljährlich soll über
den Stand der Bibliotheken Bericht erstattet, denjenigen Gemeinden, welche sich
besonders auszeichnen, Aufmunterungsprämien zuerkannt, ebenso Bibliothekaren,
die besonderen Eifer zeigen, Ehrenbelohnungen ertheilt werden. Im Nothfall
unterstützt die Gesellschaft auch die Gründung von Bibliotheken durch Geld,
und vermittelt z. B. mit den Buchhandlungen die Lieferung der Bücher zu
Rabbatprciscn. Hetzel in Saris hat sich aus freien Stücken mit Nachlaß seines
ganzen Buchhändlerrabbats den Gemeinden zur Verfügung gestellt. Für die
deutschen Bücher hat sich die Schmidt'sche Buchhandlung in Straßburg mit
einem Rabbat von 10 Proc. an den Katalogpreisen angeboten. Aber die Haupt¬
sache ist, daß die Gesellschaft die lokale Initiative der Gemeinden anspornen
will. Was sie geben will, ist der Impuls, und zwar der Impuls von unten
herauf, durch die persönliche Thätigkeit der Mitglieder. Es wäre keine Kunst,
den Gemeinden Bibliotheken zu schenken, aber die Kunst ist zu machen, daß
die Bücher gelesen werden, und das erste Mittel hierzu ist. daß den Gemeinden
nicht Bücher geschenkt, sondern daß sie vermocht werden, sie sich selbst anzu-
schaffen. Die von jeder Gemeinde gewählte Commission ist das eigentliche
active Element der Organisation, sie muß die Bibliothek gründen und fort¬
setzen, die Gesellschaft des Departements hat blos die Bildung anzuregen, auf-
zumuntern, zu unterstützen.

Was sind nun die bisherigen Erfolge? Sie scheinen vielleicht nicht eben


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[0033] haben, eine Unterstützung, die nicht zu entbehren war. und forderte zur Bildung einer „Gesellschaft der Gemeindebibliotheken des Oberrheins" auf. in jeder Ge¬ meinde warb er passende Leute. Aerzte, Notare. Lehrer. Geistliche. Gutsbesitzer, Fabrikanten u. s. w. und so konnte am 29, Nov. 1863 die constituirende Ver¬ sammlung mit 813 Mitgliedern eröffnet werden. Alle Lebensstellungen und alle Meinungen waren u> dieser Versammlung vertreten, der Millionär neben dem Dorfschulmeister, der Konservative neben dem Liberalen, der Protestant neben dem Katholiken, der Deutsche neben dem Franzosen. Zum Vorsitzenden wurde der Bürgermeister von Mühlhausen. Jean Dollfus. gewählt, ein Name, der überall in erster Linie steht, wo es eine gemeinnützige Sache gilt. Der Generalrats des Oberrheins sprach seine vollständige Sympathie mit den Zwecken der Gesellschaft aus und trat ihr mit allen seinen Mitgliedern bei. Die liberale Presse in Frankreich lenkte auf sie die allgemeine Aufmerksamkeit. Die Gesellschaft durfte nicht in denselben Fehler verfallen, an welchem die früheren Plane gescheitert waren. Sie durfte nicht von oben herab anordnen, Was nur aus der Initiative der Gemeinden selbst hervorgehen kann. Ihren Statuten zufolge untersagt sie sich deshalb jeden directen Ankauf und jede offi- cielle Bezeichnung von Büchern, indem sie in Bezug auf Meinungen und Buch¬ handlungen völlig unparteiisch bleiben will; ihre Mitglieder behalten sich vor. denjenigen, die sich an sie wenden, mit Rath beizustehen. Alljährlich soll über den Stand der Bibliotheken Bericht erstattet, denjenigen Gemeinden, welche sich besonders auszeichnen, Aufmunterungsprämien zuerkannt, ebenso Bibliothekaren, die besonderen Eifer zeigen, Ehrenbelohnungen ertheilt werden. Im Nothfall unterstützt die Gesellschaft auch die Gründung von Bibliotheken durch Geld, und vermittelt z. B. mit den Buchhandlungen die Lieferung der Bücher zu Rabbatprciscn. Hetzel in Saris hat sich aus freien Stücken mit Nachlaß seines ganzen Buchhändlerrabbats den Gemeinden zur Verfügung gestellt. Für die deutschen Bücher hat sich die Schmidt'sche Buchhandlung in Straßburg mit einem Rabbat von 10 Proc. an den Katalogpreisen angeboten. Aber die Haupt¬ sache ist, daß die Gesellschaft die lokale Initiative der Gemeinden anspornen will. Was sie geben will, ist der Impuls, und zwar der Impuls von unten herauf, durch die persönliche Thätigkeit der Mitglieder. Es wäre keine Kunst, den Gemeinden Bibliotheken zu schenken, aber die Kunst ist zu machen, daß die Bücher gelesen werden, und das erste Mittel hierzu ist. daß den Gemeinden nicht Bücher geschenkt, sondern daß sie vermocht werden, sie sich selbst anzu- schaffen. Die von jeder Gemeinde gewählte Commission ist das eigentliche active Element der Organisation, sie muß die Bibliothek gründen und fort¬ setzen, die Gesellschaft des Departements hat blos die Bildung anzuregen, auf- zumuntern, zu unterstützen. Was sind nun die bisherigen Erfolge? Sie scheinen vielleicht nicht eben 4*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/33>, abgerufen am 23.07.2024.