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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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In München verhält es sich mit dieser matten kunstvereinlichen Stimmung
nicht anders als überall, ja der Gattung von Werken nach zu schließen, welche
am reichsten vertreten und am liebsten gesehen ist, noch schlimmer. Auf den
Besuch des Vereins beschränkt sich so ziemlich der hiesige Kunstcultus und bei
ihm entwickelt der Münchener, was er an Theilnahme für ihre modernen Schö¬
pfungen aufzubringen vermag. Natürlich sind auch hier Landschaft und Sitten¬
bild -- das historische Genre einbegriffen -- die vorzugsweis beliebten Fächer.
Jene, von der ein gut Theil das Thema der bayerischen Alpen in unermüd¬
lichen Variationen mit einer merkwürdigen Gleichmäßigkeit des Ausdrucks --
wie es Leute mit einem ewiggleichen stereotypen Lächeln giebt -- wiederholt,
werden wir später bei der Besprechung der Landschaft überhaupt wiederfinden.
Dagegen ist eine gewisse Art Sittenbild vom Kunstverein so unablösbar,
daß es wie ein aus ihm hervorgetriebenes Gewächs erscheint und da eine Be¬
rücksichtigung verdient, wo vom Verein die Rede ist.

Es sind fast nur bayerische Stoffe, welche diese eigenthümliche Gattung
behandelt und zwar in einer gewissen beschränkten gemüthlich-komischen Auf-
fassung. wie sie dem altbayerischen Stamme geläufig ist. Die Vorwürfe natür¬
lich meist aus dem Bauernleben der auch hier unvermeidlichen Alpen gewählt:
denn hier ist doch noch ein naturwüchsiger, von der Cultur unzersetzter Rest in
nner für den Maler dankbaren Umgebung. Bisweilen auch, daß der eine und
andere Künstler seinen Blick in eine städtische Dachstube auf die Arbeit einer
Näherin, den Kaffeetisch eines alten Mütterchens!, das Spiel von traiter, ihre
verschiedenen Blößen naiv preisgebenden Kindern oder den Sorgenstuhl eines
Pensionirten Schreibers wirft. -- Die älteren, wie A. Klein und namentlich
H. Bürkel (die italienischen Motive behandelt dieser ebenso wie die deutschen),
auf welche die Jüngeren vornehm herabzusehen durchaus keinen Grund haben,
halten sich meist an einfache harmlose Situationen: Fuhrleute, Bauern, Jäger,
Schiffer u. s. f. in der Anstrengung ihres Geschäftes oder dem Genuß der Er¬
holung oder auch in allerlei kleinen mißlichen Zufällen. Meistens in kleinem
Zierlicher Maßstab, aber herb charakterisirt, mit den schweren Zügen der nie¬
deren mitgenommenen Natur, ganz hineingesetzt in ihre heimische Umgebung,
Worin sie sich ohne den Ausdruck eines besonderen Lebens behaglich fühlen.
Die Behandlung ist noch in der älteren Manier befangen, die um malerischen
Reiz und Stimmungsleben noch wenig bekümmert war: ziemlich trocken und
bunt, Form und Bewegung der Natur zwar mit frischem Blick, aber etwas
'Mb abgesehen, die Ausführung spitzig und geschrieben. Doch haben die kleinen
Figuren meist das einfache Gepräge des natürlichen Lebens, etwas von dem
vollen Zug desselben, und da sie in ihrer urwüchsigen Anstrengung und Lust
anspruchslos sich darstellen, etwas unbewußt Komisches. Was sonst noch von
der älteren Generation der Genremaler zu Tage kommt, trägt die steifen und


In München verhält es sich mit dieser matten kunstvereinlichen Stimmung
nicht anders als überall, ja der Gattung von Werken nach zu schließen, welche
am reichsten vertreten und am liebsten gesehen ist, noch schlimmer. Auf den
Besuch des Vereins beschränkt sich so ziemlich der hiesige Kunstcultus und bei
ihm entwickelt der Münchener, was er an Theilnahme für ihre modernen Schö¬
pfungen aufzubringen vermag. Natürlich sind auch hier Landschaft und Sitten¬
bild — das historische Genre einbegriffen — die vorzugsweis beliebten Fächer.
Jene, von der ein gut Theil das Thema der bayerischen Alpen in unermüd¬
lichen Variationen mit einer merkwürdigen Gleichmäßigkeit des Ausdrucks —
wie es Leute mit einem ewiggleichen stereotypen Lächeln giebt — wiederholt,
werden wir später bei der Besprechung der Landschaft überhaupt wiederfinden.
Dagegen ist eine gewisse Art Sittenbild vom Kunstverein so unablösbar,
daß es wie ein aus ihm hervorgetriebenes Gewächs erscheint und da eine Be¬
rücksichtigung verdient, wo vom Verein die Rede ist.

Es sind fast nur bayerische Stoffe, welche diese eigenthümliche Gattung
behandelt und zwar in einer gewissen beschränkten gemüthlich-komischen Auf-
fassung. wie sie dem altbayerischen Stamme geläufig ist. Die Vorwürfe natür¬
lich meist aus dem Bauernleben der auch hier unvermeidlichen Alpen gewählt:
denn hier ist doch noch ein naturwüchsiger, von der Cultur unzersetzter Rest in
nner für den Maler dankbaren Umgebung. Bisweilen auch, daß der eine und
andere Künstler seinen Blick in eine städtische Dachstube auf die Arbeit einer
Näherin, den Kaffeetisch eines alten Mütterchens!, das Spiel von traiter, ihre
verschiedenen Blößen naiv preisgebenden Kindern oder den Sorgenstuhl eines
Pensionirten Schreibers wirft. — Die älteren, wie A. Klein und namentlich
H. Bürkel (die italienischen Motive behandelt dieser ebenso wie die deutschen),
auf welche die Jüngeren vornehm herabzusehen durchaus keinen Grund haben,
halten sich meist an einfache harmlose Situationen: Fuhrleute, Bauern, Jäger,
Schiffer u. s. f. in der Anstrengung ihres Geschäftes oder dem Genuß der Er¬
holung oder auch in allerlei kleinen mißlichen Zufällen. Meistens in kleinem
Zierlicher Maßstab, aber herb charakterisirt, mit den schweren Zügen der nie¬
deren mitgenommenen Natur, ganz hineingesetzt in ihre heimische Umgebung,
Worin sie sich ohne den Ausdruck eines besonderen Lebens behaglich fühlen.
Die Behandlung ist noch in der älteren Manier befangen, die um malerischen
Reiz und Stimmungsleben noch wenig bekümmert war: ziemlich trocken und
bunt, Form und Bewegung der Natur zwar mit frischem Blick, aber etwas
'Mb abgesehen, die Ausführung spitzig und geschrieben. Doch haben die kleinen
Figuren meist das einfache Gepräge des natürlichen Lebens, etwas von dem
vollen Zug desselben, und da sie in ihrer urwüchsigen Anstrengung und Lust
anspruchslos sich darstellen, etwas unbewußt Komisches. Was sonst noch von
der älteren Generation der Genremaler zu Tage kommt, trägt die steifen und


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[0313] In München verhält es sich mit dieser matten kunstvereinlichen Stimmung nicht anders als überall, ja der Gattung von Werken nach zu schließen, welche am reichsten vertreten und am liebsten gesehen ist, noch schlimmer. Auf den Besuch des Vereins beschränkt sich so ziemlich der hiesige Kunstcultus und bei ihm entwickelt der Münchener, was er an Theilnahme für ihre modernen Schö¬ pfungen aufzubringen vermag. Natürlich sind auch hier Landschaft und Sitten¬ bild — das historische Genre einbegriffen — die vorzugsweis beliebten Fächer. Jene, von der ein gut Theil das Thema der bayerischen Alpen in unermüd¬ lichen Variationen mit einer merkwürdigen Gleichmäßigkeit des Ausdrucks — wie es Leute mit einem ewiggleichen stereotypen Lächeln giebt — wiederholt, werden wir später bei der Besprechung der Landschaft überhaupt wiederfinden. Dagegen ist eine gewisse Art Sittenbild vom Kunstverein so unablösbar, daß es wie ein aus ihm hervorgetriebenes Gewächs erscheint und da eine Be¬ rücksichtigung verdient, wo vom Verein die Rede ist. Es sind fast nur bayerische Stoffe, welche diese eigenthümliche Gattung behandelt und zwar in einer gewissen beschränkten gemüthlich-komischen Auf- fassung. wie sie dem altbayerischen Stamme geläufig ist. Die Vorwürfe natür¬ lich meist aus dem Bauernleben der auch hier unvermeidlichen Alpen gewählt: denn hier ist doch noch ein naturwüchsiger, von der Cultur unzersetzter Rest in nner für den Maler dankbaren Umgebung. Bisweilen auch, daß der eine und andere Künstler seinen Blick in eine städtische Dachstube auf die Arbeit einer Näherin, den Kaffeetisch eines alten Mütterchens!, das Spiel von traiter, ihre verschiedenen Blößen naiv preisgebenden Kindern oder den Sorgenstuhl eines Pensionirten Schreibers wirft. — Die älteren, wie A. Klein und namentlich H. Bürkel (die italienischen Motive behandelt dieser ebenso wie die deutschen), auf welche die Jüngeren vornehm herabzusehen durchaus keinen Grund haben, halten sich meist an einfache harmlose Situationen: Fuhrleute, Bauern, Jäger, Schiffer u. s. f. in der Anstrengung ihres Geschäftes oder dem Genuß der Er¬ holung oder auch in allerlei kleinen mißlichen Zufällen. Meistens in kleinem Zierlicher Maßstab, aber herb charakterisirt, mit den schweren Zügen der nie¬ deren mitgenommenen Natur, ganz hineingesetzt in ihre heimische Umgebung, Worin sie sich ohne den Ausdruck eines besonderen Lebens behaglich fühlen. Die Behandlung ist noch in der älteren Manier befangen, die um malerischen Reiz und Stimmungsleben noch wenig bekümmert war: ziemlich trocken und bunt, Form und Bewegung der Natur zwar mit frischem Blick, aber etwas 'Mb abgesehen, die Ausführung spitzig und geschrieben. Doch haben die kleinen Figuren meist das einfache Gepräge des natürlichen Lebens, etwas von dem vollen Zug desselben, und da sie in ihrer urwüchsigen Anstrengung und Lust anspruchslos sich darstellen, etwas unbewußt Komisches. Was sonst noch von der älteren Generation der Genremaler zu Tage kommt, trägt die steifen und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/313>, abgerufen am 23.07.2024.