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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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Richtung von der Seite auf uns ein, und indem sie das Schiff ohne Blutver¬
gießen in ihre Gewalt zu bekommen suchten, thaten sie keinen Schuß, hinderten
uns aber durch beständiges Umkreisen, von der Stelle zu weichen, nicht anders,
als ob sie uns belagert Kleider und unser Schiff durch Kapitulation zu nehmen
gedächten. Ihr Unglückseliger, riefen sie uns zu, warum seid ihr so rasend,
gegen eine so ungleiche Macht die Hände zu erheben und euch dem offenbaren
Tode auszusehen? Noch gestatten wir euch, das Beiboot zu besteigen und euch
zu retten, wenn ihr wollt! Unsere Mannschaft aber war voll Muths und wei¬
gerte sich, das Schiff zu verlassen. Als aber einer der kühnsten von den Räu¬
bern auf unser Schiff sprang und wer ihm in den Wurf kam, niederhieb und
ihnen zeigte, daß es ein Kampf auf Leben und Tod sei, und auch die Uebrigen
ihm folgten, da gereute die Phönizier ihr Widerstand, so daß sie sich nieder¬
warfen und um Gnade flehten, die ihnen auch gegen alle Erwartung vom Haupt¬
mann gewährt wurde." Auch hier war es allgemein geltendes Cvrsarenrecht.
daß der, welcher das feindliche Fahrzeug zuerst bestieg, sich ein beliebiges Beute¬
stück wählen durfte.

In der früheren Zeit wurde der Seeraub ebenfalls weniger von Griechen
als von Barbaren, besonders von Eiliciern und Isauriern getrieben, und zu
Kriegszeiten gab man nicht blos Kaperbriefe aus, sondern nahm auch bekannte
Seeräuber in Dienst, deren Schiffe sich durch ihre leichte und scharfe Bauart
ausnehmend nützlich erwiese". Lysander z. B. sendete nach Xenophon den
milesischen Seeräuber Theopompos nach Lukonien, um die Nachricht vom Siege
am Ziegeufluß zu überbringen und dieser landete bereits am dritten Tage am
Peloponnes. Bekanntlich erreichte die cilicische Piraterie ihren Höhepunkt nach
dem ersten mithridatischen Kriege, wo die Frechheit und Macht der Räuber so
hoch stieg, daß sie mit mehr als tausend Schiffen, die zum Theil ersten Ranges
und luxuriös ausgestattet waren, das mittelländische Meer befuhren, den ganzen
Handel auf demselben lahm legten, feste Plätze mit Sturm nahmen, ja endlich
die italischen Küsten selbst brandschatzten, die Handelsschiffe im Hafen von
Gaeta kaperten, in dem von Ostia verbrannten, zu'el römische Prätoren ge¬
fangen nahmen! Die Summen. die sie durch Erpressung von Lösegeld (von
Cäsar verlangten sie. ohne ihn zu kennen, 20 Talente!) durch Plünderung und
durch Wegführung der Schätze aus den berühmtesten Tempeln zusammenrafften,
müssen ungeheuer gewesen sein. Wie Plutarch erwähnt, ertönten auch die Ge¬
stade des Meeres von ihrem Gesang, von dem Saiten- und Flötenspiel, wo¬
mit sie ihre Schmausereien und Zechgelage begleiteten. Der römischen Herr¬
schaft gegenüber zeigten sie sich am erbittertsten. Denn wenn ein Gefangener
sich darauf berief, baß er ein Römer sei und seinen Namen nannte, benebelten
sie Schrecken und Furcht, fielen ihm zu Füßen und baten um Verzeihung, so
daß el ein eine Sinneswandlung glaubte. Dann bekleideten sie ihn mit der


Richtung von der Seite auf uns ein, und indem sie das Schiff ohne Blutver¬
gießen in ihre Gewalt zu bekommen suchten, thaten sie keinen Schuß, hinderten
uns aber durch beständiges Umkreisen, von der Stelle zu weichen, nicht anders,
als ob sie uns belagert Kleider und unser Schiff durch Kapitulation zu nehmen
gedächten. Ihr Unglückseliger, riefen sie uns zu, warum seid ihr so rasend,
gegen eine so ungleiche Macht die Hände zu erheben und euch dem offenbaren
Tode auszusehen? Noch gestatten wir euch, das Beiboot zu besteigen und euch
zu retten, wenn ihr wollt! Unsere Mannschaft aber war voll Muths und wei¬
gerte sich, das Schiff zu verlassen. Als aber einer der kühnsten von den Räu¬
bern auf unser Schiff sprang und wer ihm in den Wurf kam, niederhieb und
ihnen zeigte, daß es ein Kampf auf Leben und Tod sei, und auch die Uebrigen
ihm folgten, da gereute die Phönizier ihr Widerstand, so daß sie sich nieder¬
warfen und um Gnade flehten, die ihnen auch gegen alle Erwartung vom Haupt¬
mann gewährt wurde." Auch hier war es allgemein geltendes Cvrsarenrecht.
daß der, welcher das feindliche Fahrzeug zuerst bestieg, sich ein beliebiges Beute¬
stück wählen durfte.

In der früheren Zeit wurde der Seeraub ebenfalls weniger von Griechen
als von Barbaren, besonders von Eiliciern und Isauriern getrieben, und zu
Kriegszeiten gab man nicht blos Kaperbriefe aus, sondern nahm auch bekannte
Seeräuber in Dienst, deren Schiffe sich durch ihre leichte und scharfe Bauart
ausnehmend nützlich erwiese». Lysander z. B. sendete nach Xenophon den
milesischen Seeräuber Theopompos nach Lukonien, um die Nachricht vom Siege
am Ziegeufluß zu überbringen und dieser landete bereits am dritten Tage am
Peloponnes. Bekanntlich erreichte die cilicische Piraterie ihren Höhepunkt nach
dem ersten mithridatischen Kriege, wo die Frechheit und Macht der Räuber so
hoch stieg, daß sie mit mehr als tausend Schiffen, die zum Theil ersten Ranges
und luxuriös ausgestattet waren, das mittelländische Meer befuhren, den ganzen
Handel auf demselben lahm legten, feste Plätze mit Sturm nahmen, ja endlich
die italischen Küsten selbst brandschatzten, die Handelsschiffe im Hafen von
Gaeta kaperten, in dem von Ostia verbrannten, zu'el römische Prätoren ge¬
fangen nahmen! Die Summen. die sie durch Erpressung von Lösegeld (von
Cäsar verlangten sie. ohne ihn zu kennen, 20 Talente!) durch Plünderung und
durch Wegführung der Schätze aus den berühmtesten Tempeln zusammenrafften,
müssen ungeheuer gewesen sein. Wie Plutarch erwähnt, ertönten auch die Ge¬
stade des Meeres von ihrem Gesang, von dem Saiten- und Flötenspiel, wo¬
mit sie ihre Schmausereien und Zechgelage begleiteten. Der römischen Herr¬
schaft gegenüber zeigten sie sich am erbittertsten. Denn wenn ein Gefangener
sich darauf berief, baß er ein Römer sei und seinen Namen nannte, benebelten
sie Schrecken und Furcht, fielen ihm zu Füßen und baten um Verzeihung, so
daß el ein eine Sinneswandlung glaubte. Dann bekleideten sie ihn mit der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/117>, abgerufen am 23.07.2024.