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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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Toga und dem römischen Schuh, als ob er dadurch gegen abermalige Ver¬
rennung gesichert sein sollte. Endlich, nachdem sie ihn lange genug verspottet
hatten, legten sie mitten auf der See eine Leiter ins Wasser hinab und be¬
fahlen ihm, hinunterzustcigen und sich i" Frieden zu entfernen. Zögerte er,
den freiwilligen Tod zu wählen, so stießen sie ihn hinab. Pompejus der Große,
der mit ungemeiner Schnelligkeit und Energie das Mittelmeer von diesen Fli¬
bustiern säuberte, befreite endlich in Cilicien, ihrem Hauptfilme, eine große
Menge auf Lösegeld harrende Gefangene und sehr viele zum Schiffsbau gepreßte
Handwerker. Die Seeräuber selbst, von denen er 20,000 gefangen nahm, er¬
hielten Pardon und wurden größtentheils in Cilicien angesiedelt. Während
aber das Mittelmeer in der späteren Zeit mit Ausnahme kriegerischer Unruhen
ziemliche Sicherheit vor Piraten gewährte, klagt noch Strabo über die Frech¬
heit, mit welcher die im Nordosten des schwarzen Meeres vorhandenen Zygcn
und Heniochen das Flibusticrgcschäst betrieben. Ihre kleinen, nur fünfundzwanzig
bis dreißig Mann fassenden Schiffe hatte" weit über das Wasser hervorragende
und nach oben hin convergirende Nippen, die gewissermaßen ein Dach bildeten,
und waren so leicht, daß sie dieselben in die Wälder trugen und verbargen,
während sie ans Menschenraub ausgingen. In vielen Häfen des Bosporus
verkauften sie ungescheut ihre Beute und die römischen Gouverneure trafen ge¬
wöhnlich seltener Maßregeln zum Schutze ihrer Untergebenen als die Fürsten
selbständiger Länder.

Auch zu Lande war die Sicherheit der asiatischen Provinzen unter römischer
Herrschaft kaum größer, als heute. Von den Pamphyliern und Pisidicrn sagt
Strabo, daß sie zur Räuberei geneigt wäre". In Paphlogonic" fehlte es nicht
an Stämmen, die von hölzernen Thürmen aus die Reisenden überfielen. Ueber
den an der Grenze von Mysien, Vithynicn und Phrygien liegenden Berg
Olympos (Keschisch Dagh) heißt es bei demselben Geographen: "Aus seinen
Höhen find viele große Wälder und von Natur feste Plätze, die zu guten Zu-
fluchtsörtern für die Räuber sich eignen, welche sich hier oft eine geraume Zeit
gegen jeden Ueberfall der Feinde vertheidigt haben. Ein solcher war Kleon,
das Haupt aller Räuber zu unserer Zeit, aus dem Flecken Gordium gebürtig.
Zu seinem Raubschloß bediente er sich anfangs des sehr festen Castells Kallydion
und war dem Antonius sehr nützlich, indem er diejenigen, welche dem damaligen
Statthalter von Kleinasien, Labienus, die nöthigen Gelder z" liefern hatten,
überfiel und demselben alle Einkünfte abschnitt. Nach der Schlacht bei Antium
verließ er die Partei des Antonius und ging zu Augustus über, von dem er
größre Wohlthaten empfing, als er werth war. Denn Augustus fügte dem,
was er ohnehin durch die Freigebigkeit des Antonius besaß, neue Geschenke
hinzu, so daß er nun, während er vorher nur für einen Räuber galt, für einen
Fürsten angesehen wurde." Auch bei andern Gelegenheiten zeigten kleinasiatische


Toga und dem römischen Schuh, als ob er dadurch gegen abermalige Ver¬
rennung gesichert sein sollte. Endlich, nachdem sie ihn lange genug verspottet
hatten, legten sie mitten auf der See eine Leiter ins Wasser hinab und be¬
fahlen ihm, hinunterzustcigen und sich i» Frieden zu entfernen. Zögerte er,
den freiwilligen Tod zu wählen, so stießen sie ihn hinab. Pompejus der Große,
der mit ungemeiner Schnelligkeit und Energie das Mittelmeer von diesen Fli¬
bustiern säuberte, befreite endlich in Cilicien, ihrem Hauptfilme, eine große
Menge auf Lösegeld harrende Gefangene und sehr viele zum Schiffsbau gepreßte
Handwerker. Die Seeräuber selbst, von denen er 20,000 gefangen nahm, er¬
hielten Pardon und wurden größtentheils in Cilicien angesiedelt. Während
aber das Mittelmeer in der späteren Zeit mit Ausnahme kriegerischer Unruhen
ziemliche Sicherheit vor Piraten gewährte, klagt noch Strabo über die Frech¬
heit, mit welcher die im Nordosten des schwarzen Meeres vorhandenen Zygcn
und Heniochen das Flibusticrgcschäst betrieben. Ihre kleinen, nur fünfundzwanzig
bis dreißig Mann fassenden Schiffe hatte» weit über das Wasser hervorragende
und nach oben hin convergirende Nippen, die gewissermaßen ein Dach bildeten,
und waren so leicht, daß sie dieselben in die Wälder trugen und verbargen,
während sie ans Menschenraub ausgingen. In vielen Häfen des Bosporus
verkauften sie ungescheut ihre Beute und die römischen Gouverneure trafen ge¬
wöhnlich seltener Maßregeln zum Schutze ihrer Untergebenen als die Fürsten
selbständiger Länder.

Auch zu Lande war die Sicherheit der asiatischen Provinzen unter römischer
Herrschaft kaum größer, als heute. Von den Pamphyliern und Pisidicrn sagt
Strabo, daß sie zur Räuberei geneigt wäre». In Paphlogonic» fehlte es nicht
an Stämmen, die von hölzernen Thürmen aus die Reisenden überfielen. Ueber
den an der Grenze von Mysien, Vithynicn und Phrygien liegenden Berg
Olympos (Keschisch Dagh) heißt es bei demselben Geographen: „Aus seinen
Höhen find viele große Wälder und von Natur feste Plätze, die zu guten Zu-
fluchtsörtern für die Räuber sich eignen, welche sich hier oft eine geraume Zeit
gegen jeden Ueberfall der Feinde vertheidigt haben. Ein solcher war Kleon,
das Haupt aller Räuber zu unserer Zeit, aus dem Flecken Gordium gebürtig.
Zu seinem Raubschloß bediente er sich anfangs des sehr festen Castells Kallydion
und war dem Antonius sehr nützlich, indem er diejenigen, welche dem damaligen
Statthalter von Kleinasien, Labienus, die nöthigen Gelder z» liefern hatten,
überfiel und demselben alle Einkünfte abschnitt. Nach der Schlacht bei Antium
verließ er die Partei des Antonius und ging zu Augustus über, von dem er
größre Wohlthaten empfing, als er werth war. Denn Augustus fügte dem,
was er ohnehin durch die Freigebigkeit des Antonius besaß, neue Geschenke
hinzu, so daß er nun, während er vorher nur für einen Räuber galt, für einen
Fürsten angesehen wurde." Auch bei andern Gelegenheiten zeigten kleinasiatische


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[0118] Toga und dem römischen Schuh, als ob er dadurch gegen abermalige Ver¬ rennung gesichert sein sollte. Endlich, nachdem sie ihn lange genug verspottet hatten, legten sie mitten auf der See eine Leiter ins Wasser hinab und be¬ fahlen ihm, hinunterzustcigen und sich i» Frieden zu entfernen. Zögerte er, den freiwilligen Tod zu wählen, so stießen sie ihn hinab. Pompejus der Große, der mit ungemeiner Schnelligkeit und Energie das Mittelmeer von diesen Fli¬ bustiern säuberte, befreite endlich in Cilicien, ihrem Hauptfilme, eine große Menge auf Lösegeld harrende Gefangene und sehr viele zum Schiffsbau gepreßte Handwerker. Die Seeräuber selbst, von denen er 20,000 gefangen nahm, er¬ hielten Pardon und wurden größtentheils in Cilicien angesiedelt. Während aber das Mittelmeer in der späteren Zeit mit Ausnahme kriegerischer Unruhen ziemliche Sicherheit vor Piraten gewährte, klagt noch Strabo über die Frech¬ heit, mit welcher die im Nordosten des schwarzen Meeres vorhandenen Zygcn und Heniochen das Flibusticrgcschäst betrieben. Ihre kleinen, nur fünfundzwanzig bis dreißig Mann fassenden Schiffe hatte» weit über das Wasser hervorragende und nach oben hin convergirende Nippen, die gewissermaßen ein Dach bildeten, und waren so leicht, daß sie dieselben in die Wälder trugen und verbargen, während sie ans Menschenraub ausgingen. In vielen Häfen des Bosporus verkauften sie ungescheut ihre Beute und die römischen Gouverneure trafen ge¬ wöhnlich seltener Maßregeln zum Schutze ihrer Untergebenen als die Fürsten selbständiger Länder. Auch zu Lande war die Sicherheit der asiatischen Provinzen unter römischer Herrschaft kaum größer, als heute. Von den Pamphyliern und Pisidicrn sagt Strabo, daß sie zur Räuberei geneigt wäre». In Paphlogonic» fehlte es nicht an Stämmen, die von hölzernen Thürmen aus die Reisenden überfielen. Ueber den an der Grenze von Mysien, Vithynicn und Phrygien liegenden Berg Olympos (Keschisch Dagh) heißt es bei demselben Geographen: „Aus seinen Höhen find viele große Wälder und von Natur feste Plätze, die zu guten Zu- fluchtsörtern für die Räuber sich eignen, welche sich hier oft eine geraume Zeit gegen jeden Ueberfall der Feinde vertheidigt haben. Ein solcher war Kleon, das Haupt aller Räuber zu unserer Zeit, aus dem Flecken Gordium gebürtig. Zu seinem Raubschloß bediente er sich anfangs des sehr festen Castells Kallydion und war dem Antonius sehr nützlich, indem er diejenigen, welche dem damaligen Statthalter von Kleinasien, Labienus, die nöthigen Gelder z» liefern hatten, überfiel und demselben alle Einkünfte abschnitt. Nach der Schlacht bei Antium verließ er die Partei des Antonius und ging zu Augustus über, von dem er größre Wohlthaten empfing, als er werth war. Denn Augustus fügte dem, was er ohnehin durch die Freigebigkeit des Antonius besaß, neue Geschenke hinzu, so daß er nun, während er vorher nur für einen Räuber galt, für einen Fürsten angesehen wurde." Auch bei andern Gelegenheiten zeigten kleinasiatische

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/118>, abgerufen am 23.07.2024.