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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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-- als die Feder niedergelegt haben soll, da ihm von einer Synode nur diese
Wahl gelassen wurde, schildert in seinen "Äthiopischen Geschichten" ein gro߬
artiges Räubernest an der Küste von Aegypten. "Die ganze Gegend," heißt
es bei ihm. "wird von den Aegyptern das Hirtenland genannt. Es ist dies
aber eine Vertiefung des Erdreichs, welche Ueberströmungen des Nils in sich
aufnimmt und zu einem See wird, der in der Mitte eine unermeßliche Tiefe
hat, aber in einen Sumpf ausgeht. In diesem wohnt alles, was bei den
Aegyptern vom Raube lebt. Der Eine hat sich auf einem Fleckchen Land, das
etwa aus dem Wasser emporragte, eine Hütte gebaut; ein Andrer lebt auf einer
Barke, die ihm als Nachen und Wohnung dient; auf dieser wirthschaften die
Frauen, auf ihr gebaren sie." Die Strandräuber selbst beschreibt er als schwarze
Gestalten mit düsteren Gesichtern und lang flatternden Haaren. Ihre Beute
theilten sie nicht nach dem eigentlichen Werth, sondern nach dem Gewicht und
auf einer Insel hatten sie mühsam eine kunstvoll verborgene und vielfach ver¬
schlungene Höhle zu deren Aufbewahrung aufgegraben, Zu Scnecas Zeit gab
es in Aegypten eine Art Straßenräuber, die man Phileten oder Liebende nannte,
weil sie die Begegnenden umarmten -- um sie zu erdrosseln. Heliodor schildert
auch den Angriff eines Seeräubers auf ein von Zarte nach Afrika segelndes
Kauffariheischlff. "Da sich jetzt Frühlingslüfte erhoben," schreibt er, "segelten
wir Tag und Nacht und der Steuermann lenkte das Schiff gerade nach Libyen
hin; denn er sagte, bei so günstigem Winde sei es möglich, das Meer in ge¬
rader Richtung zu durchschneiden; auch thue es noth, Land und Hafen zu ge¬
winnen, da sich im Rücken ein Schiff zeige, das er für einen Kaper halte.
Seitdem wir, sagic er. das kretische Vorgebirge verlassen haben, folgt es uns
auf der Spur und segelt unverrückt denselben Kurs. Auch habe ich bemerkt,
daß es öfters um uns vvrübergesegelt ist, wenn ich unser Schiff bisweilen ab¬
sichtlich von der geraden Richtung ablenkte. Diese Worte machten auf Viele
Eindruck, und diese forderten die Mannschaft auf, sich zur Vertheidigung zu
rüsten, Andere nahmen die Sache ganz leicht. Es sei. sagten sie, auf dem Meere
gewöhnlich, daß die kleineren Fahrzeuge den größeren Lastschiffen folgten, weil
diese mit größerer Erfahrung gelenkt würden. Während nun hierüber von beiden
Seiten gestritten wurde und die Sonne sich neigte, ließ die Heftigkeit des Windes
nach und mit der eintretenden Stille näherte sich das Schiff ungemein schnell
mit Hilfe seiner Rudcrkraft, Bei seiner Annäherung rief einer von den Zan-
tiern: Da haben wirs! Wir sind verloren: es ist ein Naubschiff! Bei dieser
Nachricht gerieth unser Fahrzeug in große Bewegung und trotz der Windstille
füllte eS sich mit Sturm und Wellen; grosser Lärm, Wehklagen, Geschrei und
Hin- und Herrufen tobte darin. Die Einen verbargen sich im Schiffsraum, die
Andern ermunterten sich zum Verdccktampf, Einige wollten in das Beiboot sprin¬
gen und entfliehen. Unterdessen näherten sich die Räuber und drangen in schräger


— als die Feder niedergelegt haben soll, da ihm von einer Synode nur diese
Wahl gelassen wurde, schildert in seinen „Äthiopischen Geschichten" ein gro߬
artiges Räubernest an der Küste von Aegypten. „Die ganze Gegend," heißt
es bei ihm. „wird von den Aegyptern das Hirtenland genannt. Es ist dies
aber eine Vertiefung des Erdreichs, welche Ueberströmungen des Nils in sich
aufnimmt und zu einem See wird, der in der Mitte eine unermeßliche Tiefe
hat, aber in einen Sumpf ausgeht. In diesem wohnt alles, was bei den
Aegyptern vom Raube lebt. Der Eine hat sich auf einem Fleckchen Land, das
etwa aus dem Wasser emporragte, eine Hütte gebaut; ein Andrer lebt auf einer
Barke, die ihm als Nachen und Wohnung dient; auf dieser wirthschaften die
Frauen, auf ihr gebaren sie." Die Strandräuber selbst beschreibt er als schwarze
Gestalten mit düsteren Gesichtern und lang flatternden Haaren. Ihre Beute
theilten sie nicht nach dem eigentlichen Werth, sondern nach dem Gewicht und
auf einer Insel hatten sie mühsam eine kunstvoll verborgene und vielfach ver¬
schlungene Höhle zu deren Aufbewahrung aufgegraben, Zu Scnecas Zeit gab
es in Aegypten eine Art Straßenräuber, die man Phileten oder Liebende nannte,
weil sie die Begegnenden umarmten — um sie zu erdrosseln. Heliodor schildert
auch den Angriff eines Seeräubers auf ein von Zarte nach Afrika segelndes
Kauffariheischlff. „Da sich jetzt Frühlingslüfte erhoben," schreibt er, „segelten
wir Tag und Nacht und der Steuermann lenkte das Schiff gerade nach Libyen
hin; denn er sagte, bei so günstigem Winde sei es möglich, das Meer in ge¬
rader Richtung zu durchschneiden; auch thue es noth, Land und Hafen zu ge¬
winnen, da sich im Rücken ein Schiff zeige, das er für einen Kaper halte.
Seitdem wir, sagic er. das kretische Vorgebirge verlassen haben, folgt es uns
auf der Spur und segelt unverrückt denselben Kurs. Auch habe ich bemerkt,
daß es öfters um uns vvrübergesegelt ist, wenn ich unser Schiff bisweilen ab¬
sichtlich von der geraden Richtung ablenkte. Diese Worte machten auf Viele
Eindruck, und diese forderten die Mannschaft auf, sich zur Vertheidigung zu
rüsten, Andere nahmen die Sache ganz leicht. Es sei. sagten sie, auf dem Meere
gewöhnlich, daß die kleineren Fahrzeuge den größeren Lastschiffen folgten, weil
diese mit größerer Erfahrung gelenkt würden. Während nun hierüber von beiden
Seiten gestritten wurde und die Sonne sich neigte, ließ die Heftigkeit des Windes
nach und mit der eintretenden Stille näherte sich das Schiff ungemein schnell
mit Hilfe seiner Rudcrkraft, Bei seiner Annäherung rief einer von den Zan-
tiern: Da haben wirs! Wir sind verloren: es ist ein Naubschiff! Bei dieser
Nachricht gerieth unser Fahrzeug in große Bewegung und trotz der Windstille
füllte eS sich mit Sturm und Wellen; grosser Lärm, Wehklagen, Geschrei und
Hin- und Herrufen tobte darin. Die Einen verbargen sich im Schiffsraum, die
Andern ermunterten sich zum Verdccktampf, Einige wollten in das Beiboot sprin¬
gen und entfliehen. Unterdessen näherten sich die Räuber und drangen in schräger


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/116>, abgerufen am 23.07.2024.