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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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Knütteln, Schwertern und Lanzen bewaffnet hervor; Fackeln , Kerzen, Laternen
machen die Nacht zum Tage; große Jagdhunde werden auf den unglücklichen
Bären gehetzt, kurz Tbrasylevn ist gezwungen, entweder die angenommene Rolle
zu Ende zu spielen oder durch Gestcindniß sich aus seine Menschenwürde zu
berufen, was ihm freilich ohne Zweifel denselben qualvollen Tod, nur einige
Wochen später, gebracht haben würde. Er wählte das Erste, kämpfte muthig.
bald angreifend bald zurückweichend gegen die feindliche Uebermacht und gewann
endlich, aus mancher Wunde blutend, das Freie. Doch hier erwarteten ihn
die Hunde der ganzen Nachbarschaft und endlich durchbohrte eine Lanze aus
der Hand eines wüthenden Insassen des bestohlenen Hauses den bis zum letzten
Athemzug nach Bärenart brüllenden Räuber.

Während bei den erwähnte" Abenteuern die Räuber rottenweise agirten,
begaben sich auch einzelne auf Kundschaft und lieferten das Geld, das sie auf
eigene Faust den Reisenden abnahmen, an die gemeinschaftliche Kasse ab. End¬
lich aber ereilte die ganze Bande das Verderben. Sie hatten nämlich mitten
aus einem reichen Hochzeitshause am hellen Tag die Braut entführt, um von
den Eltern ein großes Lösegeld zu erpressen, und der Bräutigam, ein starker
und muthiger Mann, entschloß sich das Aeußerste zu wagen und sich selbst unter
dem Schein eines Handwerksgenossen zu den Feinde" zu begeben, was ihm um
so leichter gelang, als die Räuber gerade darauf ausgingen, durch Werbung
ihre geschwundene Zahl zu ergänzen. Er führte sich sogleich bei ihnen als
Räuberhauptmann ersten Rangs ein. "Ich habe eine sehr tapfre Schaar com-
mandirt," sprach er, "und ganz Macedonien ausgeplündert. Ich bin der be¬
rühmte Räuber Hämvs aus Thracien, vor dessen Namen ganze Provinzen zit¬
tern; ich stamme von einem ebenfalls ruhmreichen Bandcnführer ab, bin mit
Menschenblut genährt worden, habe meine Erziehung in der Compagnie erhalten,
als Erbe und Rival der väterlichen Tüchtigkeit." Nach diesen großsprecherischer
Einleitung, deren Ton aber vielleicht für solche Kreise in jener Zeit charakte¬
ristisch war, gab er als Grund seiner Flucht nach Süden an, seine ganze Bande
sei von kaiserlichen Soldaten vernichtet worden, nachdem sie dnrch Beraubung
einer vornehmen römischen Beamtenfamilie den speciellen Zorn des Kaisers auf
sich gezogen hätte. Sein Anerbieten, an die Spitze der verwaisten Bande zu
treten, wird mit stürmischer Freude angenommen, um so mehr, als er ein paar
tausend Goldstücke mitbringt. Das Uebrige läßt sich leicht errathen. Bei dem
großen Verorüderungsschmause, den man sogleich anstellte, zeigt der neue Führer
auch seine Geschicklichkeit als Koch und Mundschenk, bringt aber den Kameraden
so viel betäubende Mittel bei, daß sie schließlich alle in Morpheus' Armen sich
von einem Manne fesseln lassen und der Justiz übergeben werden.

Heliodor, ein im vierten Jahrhundert nach Christo lebender Romanschrift¬
steller, der lieber den Krummstab -- er war Bischof von Trikka in Thessalien


Grenzboten I. 18"S. ^

Knütteln, Schwertern und Lanzen bewaffnet hervor; Fackeln , Kerzen, Laternen
machen die Nacht zum Tage; große Jagdhunde werden auf den unglücklichen
Bären gehetzt, kurz Tbrasylevn ist gezwungen, entweder die angenommene Rolle
zu Ende zu spielen oder durch Gestcindniß sich aus seine Menschenwürde zu
berufen, was ihm freilich ohne Zweifel denselben qualvollen Tod, nur einige
Wochen später, gebracht haben würde. Er wählte das Erste, kämpfte muthig.
bald angreifend bald zurückweichend gegen die feindliche Uebermacht und gewann
endlich, aus mancher Wunde blutend, das Freie. Doch hier erwarteten ihn
die Hunde der ganzen Nachbarschaft und endlich durchbohrte eine Lanze aus
der Hand eines wüthenden Insassen des bestohlenen Hauses den bis zum letzten
Athemzug nach Bärenart brüllenden Räuber.

Während bei den erwähnte» Abenteuern die Räuber rottenweise agirten,
begaben sich auch einzelne auf Kundschaft und lieferten das Geld, das sie auf
eigene Faust den Reisenden abnahmen, an die gemeinschaftliche Kasse ab. End¬
lich aber ereilte die ganze Bande das Verderben. Sie hatten nämlich mitten
aus einem reichen Hochzeitshause am hellen Tag die Braut entführt, um von
den Eltern ein großes Lösegeld zu erpressen, und der Bräutigam, ein starker
und muthiger Mann, entschloß sich das Aeußerste zu wagen und sich selbst unter
dem Schein eines Handwerksgenossen zu den Feinde» zu begeben, was ihm um
so leichter gelang, als die Räuber gerade darauf ausgingen, durch Werbung
ihre geschwundene Zahl zu ergänzen. Er führte sich sogleich bei ihnen als
Räuberhauptmann ersten Rangs ein. „Ich habe eine sehr tapfre Schaar com-
mandirt," sprach er, „und ganz Macedonien ausgeplündert. Ich bin der be¬
rühmte Räuber Hämvs aus Thracien, vor dessen Namen ganze Provinzen zit¬
tern; ich stamme von einem ebenfalls ruhmreichen Bandcnführer ab, bin mit
Menschenblut genährt worden, habe meine Erziehung in der Compagnie erhalten,
als Erbe und Rival der väterlichen Tüchtigkeit." Nach diesen großsprecherischer
Einleitung, deren Ton aber vielleicht für solche Kreise in jener Zeit charakte¬
ristisch war, gab er als Grund seiner Flucht nach Süden an, seine ganze Bande
sei von kaiserlichen Soldaten vernichtet worden, nachdem sie dnrch Beraubung
einer vornehmen römischen Beamtenfamilie den speciellen Zorn des Kaisers auf
sich gezogen hätte. Sein Anerbieten, an die Spitze der verwaisten Bande zu
treten, wird mit stürmischer Freude angenommen, um so mehr, als er ein paar
tausend Goldstücke mitbringt. Das Uebrige läßt sich leicht errathen. Bei dem
großen Verorüderungsschmause, den man sogleich anstellte, zeigt der neue Führer
auch seine Geschicklichkeit als Koch und Mundschenk, bringt aber den Kameraden
so viel betäubende Mittel bei, daß sie schließlich alle in Morpheus' Armen sich
von einem Manne fesseln lassen und der Justiz übergeben werden.

Heliodor, ein im vierten Jahrhundert nach Christo lebender Romanschrift¬
steller, der lieber den Krummstab — er war Bischof von Trikka in Thessalien


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[0115] Knütteln, Schwertern und Lanzen bewaffnet hervor; Fackeln , Kerzen, Laternen machen die Nacht zum Tage; große Jagdhunde werden auf den unglücklichen Bären gehetzt, kurz Tbrasylevn ist gezwungen, entweder die angenommene Rolle zu Ende zu spielen oder durch Gestcindniß sich aus seine Menschenwürde zu berufen, was ihm freilich ohne Zweifel denselben qualvollen Tod, nur einige Wochen später, gebracht haben würde. Er wählte das Erste, kämpfte muthig. bald angreifend bald zurückweichend gegen die feindliche Uebermacht und gewann endlich, aus mancher Wunde blutend, das Freie. Doch hier erwarteten ihn die Hunde der ganzen Nachbarschaft und endlich durchbohrte eine Lanze aus der Hand eines wüthenden Insassen des bestohlenen Hauses den bis zum letzten Athemzug nach Bärenart brüllenden Räuber. Während bei den erwähnte» Abenteuern die Räuber rottenweise agirten, begaben sich auch einzelne auf Kundschaft und lieferten das Geld, das sie auf eigene Faust den Reisenden abnahmen, an die gemeinschaftliche Kasse ab. End¬ lich aber ereilte die ganze Bande das Verderben. Sie hatten nämlich mitten aus einem reichen Hochzeitshause am hellen Tag die Braut entführt, um von den Eltern ein großes Lösegeld zu erpressen, und der Bräutigam, ein starker und muthiger Mann, entschloß sich das Aeußerste zu wagen und sich selbst unter dem Schein eines Handwerksgenossen zu den Feinde» zu begeben, was ihm um so leichter gelang, als die Räuber gerade darauf ausgingen, durch Werbung ihre geschwundene Zahl zu ergänzen. Er führte sich sogleich bei ihnen als Räuberhauptmann ersten Rangs ein. „Ich habe eine sehr tapfre Schaar com- mandirt," sprach er, „und ganz Macedonien ausgeplündert. Ich bin der be¬ rühmte Räuber Hämvs aus Thracien, vor dessen Namen ganze Provinzen zit¬ tern; ich stamme von einem ebenfalls ruhmreichen Bandcnführer ab, bin mit Menschenblut genährt worden, habe meine Erziehung in der Compagnie erhalten, als Erbe und Rival der väterlichen Tüchtigkeit." Nach diesen großsprecherischer Einleitung, deren Ton aber vielleicht für solche Kreise in jener Zeit charakte¬ ristisch war, gab er als Grund seiner Flucht nach Süden an, seine ganze Bande sei von kaiserlichen Soldaten vernichtet worden, nachdem sie dnrch Beraubung einer vornehmen römischen Beamtenfamilie den speciellen Zorn des Kaisers auf sich gezogen hätte. Sein Anerbieten, an die Spitze der verwaisten Bande zu treten, wird mit stürmischer Freude angenommen, um so mehr, als er ein paar tausend Goldstücke mitbringt. Das Uebrige läßt sich leicht errathen. Bei dem großen Verorüderungsschmause, den man sogleich anstellte, zeigt der neue Führer auch seine Geschicklichkeit als Koch und Mundschenk, bringt aber den Kameraden so viel betäubende Mittel bei, daß sie schließlich alle in Morpheus' Armen sich von einem Manne fesseln lassen und der Justiz übergeben werden. Heliodor, ein im vierten Jahrhundert nach Christo lebender Romanschrift¬ steller, der lieber den Krummstab — er war Bischof von Trikka in Thessalien Grenzboten I. 18«S. ^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/115>, abgerufen am 23.07.2024.