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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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essen Englands gestaltet wurden, sind zurückgegangen. Die Zustände Indiens,
der Türkei und Portugals werden von Carey unermüdlich als Zeugnisse des von
der englischen Centralisation ausgehenden Verderbens vorgeführt. Es ist nicht
blos die bekannte Colonialpolitik Englands, welche mehr als jede andere den
Wohlstand der unterworfenen Völker theils vernichtet, theils unterdrückt hat;
es ist auch der mehr mittelbare Einfluß Großbritanniens auf die relativ selbstän¬
digen Völker, was die Volkswirthschaft eines beträchlichen Theils der civilisirten
Welt benachtheiligt und schließlich dem Urheber des Uebels, dem stolzen Insel-
reiche selbst gefährlich geworden ist.

Das Princip der wirthschaftlichen Centralisation bringt sich in folgenden
Grundsätzen zur Geltung: die erste Regel schreibt vor, die industrielle Entwick¬
lung anderer Völker so viel als möglich unterdrückt zu halten. Auf diese Weise
wird für die Centralfabrik ein Monopol geschaffen. Die entfernten Nationen
werden genöthigt, ihre Bodencrzcugnissc über den Ocean zu senden, um sie dann
verarbeitet und durch den doppelten Transport sowie durch allerlei Steuern und
durch ein Heer von prvsitmachenden Mittelspersonen vertheuert wieder zu kaufen.

Die zweite Regel hängt mit jener ersten eng zusammen und ist so zu sagen
das positive Gegenstück derselben. Colonien und mittelbar unterwürfige Völker
werden angetrieben, alle ihre Kräfte auf die Erzeugung von Rohstoffen zu wen¬
den und diese Rohstoffe dann nach der Centralstättc zu schicken. Auf diese Weise
erwächst nicht nur ein großer Transportgewinn für den Beherrscher des Han¬
delsapparates d. h. den Inhaber der mächtigsten Flotte, sondern es wird auch
eine übermäßige Concurrenz im Angebote jener fremden Vodenproducte hervor¬
gerufen und so der Preis des Rohmaterials künstlich gedrückt. Niedrige Preise
der Rohstoffe und ebenso unnatürlich gedrückte Arbeitslöhne sind nun aber die
beiden wichtigsten Erfordernisse einer sich zum Schwerpunkt aller wirthschaftlichen
Kräfte machenden Centralindustrie. Der Fabrikherr und Händler kennen als
solche zunächst nur einen einzigen Calcül: sind die Rohstoffe und die Arbeit
billig, so können sie auf dem Weltmärkte ungeheure Gewinne erzielen.
Es ist daher kein Wunder, daß diese socialen Classen stets auf die Erniedrigung
des Preises der Rohstoffe und der Arbeit hinwirken. Großbritannien ist nun
als ein einziger großer Fabrikherr und Handelsmann zu betrachten, dessen Po¬
litik billig im angedeuteten Sinne ausfallen mußte. Man würde den Englän¬
dern Unrecht thun, wenn man sie unmittelbar für die Folgen der einmal voll¬
zogenen Centralisation verantwortlich machen wollte. Das Uebel, gegen wei¬
ches Carey ankämpft, ist die Duldung dieser Centralisation von Seiten der an¬
dern Völker. Der Umstand, daß England sich zum Mittelpunkt der Fabrik¬
industrie und des Handels gemacht hat, ist schon das ganze Verderben, und
die einzelnen Maßregeln der Handelspolitik sind unvermeidliche Consequenzen
dieses Umstandes.


essen Englands gestaltet wurden, sind zurückgegangen. Die Zustände Indiens,
der Türkei und Portugals werden von Carey unermüdlich als Zeugnisse des von
der englischen Centralisation ausgehenden Verderbens vorgeführt. Es ist nicht
blos die bekannte Colonialpolitik Englands, welche mehr als jede andere den
Wohlstand der unterworfenen Völker theils vernichtet, theils unterdrückt hat;
es ist auch der mehr mittelbare Einfluß Großbritanniens auf die relativ selbstän¬
digen Völker, was die Volkswirthschaft eines beträchlichen Theils der civilisirten
Welt benachtheiligt und schließlich dem Urheber des Uebels, dem stolzen Insel-
reiche selbst gefährlich geworden ist.

Das Princip der wirthschaftlichen Centralisation bringt sich in folgenden
Grundsätzen zur Geltung: die erste Regel schreibt vor, die industrielle Entwick¬
lung anderer Völker so viel als möglich unterdrückt zu halten. Auf diese Weise
wird für die Centralfabrik ein Monopol geschaffen. Die entfernten Nationen
werden genöthigt, ihre Bodencrzcugnissc über den Ocean zu senden, um sie dann
verarbeitet und durch den doppelten Transport sowie durch allerlei Steuern und
durch ein Heer von prvsitmachenden Mittelspersonen vertheuert wieder zu kaufen.

Die zweite Regel hängt mit jener ersten eng zusammen und ist so zu sagen
das positive Gegenstück derselben. Colonien und mittelbar unterwürfige Völker
werden angetrieben, alle ihre Kräfte auf die Erzeugung von Rohstoffen zu wen¬
den und diese Rohstoffe dann nach der Centralstättc zu schicken. Auf diese Weise
erwächst nicht nur ein großer Transportgewinn für den Beherrscher des Han¬
delsapparates d. h. den Inhaber der mächtigsten Flotte, sondern es wird auch
eine übermäßige Concurrenz im Angebote jener fremden Vodenproducte hervor¬
gerufen und so der Preis des Rohmaterials künstlich gedrückt. Niedrige Preise
der Rohstoffe und ebenso unnatürlich gedrückte Arbeitslöhne sind nun aber die
beiden wichtigsten Erfordernisse einer sich zum Schwerpunkt aller wirthschaftlichen
Kräfte machenden Centralindustrie. Der Fabrikherr und Händler kennen als
solche zunächst nur einen einzigen Calcül: sind die Rohstoffe und die Arbeit
billig, so können sie auf dem Weltmärkte ungeheure Gewinne erzielen.
Es ist daher kein Wunder, daß diese socialen Classen stets auf die Erniedrigung
des Preises der Rohstoffe und der Arbeit hinwirken. Großbritannien ist nun
als ein einziger großer Fabrikherr und Handelsmann zu betrachten, dessen Po¬
litik billig im angedeuteten Sinne ausfallen mußte. Man würde den Englän¬
dern Unrecht thun, wenn man sie unmittelbar für die Folgen der einmal voll¬
zogenen Centralisation verantwortlich machen wollte. Das Uebel, gegen wei¬
ches Carey ankämpft, ist die Duldung dieser Centralisation von Seiten der an¬
dern Völker. Der Umstand, daß England sich zum Mittelpunkt der Fabrik¬
industrie und des Handels gemacht hat, ist schon das ganze Verderben, und
die einzelnen Maßregeln der Handelspolitik sind unvermeidliche Consequenzen
dieses Umstandes.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/51>, abgerufen am 03.07.2024.