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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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werdende Deutschland. Das Drängen des deutschen Volkes, die Thaten eines
deutschen Heeres haben die Herzogtümer aus der dänischen Knechtschaft befreit,
nicht un, Alter schönen 'Augen willen, sondern damit sie ein Glied Deutschlands,
dessen Ehren theilhaft, aber auch dessen Interessen dienstbar werden. Und ebenso
sehr liegt der Eintritt Schleswig-Holsteins in die handelspolitische Union der
Demschen im eignen Interesse der Herzogthümer. Ihre Unabhängigkeit von
Dänemark ist von Europa noch keineswegs unwiderruflich zugestanden, so haben
sie alle Ursache, sich mit so festen Banden an Deutschland anzuschließen, als
irgend möglich, und eins der festesten Bande ist die Zolleinheit.

Und wenn auch Bedenken aus n a lion a l ö kom o misch er Rücksichten auf¬
stiegen, politische Rücksichten müßten sie zu unterdrücken gebieten. Allein solcher
Bedenken giebt es nur wenige, und darunter ist kaum eines, welches sich bei
näherer Betrachtung erhielte. Man sorgt sich hier und da, daß die Zölle des
Zollvereins auf einige Artikel, namentlich auf Colonialwaaren, zu sehr drücken
möchten, aber man sehe sich Hannover und Oldenburg an, Länder, die ähnliche
Consumtionsverbältnisse wie Schleswig-Holstein haben, und die sich im Zoll¬
verein vollkommen wohl befinden. Der alte träge Schlendrian unter den Handwer¬
kern wird nach dem Anschluß an das rege Leben des Vereins bald seine letzten
Tage sehen, aber wer wollte sein Verschwinden beklagen? Von künstlich auf¬
gezogener Großindustrie weiß man in Schleswig-Holstein nicht viel, und was
davon vorhanden ist, kann sich entweder halten oder ist nicht sehr zu bedauern,
wenn es zu Grunde geht. Die allerdings sehr bedeutenden Tuchfabriken in
Neumünster haben, der bestimmten Versicherung dabei Betheiligter zufolge, die
Concurrenz der zvllvereinsländischen Etablissements ähnlicher Art durchaus nicht
zu scheuen. Die Frage ferner, ob im Fall des Anschlusses der Herzogthümer
an das preußische Zoll- und Brennereisystem die Schleswig-holsteinischen Brant-
weinbrenner Nachtheile zu fürchten haben, ist sicher zu bejahen. Die Brenne¬
reien in Schleswig-Holstein sind hinter denen andrer Länder nicht zurückgeblieben.
Sie haben sich nickt blos mit den neuesten Apparaten versehen, sondern sind
auch in jeder andern Hinsicht zweckmäßig eingerichtet. Das Gewerbe wird
durchweg nach rationellen Grundsätzen betrieben, und was man anderswo aus
einer bestimmten Quantität Korn oder Kartoffeln an Sprit erzielt, wird auch
hier gewonnen. Sind daher die Verhältnisse im Uebrigen, sind namentlich die
Preise der Roh- und Hilfsstosse und der Stand des Arbeitslohns sich ungefähr
hüben und drüben gleich, so ist für diese Industrie keinerlei Gefahr zu befürch¬
ten. Und daß dies in der That nicht der Fall ist, beweist die Thatsache, daß
von den Schleswig-holsteinischen Brantwcinbrennern wie von den preußischen Sprit
nach dem neutralen Hamburger Markte verkauft wird. Daß jene, bereits an
strenge Ordnung gewöhnt, sich ohne Mühe in die preußischen Controlanord-
nungcn finden werden, leidet leinen Zweifel. Die Erhöhung der Steuer um


werdende Deutschland. Das Drängen des deutschen Volkes, die Thaten eines
deutschen Heeres haben die Herzogtümer aus der dänischen Knechtschaft befreit,
nicht un, Alter schönen 'Augen willen, sondern damit sie ein Glied Deutschlands,
dessen Ehren theilhaft, aber auch dessen Interessen dienstbar werden. Und ebenso
sehr liegt der Eintritt Schleswig-Holsteins in die handelspolitische Union der
Demschen im eignen Interesse der Herzogthümer. Ihre Unabhängigkeit von
Dänemark ist von Europa noch keineswegs unwiderruflich zugestanden, so haben
sie alle Ursache, sich mit so festen Banden an Deutschland anzuschließen, als
irgend möglich, und eins der festesten Bande ist die Zolleinheit.

Und wenn auch Bedenken aus n a lion a l ö kom o misch er Rücksichten auf¬
stiegen, politische Rücksichten müßten sie zu unterdrücken gebieten. Allein solcher
Bedenken giebt es nur wenige, und darunter ist kaum eines, welches sich bei
näherer Betrachtung erhielte. Man sorgt sich hier und da, daß die Zölle des
Zollvereins auf einige Artikel, namentlich auf Colonialwaaren, zu sehr drücken
möchten, aber man sehe sich Hannover und Oldenburg an, Länder, die ähnliche
Consumtionsverbältnisse wie Schleswig-Holstein haben, und die sich im Zoll¬
verein vollkommen wohl befinden. Der alte träge Schlendrian unter den Handwer¬
kern wird nach dem Anschluß an das rege Leben des Vereins bald seine letzten
Tage sehen, aber wer wollte sein Verschwinden beklagen? Von künstlich auf¬
gezogener Großindustrie weiß man in Schleswig-Holstein nicht viel, und was
davon vorhanden ist, kann sich entweder halten oder ist nicht sehr zu bedauern,
wenn es zu Grunde geht. Die allerdings sehr bedeutenden Tuchfabriken in
Neumünster haben, der bestimmten Versicherung dabei Betheiligter zufolge, die
Concurrenz der zvllvereinsländischen Etablissements ähnlicher Art durchaus nicht
zu scheuen. Die Frage ferner, ob im Fall des Anschlusses der Herzogthümer
an das preußische Zoll- und Brennereisystem die Schleswig-holsteinischen Brant-
weinbrenner Nachtheile zu fürchten haben, ist sicher zu bejahen. Die Brenne¬
reien in Schleswig-Holstein sind hinter denen andrer Länder nicht zurückgeblieben.
Sie haben sich nickt blos mit den neuesten Apparaten versehen, sondern sind
auch in jeder andern Hinsicht zweckmäßig eingerichtet. Das Gewerbe wird
durchweg nach rationellen Grundsätzen betrieben, und was man anderswo aus
einer bestimmten Quantität Korn oder Kartoffeln an Sprit erzielt, wird auch
hier gewonnen. Sind daher die Verhältnisse im Uebrigen, sind namentlich die
Preise der Roh- und Hilfsstosse und der Stand des Arbeitslohns sich ungefähr
hüben und drüben gleich, so ist für diese Industrie keinerlei Gefahr zu befürch¬
ten. Und daß dies in der That nicht der Fall ist, beweist die Thatsache, daß
von den Schleswig-holsteinischen Brantwcinbrennern wie von den preußischen Sprit
nach dem neutralen Hamburger Markte verkauft wird. Daß jene, bereits an
strenge Ordnung gewöhnt, sich ohne Mühe in die preußischen Controlanord-
nungcn finden werden, leidet leinen Zweifel. Die Erhöhung der Steuer um


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/488>, abgerufen am 03.07.2024.