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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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October 1678 indeß wurde der Paß erruft; die schwedische Armee zog, 16,000
Manu stark, unter General Heinrich Horn von Riga her durch Scimogitien auf Memel
zu. einzig gehindert durch Pan, dessen kleine Armee jedoch nur ausreichte, die
Marschroute einzuengen und damit die Verpflegung zu erschweren. Die Schwäche
des Herzogs von Curland, die Unzuverlässigkeit Polens, wo am Hofe Johann
Svbieskis allerhand französisch-sclnvcdische Umtriebe im Gang waren, machte
diesen Einfall der Schweden höchst gefährlich. Ueberdies war Preußen nicht
stark genug bewehrt, um auch nur kurze Zeit aus eigenen Kräften widerstehen
zu tonnen, und die Haltung der dortigen Milizen zeigte sich leider über Er¬
warten schlecht, Der Statthalter, Herzog von Croy, konnte nicht verhüten,
das; sie sehr bedenklich hinter ihrer Pflicht zurückblicken, ja sogar stark desertirten.
Nun war, da man die Drohung der Schweden kannte, schon lange einige Vor¬
kehrung getroffen worden, aber was im vorigen Jahre an Truppen zur Unter¬
stützung hatte versendet werden können, war bei der Concentration, die der
pommersche Krieg erforderte, immerhin mangelhaft. Jetzt erst, im November,
war es möglich, ein stärkeres Corps nach Preußen zu werfen. Unter Derff-
linger, Götze, Promnitz, Schöning und Treffenfeld (weiland Henning, der für
hellre Bravour bei Fehrbellin geadelt war) setzte sich die Truppe, welche nur
auserlesene Mannschaften und doppelten Ofsiziersetat enthielt und 34 Ge¬
schütze mitnahm, von Pommern aus in Bewegung. Görtzke war ihnen
bereits mit einiger Kavallerie nach Königsberg vorausgeeilt. Am 30. Decem¬
ber Nachmittags brach der Kurfürst von Berlin auf, um sich mit der Ar¬
mee zu vereinigen. Mit der Kurfürstin und dem Kurprinzen, die sich ihm an¬
schlössen, begab er sich am 1. Januar 1679 nach Cüstri". Von hier wurde Buch
'urd Befehlen an Görtzke abgeschickt. Er hatte strenge Weisung, niemandem zu sagen,
daß der Kurfürst so schnell folge; er sollte vielmehr vorgeben, derselbe sei nach
Berlin umgekehrt. Die Absicht war, den Feind durch diese falsche Nachricht
von einem Rückzüge abzuhalten. Die Strapazen jener Reise gaben Buch einen
schlimmen Begriff davon, was eS auf sich haben werde, in diesen Gegenden
einen Winterfeldzug zu bestehn. Ungefährdet aber und ohne gerade beunruhigende
Bemerkungen zu machen durchreiste er das (damals noch polnische) Pomerellen,
fand in Dcinzig die Stimmung durchaus nicht gefährlich und noch weniger die
Besatzung der Stadt; als er jedoch am 8. nach Jungferndorf bei Königsberg
kam, wo der Generallcutenant Görtzke sein Quartier hatte, erhielt er sehr mi߬
liche Aufklärungen über die Haltung des Herzogthums Preußen; Briefe aus
Königsberg an den schwedischen General waren aufgefangen, die sogar ver¬
räterisches Einvernehmen mit dem Feinde bekundeten. Zu seiner Beruhigung
fand Buch dagegen die brandenburgischen Truppen in weit besserem Zustande als
er vermuthet hatte, während Gefangene des Feindes übereinstimmend merken
ließen, daß die Schweden sich ziemlich kläglich befanden.


October 1678 indeß wurde der Paß erruft; die schwedische Armee zog, 16,000
Manu stark, unter General Heinrich Horn von Riga her durch Scimogitien auf Memel
zu. einzig gehindert durch Pan, dessen kleine Armee jedoch nur ausreichte, die
Marschroute einzuengen und damit die Verpflegung zu erschweren. Die Schwäche
des Herzogs von Curland, die Unzuverlässigkeit Polens, wo am Hofe Johann
Svbieskis allerhand französisch-sclnvcdische Umtriebe im Gang waren, machte
diesen Einfall der Schweden höchst gefährlich. Ueberdies war Preußen nicht
stark genug bewehrt, um auch nur kurze Zeit aus eigenen Kräften widerstehen
zu tonnen, und die Haltung der dortigen Milizen zeigte sich leider über Er¬
warten schlecht, Der Statthalter, Herzog von Croy, konnte nicht verhüten,
das; sie sehr bedenklich hinter ihrer Pflicht zurückblicken, ja sogar stark desertirten.
Nun war, da man die Drohung der Schweden kannte, schon lange einige Vor¬
kehrung getroffen worden, aber was im vorigen Jahre an Truppen zur Unter¬
stützung hatte versendet werden können, war bei der Concentration, die der
pommersche Krieg erforderte, immerhin mangelhaft. Jetzt erst, im November,
war es möglich, ein stärkeres Corps nach Preußen zu werfen. Unter Derff-
linger, Götze, Promnitz, Schöning und Treffenfeld (weiland Henning, der für
hellre Bravour bei Fehrbellin geadelt war) setzte sich die Truppe, welche nur
auserlesene Mannschaften und doppelten Ofsiziersetat enthielt und 34 Ge¬
schütze mitnahm, von Pommern aus in Bewegung. Görtzke war ihnen
bereits mit einiger Kavallerie nach Königsberg vorausgeeilt. Am 30. Decem¬
ber Nachmittags brach der Kurfürst von Berlin auf, um sich mit der Ar¬
mee zu vereinigen. Mit der Kurfürstin und dem Kurprinzen, die sich ihm an¬
schlössen, begab er sich am 1. Januar 1679 nach Cüstri». Von hier wurde Buch
'urd Befehlen an Görtzke abgeschickt. Er hatte strenge Weisung, niemandem zu sagen,
daß der Kurfürst so schnell folge; er sollte vielmehr vorgeben, derselbe sei nach
Berlin umgekehrt. Die Absicht war, den Feind durch diese falsche Nachricht
von einem Rückzüge abzuhalten. Die Strapazen jener Reise gaben Buch einen
schlimmen Begriff davon, was eS auf sich haben werde, in diesen Gegenden
einen Winterfeldzug zu bestehn. Ungefährdet aber und ohne gerade beunruhigende
Bemerkungen zu machen durchreiste er das (damals noch polnische) Pomerellen,
fand in Dcinzig die Stimmung durchaus nicht gefährlich und noch weniger die
Besatzung der Stadt; als er jedoch am 8. nach Jungferndorf bei Königsberg
kam, wo der Generallcutenant Görtzke sein Quartier hatte, erhielt er sehr mi߬
liche Aufklärungen über die Haltung des Herzogthums Preußen; Briefe aus
Königsberg an den schwedischen General waren aufgefangen, die sogar ver¬
räterisches Einvernehmen mit dem Feinde bekundeten. Zu seiner Beruhigung
fand Buch dagegen die brandenburgischen Truppen in weit besserem Zustande als
er vermuthet hatte, während Gefangene des Feindes übereinstimmend merken
ließen, daß die Schweden sich ziemlich kläglich befanden.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/474>, abgerufen am 03.07.2024.