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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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Kaum nach Marienwerder zurückgciehrt wurde Buch abermals vom Kur¬
fürsten, den er dort traf, mit wichtigen Aufträgen entsendet. Bei dem zweiten
Aufenthalt in Königsberg erfuhr er. wie richtig sein Herr vermuthet hatte,
als er ihm sein Herannahen zu verschweigen gebot: die Schweden waren wnk-
lich auf die dennoch erhaltene Kunde gegen Jnsterburg zurückgegangen. Am
16. eskortirte Buch den Kurfürsten, dem er wieder entgegengcrerst war, nach Königs¬
berg. Da der Fürst nicht öffentlich einziehn wollte, ging die letzte Strecke der
Fahrt über den gefrornen Kanal. "Es war sehr schön anzuseh", wie unsre
ßMze Infanterie sowie der übrige Theil der Armee und die ganze Bagage auf
dem Eise sich bewegte; die Infanterie auf Schlitten, was sehr lustig aussah,
besonders da sie beständig den Dragonermarsch schlagen ließen." Am 18. wurde
der Weg bis Labiau fortgesetzt, wo die Kurfürstin vorläufig blieb. Am andern
Tag ward Görtzl'e mit S000 Pferden abgeschickt, um die Stellung des Feindes,
der auf Tilsit rückte, zu recognosciren und so lange "ut ihm Fühlung zu hal¬
ten bis die übrige Armee heran sei. Es galt, in der Weise vorwärts zu gehn,
daß man den Schweden die NückzugSlinie verlegen könne. Zu dem Ende mar-
schirte der Kurfürst mit Infanterie und.Cavallerie, erstere , wie Buch sagt, sogar
Ul Schlachtordnung drei Meilen weit über das Eis des cunschen Hasses, eine
nie erhörte Thatsache. In Gilge kam Nachricht von Görtzte, wonach der Feind
dicht bei Tilsit stand und demnächst angegriffen werben könne. Bald erfuhr
man ferner, Major Henning von Treffenfeld sei den Schweden auf der Hacke.
Dieser Meldung zufolge wurde der Lormarsch auf dem Fluß Gilge ununter¬
brochen fortgesetzt. Am 20. war das Hauptquartier in Kukencse. Da kam
Bericht vom ersten Zusammenstoß; Treffenfeld hatte sich keck auf die bei Split¬
ter unweit Tilsit liegende feindliche Truppe geworfen und sie mit geschickter
Benutzung des Umstands, daß sie sich nur allmälig entwickeln konnte, im schnellen
Anlauf geschlagen. Die Bestätigung des erfreulichen Factums brachte der Held
mit sieben erbeuteten Dragonerfahnen am andern Tage persönlich. Der Kur¬
fürst begrüßte ihn als Generalmajor. Auf dem Weitermarsch in Haidetrug
hörte man, daß auch Görtzke dem feindlichen Nachtrab einen starken Schlag ver¬
setzt habe, der den Schweden 1300 Mann gekostet hatte. Durch diese Erfolge
bestärkt drang der Kurfürst immer weiter vorwärts, um der feindlichen Armee
bei ihren Rückmarsch in Samvgiticn womöglich den Garaus zu machen. Ueber
^"lentineitschen und dann rechts über Gardauucn kam man in einen Länd¬
lich, den Buch nicht elend genug beschreiben kann; die Dörfer bestanden mehr
aus Schweineställen als aus Häusern. ES waren Hütten mit so niedrigen
Thüren, daß es physisch fast unmöglich war, in das Innere hnicinzugelangen,
Zustände, die wie alles äußerste Elend, den Humor herausforderten. Vom
Obermarschall Eanitz behauptet der Berichterstatter, er habe bei dieser Gelegen¬
heit einmal all^ö Ernstes eine halbe Biertelstunde buchstäblich zwischen Thür


Kaum nach Marienwerder zurückgciehrt wurde Buch abermals vom Kur¬
fürsten, den er dort traf, mit wichtigen Aufträgen entsendet. Bei dem zweiten
Aufenthalt in Königsberg erfuhr er. wie richtig sein Herr vermuthet hatte,
als er ihm sein Herannahen zu verschweigen gebot: die Schweden waren wnk-
lich auf die dennoch erhaltene Kunde gegen Jnsterburg zurückgegangen. Am
16. eskortirte Buch den Kurfürsten, dem er wieder entgegengcrerst war, nach Königs¬
berg. Da der Fürst nicht öffentlich einziehn wollte, ging die letzte Strecke der
Fahrt über den gefrornen Kanal. „Es war sehr schön anzuseh», wie unsre
ßMze Infanterie sowie der übrige Theil der Armee und die ganze Bagage auf
dem Eise sich bewegte; die Infanterie auf Schlitten, was sehr lustig aussah,
besonders da sie beständig den Dragonermarsch schlagen ließen." Am 18. wurde
der Weg bis Labiau fortgesetzt, wo die Kurfürstin vorläufig blieb. Am andern
Tag ward Görtzl'e mit S000 Pferden abgeschickt, um die Stellung des Feindes,
der auf Tilsit rückte, zu recognosciren und so lange »ut ihm Fühlung zu hal¬
ten bis die übrige Armee heran sei. Es galt, in der Weise vorwärts zu gehn,
daß man den Schweden die NückzugSlinie verlegen könne. Zu dem Ende mar-
schirte der Kurfürst mit Infanterie und.Cavallerie, erstere , wie Buch sagt, sogar
Ul Schlachtordnung drei Meilen weit über das Eis des cunschen Hasses, eine
nie erhörte Thatsache. In Gilge kam Nachricht von Görtzte, wonach der Feind
dicht bei Tilsit stand und demnächst angegriffen werben könne. Bald erfuhr
man ferner, Major Henning von Treffenfeld sei den Schweden auf der Hacke.
Dieser Meldung zufolge wurde der Lormarsch auf dem Fluß Gilge ununter¬
brochen fortgesetzt. Am 20. war das Hauptquartier in Kukencse. Da kam
Bericht vom ersten Zusammenstoß; Treffenfeld hatte sich keck auf die bei Split¬
ter unweit Tilsit liegende feindliche Truppe geworfen und sie mit geschickter
Benutzung des Umstands, daß sie sich nur allmälig entwickeln konnte, im schnellen
Anlauf geschlagen. Die Bestätigung des erfreulichen Factums brachte der Held
mit sieben erbeuteten Dragonerfahnen am andern Tage persönlich. Der Kur¬
fürst begrüßte ihn als Generalmajor. Auf dem Weitermarsch in Haidetrug
hörte man, daß auch Görtzke dem feindlichen Nachtrab einen starken Schlag ver¬
setzt habe, der den Schweden 1300 Mann gekostet hatte. Durch diese Erfolge
bestärkt drang der Kurfürst immer weiter vorwärts, um der feindlichen Armee
bei ihren Rückmarsch in Samvgiticn womöglich den Garaus zu machen. Ueber
^"lentineitschen und dann rechts über Gardauucn kam man in einen Länd¬
lich, den Buch nicht elend genug beschreiben kann; die Dörfer bestanden mehr
aus Schweineställen als aus Häusern. ES waren Hütten mit so niedrigen
Thüren, daß es physisch fast unmöglich war, in das Innere hnicinzugelangen,
Zustände, die wie alles äußerste Elend, den Humor herausforderten. Vom
Obermarschall Eanitz behauptet der Berichterstatter, er habe bei dieser Gelegen¬
heit einmal all^ö Ernstes eine halbe Biertelstunde buchstäblich zwischen Thür


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[0475] Kaum nach Marienwerder zurückgciehrt wurde Buch abermals vom Kur¬ fürsten, den er dort traf, mit wichtigen Aufträgen entsendet. Bei dem zweiten Aufenthalt in Königsberg erfuhr er. wie richtig sein Herr vermuthet hatte, als er ihm sein Herannahen zu verschweigen gebot: die Schweden waren wnk- lich auf die dennoch erhaltene Kunde gegen Jnsterburg zurückgegangen. Am 16. eskortirte Buch den Kurfürsten, dem er wieder entgegengcrerst war, nach Königs¬ berg. Da der Fürst nicht öffentlich einziehn wollte, ging die letzte Strecke der Fahrt über den gefrornen Kanal. „Es war sehr schön anzuseh», wie unsre ßMze Infanterie sowie der übrige Theil der Armee und die ganze Bagage auf dem Eise sich bewegte; die Infanterie auf Schlitten, was sehr lustig aussah, besonders da sie beständig den Dragonermarsch schlagen ließen." Am 18. wurde der Weg bis Labiau fortgesetzt, wo die Kurfürstin vorläufig blieb. Am andern Tag ward Görtzl'e mit S000 Pferden abgeschickt, um die Stellung des Feindes, der auf Tilsit rückte, zu recognosciren und so lange »ut ihm Fühlung zu hal¬ ten bis die übrige Armee heran sei. Es galt, in der Weise vorwärts zu gehn, daß man den Schweden die NückzugSlinie verlegen könne. Zu dem Ende mar- schirte der Kurfürst mit Infanterie und.Cavallerie, erstere , wie Buch sagt, sogar Ul Schlachtordnung drei Meilen weit über das Eis des cunschen Hasses, eine nie erhörte Thatsache. In Gilge kam Nachricht von Görtzte, wonach der Feind dicht bei Tilsit stand und demnächst angegriffen werben könne. Bald erfuhr man ferner, Major Henning von Treffenfeld sei den Schweden auf der Hacke. Dieser Meldung zufolge wurde der Lormarsch auf dem Fluß Gilge ununter¬ brochen fortgesetzt. Am 20. war das Hauptquartier in Kukencse. Da kam Bericht vom ersten Zusammenstoß; Treffenfeld hatte sich keck auf die bei Split¬ ter unweit Tilsit liegende feindliche Truppe geworfen und sie mit geschickter Benutzung des Umstands, daß sie sich nur allmälig entwickeln konnte, im schnellen Anlauf geschlagen. Die Bestätigung des erfreulichen Factums brachte der Held mit sieben erbeuteten Dragonerfahnen am andern Tage persönlich. Der Kur¬ fürst begrüßte ihn als Generalmajor. Auf dem Weitermarsch in Haidetrug hörte man, daß auch Görtzke dem feindlichen Nachtrab einen starken Schlag ver¬ setzt habe, der den Schweden 1300 Mann gekostet hatte. Durch diese Erfolge bestärkt drang der Kurfürst immer weiter vorwärts, um der feindlichen Armee bei ihren Rückmarsch in Samvgiticn womöglich den Garaus zu machen. Ueber ^"lentineitschen und dann rechts über Gardauucn kam man in einen Länd¬ lich, den Buch nicht elend genug beschreiben kann; die Dörfer bestanden mehr aus Schweineställen als aus Häusern. ES waren Hütten mit so niedrigen Thüren, daß es physisch fast unmöglich war, in das Innere hnicinzugelangen, Zustände, die wie alles äußerste Elend, den Humor herausforderten. Vom Obermarschall Eanitz behauptet der Berichterstatter, er habe bei dieser Gelegen¬ heit einmal all^ö Ernstes eine halbe Biertelstunde buchstäblich zwischen Thür

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/475>, abgerufen am 22.07.2024.