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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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er nach Willführ über sie verfügen. Ausdrücklich betonten sie, sie wollten nicht
kaiserliche, sondern kurfürstliche Stadt werden.

Die Accvrdpunkte wurden mit Königsmark bereits vereinbart, als plötzlich
eine heftige Kanonade der Schweden den Waffenstillstand und die Unterhandlung ab¬
zubrechen schien. Sie galt jedoch einem dänischen Schiffe, welches sich unbefugterweise
genähert hatte und scharf begrüßt ward. Die Geistlichkeit der Stadt, welche
die Sache ebenfalls mißverstanden, peinigte den Commandanten bis aufs Blut;
es hieß, er habe von Batterie zu Batterie vor ihnen fliehen müssen. -- Wie
magh in seinem Herzen ausgesehen haben, als er am 18. October mit seinen
Truppen die Stadt räumend an der in Schlachtordnung aufgestellten branden-
burgischen Armee vorüber defiliren und vor dem Kurfürsten den Degen senken
mußte! Am 20. hielt Friedrich Wilhelm seinen Einzug und begab sich zur Predigt
in die Nil'olaikirchc. Es hielt sie derselbe Pastor Goßmann, von dem man
behauptete, er habe vordem am heftigsten gegen ihn geeifert. Dann wurde im
Stadthause der Huldigungscid der Bürgerschaft entgegengenommen.

So erlag der brandenburgischen Energie diese wichtige Festung, die vor
fünfzig Jahren für einen Wallenstein am Himmel festgekeilet blieb!

In den ersten Tagen des November capitulirte auch Greifswald, das mit seiner
geringen Besatzung nach der Einnahme Straisunds nich! mehr zu halten war. --
Am 2. December kam der Kurfürst nach Berlin. "Man hatte" -- erzählt Buch
-- "vom Georgcnthor (vor der jetzigen Königstraße) bis an die Treppe des
Schlosses sehr schöne Triumphbogen u. tgi, mehr angebracht;----auf dem Flusse
waren zwei Forts errichtet, die einen Lärm wie aus der andern Welt machten."

Aber auch diesmal war der große Kurfürst nicht um auszuruhn in seine
Hauptstadt heimgekehrt. Ehe er das konnte, lag noch ein hartes Stück Arbeit
vor ihm, deren unsägliche Mühsal nichts einbrachte als bitterste Resignation.

Noch vor Stralsund waren Boten aus Preußen eingetroffen mit der
schlimmen Meldung, daß die Schweden wiederum wie bei der rheinischen Cam¬
pagne durch eine Diversion erlangen wollten, waS ihnen in offenem Angriff
uicht gelang*). Derselbe Oberst Wangelin, der in Rathcnow gefangen und nur
auf Ehrenversprechen, sich des Dienstes zu enthalten, entlassen worden war,
hatte Anfang October beim Herzog von Curland, dem Schwager des Kurfür-
sten. behufs Gestattung des Durchzugs einer schwedischen Armee nach Preußen
siewirkt, eine Expedition, die schon seit Jahresfrist beabsichtigt gewesen, aber
bisher immer glücklich vereitelt worden war. Dies hatte man besonders dem
trefflichen Benehmen des lithauischen Connetable Pan zu danken, der in
Curland seinen ganzen Einfluß aufbot, um die Schweden fern zu halten. Ende



') Ueber den denkwürdigen Krieg in Prensien vergl, man die interessante Monographie
von A. Niese: Winterfeldzug des großen Kurfürsten in Preuszeu und Samogiticn 1V78--7g.
Berlin, 1864. S. Literatur in dieser Ur.

er nach Willführ über sie verfügen. Ausdrücklich betonten sie, sie wollten nicht
kaiserliche, sondern kurfürstliche Stadt werden.

Die Accvrdpunkte wurden mit Königsmark bereits vereinbart, als plötzlich
eine heftige Kanonade der Schweden den Waffenstillstand und die Unterhandlung ab¬
zubrechen schien. Sie galt jedoch einem dänischen Schiffe, welches sich unbefugterweise
genähert hatte und scharf begrüßt ward. Die Geistlichkeit der Stadt, welche
die Sache ebenfalls mißverstanden, peinigte den Commandanten bis aufs Blut;
es hieß, er habe von Batterie zu Batterie vor ihnen fliehen müssen. — Wie
magh in seinem Herzen ausgesehen haben, als er am 18. October mit seinen
Truppen die Stadt räumend an der in Schlachtordnung aufgestellten branden-
burgischen Armee vorüber defiliren und vor dem Kurfürsten den Degen senken
mußte! Am 20. hielt Friedrich Wilhelm seinen Einzug und begab sich zur Predigt
in die Nil'olaikirchc. Es hielt sie derselbe Pastor Goßmann, von dem man
behauptete, er habe vordem am heftigsten gegen ihn geeifert. Dann wurde im
Stadthause der Huldigungscid der Bürgerschaft entgegengenommen.

So erlag der brandenburgischen Energie diese wichtige Festung, die vor
fünfzig Jahren für einen Wallenstein am Himmel festgekeilet blieb!

In den ersten Tagen des November capitulirte auch Greifswald, das mit seiner
geringen Besatzung nach der Einnahme Straisunds nich! mehr zu halten war. —
Am 2. December kam der Kurfürst nach Berlin. „Man hatte" — erzählt Buch
— „vom Georgcnthor (vor der jetzigen Königstraße) bis an die Treppe des
Schlosses sehr schöne Triumphbogen u. tgi, mehr angebracht;----auf dem Flusse
waren zwei Forts errichtet, die einen Lärm wie aus der andern Welt machten."

Aber auch diesmal war der große Kurfürst nicht um auszuruhn in seine
Hauptstadt heimgekehrt. Ehe er das konnte, lag noch ein hartes Stück Arbeit
vor ihm, deren unsägliche Mühsal nichts einbrachte als bitterste Resignation.

Noch vor Stralsund waren Boten aus Preußen eingetroffen mit der
schlimmen Meldung, daß die Schweden wiederum wie bei der rheinischen Cam¬
pagne durch eine Diversion erlangen wollten, waS ihnen in offenem Angriff
uicht gelang*). Derselbe Oberst Wangelin, der in Rathcnow gefangen und nur
auf Ehrenversprechen, sich des Dienstes zu enthalten, entlassen worden war,
hatte Anfang October beim Herzog von Curland, dem Schwager des Kurfür-
sten. behufs Gestattung des Durchzugs einer schwedischen Armee nach Preußen
siewirkt, eine Expedition, die schon seit Jahresfrist beabsichtigt gewesen, aber
bisher immer glücklich vereitelt worden war. Dies hatte man besonders dem
trefflichen Benehmen des lithauischen Connetable Pan zu danken, der in
Curland seinen ganzen Einfluß aufbot, um die Schweden fern zu halten. Ende



') Ueber den denkwürdigen Krieg in Prensien vergl, man die interessante Monographie
von A. Niese: Winterfeldzug des großen Kurfürsten in Preuszeu und Samogiticn 1V78—7g.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/473>, abgerufen am 22.07.2024.