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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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Forts sei Meuterei ausgebrochen. die damit geendet habe, daß Neuefähr über¬
geben und die gesammte schwedische Besatzung kriegsgefangen gemacht sei,
während die Deutschen brandenburgische Dienste genommen hätten. Die Beute
bestand in reichlichen Munitivns- und Mundvorräthcn und 24 trefflichen Ge¬
schrieen. Nun kam der Kurfürst mit der Kurfürstin ans Land und besichtigte
die Stellung; alsbald aber ward Anstalt gctcoffen, den Dehnholm gcradcübcr
von den Vorstädten Stralsundö zu besetzen. Unter Beihilfe Buchs, der sich
wiederum sehr umsichtig und geschickt bewies, gelang dies besser, als man ver¬
muthet hatte. Die Schweden zogen sich ohne Gegenwehr zurück und verließen
bald infolge dieses Fortschritts der Brandenburger auch etliche Außenwerke vor
der Stadt. So konnte denn "un diese selbst directer angegriffen werden.

Als Anfang October die ersten Approchen eröffnet wurden, erhielt man aus
der Stadt sehr bedenkliche Anzeichen des Zerwürfnisses zwischen der Bürger¬
schaft und der Besatzung. Ein Brief des Magistrats bat sehr unterwürfig, da
nicht mehr er, sondern die Schweden Herren des Platzes seien, wolle der Kur¬
fürst die Stadt verschonen. Königsmark wiederholte die Bitte seinerseits. Selbst¬
verständlich konnte die Erfüllung derselben nur durch Kapitulation erlangt
werden. Ueberdies hatte die Bürgermiliz noch einige Bastionen besetzt, war
also factisch nicht neutral. Sie verließen dieselben freilich sehr schnell, als das
Bombardement begann, das überraschend starke Wirkung hervorbrachte; denn
die Stadt brannte heftig. Auch das persönliche Erscheinen des Bürgermeisters
Vie und des Rathes Carisius hatte noch uicht den erwünschten Erfolg, da sie
weder eine Unterhandlung noch die zu dem Zwecke geforderten Geiseln mit¬
brachten. Es dauerte indeß nicht lange mehr. "Eine so große Stadt ganz,in
Flammen zu sehen," -- schreibt Buch -- "ist eine schreckliche Sache; ub glaube
nicht, baß man die Zerstörung Trojas besser darstellen kann; Geschrei und Ge¬
heul war furchtbar."

Königsmark war vor Wuth und Verzweiflung außer sich; gegen General¬
major Schöning, mit dem er eine Unterredung gehabt, hatte er sich noch vor
wenigen Tagen erklärt, er werde sich diesem Feuer nicht unterwerfen und wünsche,
alle Bürger seien mitsamt ihren Häusern verbrannt. Nach anderer Seite hatte
er sich erkundigt, ob der Kurfürst den Platz um jeden Preis nehmen wolle,
und als ihm darauf ein sehr lakonisches Ja mit der Versicherung entgegnet
wurde, daß die Vorkehrungen darnach getroffen seien, um die Belagerung bis
Ostern fortzusetzen, soll er getobt und geflucht haben wie ein Unsinniger. Wäh¬
rend ihm nun pe'tmptorisch zugesetzt wurde und er noch eine Bedenkzeit erbat,
ehe er daS letzte Stück schwedischen Besitzes in Deutschland "für immer" preis¬
gebe, hatten die Bürger bereits definitiv erklärt, sie würfen sich ganz in die
Arme des Kurfürsten in der Hoffnung, seine Unterthanen zu werden, und unter der
Voraussetzung, daß er ihnen ihre NcligiM und ihren freien Handel lasse, möge


Forts sei Meuterei ausgebrochen. die damit geendet habe, daß Neuefähr über¬
geben und die gesammte schwedische Besatzung kriegsgefangen gemacht sei,
während die Deutschen brandenburgische Dienste genommen hätten. Die Beute
bestand in reichlichen Munitivns- und Mundvorräthcn und 24 trefflichen Ge¬
schrieen. Nun kam der Kurfürst mit der Kurfürstin ans Land und besichtigte
die Stellung; alsbald aber ward Anstalt gctcoffen, den Dehnholm gcradcübcr
von den Vorstädten Stralsundö zu besetzen. Unter Beihilfe Buchs, der sich
wiederum sehr umsichtig und geschickt bewies, gelang dies besser, als man ver¬
muthet hatte. Die Schweden zogen sich ohne Gegenwehr zurück und verließen
bald infolge dieses Fortschritts der Brandenburger auch etliche Außenwerke vor
der Stadt. So konnte denn »un diese selbst directer angegriffen werden.

Als Anfang October die ersten Approchen eröffnet wurden, erhielt man aus
der Stadt sehr bedenkliche Anzeichen des Zerwürfnisses zwischen der Bürger¬
schaft und der Besatzung. Ein Brief des Magistrats bat sehr unterwürfig, da
nicht mehr er, sondern die Schweden Herren des Platzes seien, wolle der Kur¬
fürst die Stadt verschonen. Königsmark wiederholte die Bitte seinerseits. Selbst¬
verständlich konnte die Erfüllung derselben nur durch Kapitulation erlangt
werden. Ueberdies hatte die Bürgermiliz noch einige Bastionen besetzt, war
also factisch nicht neutral. Sie verließen dieselben freilich sehr schnell, als das
Bombardement begann, das überraschend starke Wirkung hervorbrachte; denn
die Stadt brannte heftig. Auch das persönliche Erscheinen des Bürgermeisters
Vie und des Rathes Carisius hatte noch uicht den erwünschten Erfolg, da sie
weder eine Unterhandlung noch die zu dem Zwecke geforderten Geiseln mit¬
brachten. Es dauerte indeß nicht lange mehr. „Eine so große Stadt ganz,in
Flammen zu sehen," — schreibt Buch — „ist eine schreckliche Sache; ub glaube
nicht, baß man die Zerstörung Trojas besser darstellen kann; Geschrei und Ge¬
heul war furchtbar."

Königsmark war vor Wuth und Verzweiflung außer sich; gegen General¬
major Schöning, mit dem er eine Unterredung gehabt, hatte er sich noch vor
wenigen Tagen erklärt, er werde sich diesem Feuer nicht unterwerfen und wünsche,
alle Bürger seien mitsamt ihren Häusern verbrannt. Nach anderer Seite hatte
er sich erkundigt, ob der Kurfürst den Platz um jeden Preis nehmen wolle,
und als ihm darauf ein sehr lakonisches Ja mit der Versicherung entgegnet
wurde, daß die Vorkehrungen darnach getroffen seien, um die Belagerung bis
Ostern fortzusetzen, soll er getobt und geflucht haben wie ein Unsinniger. Wäh¬
rend ihm nun pe'tmptorisch zugesetzt wurde und er noch eine Bedenkzeit erbat,
ehe er daS letzte Stück schwedischen Besitzes in Deutschland „für immer" preis¬
gebe, hatten die Bürger bereits definitiv erklärt, sie würfen sich ganz in die
Arme des Kurfürsten in der Hoffnung, seine Unterthanen zu werden, und unter der
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/472>, abgerufen am 22.07.2024.