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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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vallerie war ebenfalls in der Ausschiffung begriffen, letztere brauchte zwei
Stunden dazu, während ihre Einschiffung drei Tage in Anspruch genommen
hatte. Sie war es auch, die dem nunmehr mit Kanonen herbeieilenden Feinde
zuerst imponirte. Derfflinger führte sie, wie sie eins Land kam, sofort vor und
drängte die Schweden bis zum Einbrüche der Nacht zurück. Die Garden unter
Schöning und Lüneburger folgten dahinter. -- Noch glücklicher war die Attake
am folgenden Tag. Der Feind hatte sich in seine Verschanzungen bei Altefähr
gezogen. Derfflinger bemerkt die Unordnung, in welcher sich die Schweden be¬
finden. Die beiden Schöning und Oberstleutnant Wrangel führen 300 Mann
am Ufer entlang, mit ihnen der Feldmarschall, den Degen in der Faust. So¬
bald diese am Feinde sind, sitzt eine Abtheilung Cavallerie ab und nun wird
die Stellung der Schweden im ersten Anlauf gestürmt; 200 von der Besatzung
werden niedergemacht, 700 gefangen, außerdem fallen drei Kanonen und über
2300 Pferde in die Hände der wüthenden Angreifer; "das war ein Sturm mit
brandenvurgischen Dragonern!" -- Königsmark siebt die Unmöglichkeit der Abwehr
ein, rettet sich auf einem Kahne über den Kanal, während fünf große Kähne
des Feindes, die überladen waren, versinken. Gefangene erzählten, der schwe¬
dische Feldherr habe bei dieser Affaire zu den Seinigen gesagt: "Sehet, diese
Leute dienen ihrem Herrn als Männer von Ehre, aber ihr handelt gegen die
Krone und mich wie Verräther und Pflichtvergessene!" Die Hast der schwe¬
dischen Flucht, die unverhältnißmäßig geringen Verluste der Brandenburger,
alles deutet an, daß das Unternehmen des Kurfürsten eine panische Wirkung
ans den Feind ausübte, der sich einer solchen Bravour nicht versehen hatte.

Die Schiffe mit dem Kurfürsten und seiner Begleitung waren gegen Mit¬
tag wieder in See gegangen und wurden vom Prinzen von Homburg besucht,
welcher seinem Herrn Rapport abstattete über die Vorgänge vor Stralsund.
Er erntete kein gutes Lob, da er seine Selbständigkeit benutzt hatte, um sich
eine Güte zu thun in Angriffen, die theilweise sehr unvorsichtig gewesen waren
und ungeheuer viel Mannschaften gekostet hatten. Den andern Abend kam
Derfflinger an Bord; "man kann sich denken," schreibt Buch, "wie er em¬
pfangen wurde!"

Am folgenden Morgen, während der Kurfürst noch mit dem Ankleiden
beschäftigt war, äußerte Buch die kühne Vermuthung, die in Neuefähr postirten
Feinde hätten sich möglicherweise für ihn erklärt. Der Kurfürst lachte über den
Einfall. Aber die Meinung bestätigte sich in der That. Als nämlich die kur¬
fürstlichen Truppen in der Nähe jenes Forts ihr Signal, drei Kanonenschüsse,
gegeben, hatten die in Neufähr anfangs gar nicht, dann aber seltsamerweise
statt mit zwei, ebenfalls mit drei Schüssen geantwortet. Als man etwas später
zu Schiff die Stellung des Feindes näher recognoscirt, reitet Götze der Scha¬
luppe ins Wasser entgegen und berichtet, unter der deutschen Besatzung des


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vallerie war ebenfalls in der Ausschiffung begriffen, letztere brauchte zwei
Stunden dazu, während ihre Einschiffung drei Tage in Anspruch genommen
hatte. Sie war es auch, die dem nunmehr mit Kanonen herbeieilenden Feinde
zuerst imponirte. Derfflinger führte sie, wie sie eins Land kam, sofort vor und
drängte die Schweden bis zum Einbrüche der Nacht zurück. Die Garden unter
Schöning und Lüneburger folgten dahinter. — Noch glücklicher war die Attake
am folgenden Tag. Der Feind hatte sich in seine Verschanzungen bei Altefähr
gezogen. Derfflinger bemerkt die Unordnung, in welcher sich die Schweden be¬
finden. Die beiden Schöning und Oberstleutnant Wrangel führen 300 Mann
am Ufer entlang, mit ihnen der Feldmarschall, den Degen in der Faust. So¬
bald diese am Feinde sind, sitzt eine Abtheilung Cavallerie ab und nun wird
die Stellung der Schweden im ersten Anlauf gestürmt; 200 von der Besatzung
werden niedergemacht, 700 gefangen, außerdem fallen drei Kanonen und über
2300 Pferde in die Hände der wüthenden Angreifer; „das war ein Sturm mit
brandenvurgischen Dragonern!" — Königsmark siebt die Unmöglichkeit der Abwehr
ein, rettet sich auf einem Kahne über den Kanal, während fünf große Kähne
des Feindes, die überladen waren, versinken. Gefangene erzählten, der schwe¬
dische Feldherr habe bei dieser Affaire zu den Seinigen gesagt: „Sehet, diese
Leute dienen ihrem Herrn als Männer von Ehre, aber ihr handelt gegen die
Krone und mich wie Verräther und Pflichtvergessene!" Die Hast der schwe¬
dischen Flucht, die unverhältnißmäßig geringen Verluste der Brandenburger,
alles deutet an, daß das Unternehmen des Kurfürsten eine panische Wirkung
ans den Feind ausübte, der sich einer solchen Bravour nicht versehen hatte.

Die Schiffe mit dem Kurfürsten und seiner Begleitung waren gegen Mit¬
tag wieder in See gegangen und wurden vom Prinzen von Homburg besucht,
welcher seinem Herrn Rapport abstattete über die Vorgänge vor Stralsund.
Er erntete kein gutes Lob, da er seine Selbständigkeit benutzt hatte, um sich
eine Güte zu thun in Angriffen, die theilweise sehr unvorsichtig gewesen waren
und ungeheuer viel Mannschaften gekostet hatten. Den andern Abend kam
Derfflinger an Bord; „man kann sich denken," schreibt Buch, „wie er em¬
pfangen wurde!"

Am folgenden Morgen, während der Kurfürst noch mit dem Ankleiden
beschäftigt war, äußerte Buch die kühne Vermuthung, die in Neuefähr postirten
Feinde hätten sich möglicherweise für ihn erklärt. Der Kurfürst lachte über den
Einfall. Aber die Meinung bestätigte sich in der That. Als nämlich die kur¬
fürstlichen Truppen in der Nähe jenes Forts ihr Signal, drei Kanonenschüsse,
gegeben, hatten die in Neufähr anfangs gar nicht, dann aber seltsamerweise
statt mit zwei, ebenfalls mit drei Schüssen geantwortet. Als man etwas später
zu Schiff die Stellung des Feindes näher recognoscirt, reitet Götze der Scha¬
luppe ins Wasser entgegen und berichtet, unter der deutschen Besatzung des


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/471>, abgerufen am 22.07.2024.