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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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Tagen auf den versprochenen Entsatz durch Königsmark. Allein die Cernirung
der Stadt war nach der Land- und Seeseite vollständig; auf dem Wasser hatten
überdies die Erfolge der Dänen directe Hilfe von Schweden sehr illusorisch ge¬
macht und der Denkzettel, den der Prinz von Homburg dem Grafen Königs¬
mark vor Anklam gegeben, erhöhte jene Aussicht nicht. Bald kam die Nachricht
von der Occupation Rügens durch die Dänen, welche die Insel jedoch sehr bald
wieder räumen mußten. Der Kurfürst eröffnete, namentlich unterstützt durch
den wackern GencralKeutenant Weiler und durch Blasendorf, eine Batterie nach
der andern im Halbkreis um die Wälle; dabei war er so eifrig, daß er sich
fast täglich aufs gefährlichste aussetzte. Buch hatte ihn schon viele Male dringend
um größere Vorsicht gebeten. Einmal -- es war am 2. September -- geschah
dies wieder. Da antwortet ihm der tapfre Fürst: "Aber wann hast Du ge¬
hört, daß ein Kurfürst von Brandenburg getödtet sei!" Ein Fatalismus, der
ihm so gut zu Gesicht steht wie irgendeinem andern Helden.

Sehr viel Zeit nahmen die ausgedehnten Minirungen in Anspruch, bei
denen man den Gegenwerten so nahe rückte, daß sich die Ingenieure und
Gräber gegenseitig be> der Arbeit reden hörten. Die Entzündungen der Minen
brachten abwechselnd auf beiden Seiten Schade", der fast stets ziemlich
bedeutend war. Es wurden während dessen nur vereinzelte Ausfälle ge¬
macht; bei einem derselben schlug dem alten Derfflinger eine Kugel dergestalt
an den Helmsparren, daß er eine harte Contusion davontrug. Die etwas lcmg-
athuuge methodische Belagerung, die bei wiederkehrenden Verlusten an Mann¬
schaft verhältnißmäßig geringe Fortschritte zeigte, mochte manchem ans Drauf-
schlagcn gewöhnten Mlttär nicht recht nach dem Sinne sein. Dahin ist es
wohl zu deuten, daß Buch, als er eines Tages Erkundigung über einen Vor¬
fall in den Minen einzuziehen hatte, von einem dort commandirenden höheren
Offizier die mürrische Antwort erhielt: "wir greifen französisch an und werden
schwedisch geschlagen!"

Im December endlich bequemte sich der tapfere Commandant Wulffen zur Ca-
pitulation. Die Abgeordneten waren überrascht von der großen Milde des Kur¬
fürsten und versicherten, sie würden die Stadt vor Monaten schon übergeben
haben, wenn sie über den Sachverhalt wahrhaft unterrichtet gewesen wären.
Der Accord hatte daher keine Schwierigkeiten. Anfang Januar 1678 ist der Kurfürst
eingezogen. Die Stadt war entsetzlich verwüstet. Knaben und Mädchen in
Trauerkleidern gingen dem Fürsten zum Willkomm entgegen, dem die Bürger¬
schaft als ihrem künftigen Landesherrn gleiche Treue versprach wie sie den
Schweden bewiesen.

Buch war hierbei nicht zugegen. Er wurde alsbald nach Abschluß der Unter¬
handlungen mir der Meldung des Erfolges nach Wien zum Kaiser geschickt. Un-
terwegs macht er auch in Dresden seine Aufwartung und glaubt zu bemerken,


Tagen auf den versprochenen Entsatz durch Königsmark. Allein die Cernirung
der Stadt war nach der Land- und Seeseite vollständig; auf dem Wasser hatten
überdies die Erfolge der Dänen directe Hilfe von Schweden sehr illusorisch ge¬
macht und der Denkzettel, den der Prinz von Homburg dem Grafen Königs¬
mark vor Anklam gegeben, erhöhte jene Aussicht nicht. Bald kam die Nachricht
von der Occupation Rügens durch die Dänen, welche die Insel jedoch sehr bald
wieder räumen mußten. Der Kurfürst eröffnete, namentlich unterstützt durch
den wackern GencralKeutenant Weiler und durch Blasendorf, eine Batterie nach
der andern im Halbkreis um die Wälle; dabei war er so eifrig, daß er sich
fast täglich aufs gefährlichste aussetzte. Buch hatte ihn schon viele Male dringend
um größere Vorsicht gebeten. Einmal — es war am 2. September — geschah
dies wieder. Da antwortet ihm der tapfre Fürst: „Aber wann hast Du ge¬
hört, daß ein Kurfürst von Brandenburg getödtet sei!" Ein Fatalismus, der
ihm so gut zu Gesicht steht wie irgendeinem andern Helden.

Sehr viel Zeit nahmen die ausgedehnten Minirungen in Anspruch, bei
denen man den Gegenwerten so nahe rückte, daß sich die Ingenieure und
Gräber gegenseitig be> der Arbeit reden hörten. Die Entzündungen der Minen
brachten abwechselnd auf beiden Seiten Schade», der fast stets ziemlich
bedeutend war. Es wurden während dessen nur vereinzelte Ausfälle ge¬
macht; bei einem derselben schlug dem alten Derfflinger eine Kugel dergestalt
an den Helmsparren, daß er eine harte Contusion davontrug. Die etwas lcmg-
athuuge methodische Belagerung, die bei wiederkehrenden Verlusten an Mann¬
schaft verhältnißmäßig geringe Fortschritte zeigte, mochte manchem ans Drauf-
schlagcn gewöhnten Mlttär nicht recht nach dem Sinne sein. Dahin ist es
wohl zu deuten, daß Buch, als er eines Tages Erkundigung über einen Vor¬
fall in den Minen einzuziehen hatte, von einem dort commandirenden höheren
Offizier die mürrische Antwort erhielt: „wir greifen französisch an und werden
schwedisch geschlagen!"

Im December endlich bequemte sich der tapfere Commandant Wulffen zur Ca-
pitulation. Die Abgeordneten waren überrascht von der großen Milde des Kur¬
fürsten und versicherten, sie würden die Stadt vor Monaten schon übergeben
haben, wenn sie über den Sachverhalt wahrhaft unterrichtet gewesen wären.
Der Accord hatte daher keine Schwierigkeiten. Anfang Januar 1678 ist der Kurfürst
eingezogen. Die Stadt war entsetzlich verwüstet. Knaben und Mädchen in
Trauerkleidern gingen dem Fürsten zum Willkomm entgegen, dem die Bürger¬
schaft als ihrem künftigen Landesherrn gleiche Treue versprach wie sie den
Schweden bewiesen.

Buch war hierbei nicht zugegen. Er wurde alsbald nach Abschluß der Unter¬
handlungen mir der Meldung des Erfolges nach Wien zum Kaiser geschickt. Un-
terwegs macht er auch in Dresden seine Aufwartung und glaubt zu bemerken,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/468>, abgerufen am 22.07.2024.