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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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major Ende den Landleuten in Lauenburg gegen die dänischen Alliirten zu ge¬
währen genöthigt war, welche rückständige Contributionen mit Gewalt eintreiben
wollten.

Die Bezwingung Stettins bot ungewöhnliche Schwierigkeiten. Nicht "ur
deshalb, weil die Schweden diesen Ankergrund ihrer Herrschaft an derdeuiichen
Küste mit ganzer Zähigkeit festzuhalten entschlossen waren, sondern mehr
noch wegen der Anhänglichkeit der Bürger, die dem schwedischen König für
die Gewissenhaftigkeit, mit der er ihre Privilegien geachtet hatte, durch
Dransetzung ihrer Habe und ihres Blutes sich erkenntlich zeigten. Der Kur¬
fürst hatte in voller Würdigung dieser Umstände sich erst noch näher mit den
Generalstaaten sowie mit Dänemark und seinen kleinern Hilfsgenossen verstän¬
digt, ehe er die Eroberung Stettins schärfer ins Auge faßte, an deren Ge¬
lingen er seinen ganzen Ehrgeiz setzte. Wurde dieser Platz nicht gewonnen,
so war die ganze Arbeit halb, denn von hier und von Stralsuuo aus konnte
der Feind früher oder später erneute Fortschritte machen. Wie populär sein
ganzer Kneg se>, hatte er mit Freuden wahrgenommen, als er auf seiner jüngsten
Reise durch die Altmcuk eine Compagnie von Landleuten sah, die sich zum Schutz
des Landes gebildet. Sie trugen in der Fahne einen rothen Adler mit der
Aufschrift: "Wir Bauern von geringem Blut wagen für unser" gnädigsten
Kurfürsten von Brandenburg Gut und Blut."

Erst im Juni 1677 begab er sich selbst ins Lager. Was bisher dort ge¬
schehen war, galt nur als Einleitung der Hauptthätigkeit. Auch manche bittere
Kurzweil war getrieben worden; als der Gouverneur bei der steigenden Theu¬
erung die Armen, die nichts zu leben hatten, aus der Stadt jagte, wurden
diese von den Brandenburgern draußen vollends nackt ausgezogen und wieder
nach Hause gejagt.

Jetzt wurden die Arbeiten ernsthaft gefördert und am 2S. Juli die Lauf¬
gräben eröffnet. In den ersten Tagen des August begann das Bombcudcmenl,
hin und wieder von den Schiffen her unterstützt, die nebenbei manche gute
Prise machten. Die glühenden Kugeln der Schanzen brachten bald an mehren
Stellen Feuer in die Stadt; aber als ein Trompeter mit der Aufforderung zur
Uebergabe vor die Mauern kommt, schicken die trotzigen Bürger ihn zurück ohne
auch nur eine Berathung zu berufen. Wie groß ihr Trotz war, ging aus
dem Bericht eines Gefangenen hervor. welcher erzählte, die Soldaten würden,
wenn sie unverrichteter Dinge zurückkehrten, von den Einwohnern bedroht
und geschlagen, je, einer wäre sogar neulich aus diesem Grunde von
ihnen todtgeschlagen worden. Buch fand Gelegenheit, die Wahrheit davon zu
erproben. Beim Rückzüge von einem mislungenen Ausfall jagten die Bürger
die Truppen mehrmals wieder vorwärts und schlössen das Anösallthor, sooaß
diese genöthigt waren, über den Wall einzudringen. Sie hofften u> euugen


major Ende den Landleuten in Lauenburg gegen die dänischen Alliirten zu ge¬
währen genöthigt war, welche rückständige Contributionen mit Gewalt eintreiben
wollten.

Die Bezwingung Stettins bot ungewöhnliche Schwierigkeiten. Nicht »ur
deshalb, weil die Schweden diesen Ankergrund ihrer Herrschaft an derdeuiichen
Küste mit ganzer Zähigkeit festzuhalten entschlossen waren, sondern mehr
noch wegen der Anhänglichkeit der Bürger, die dem schwedischen König für
die Gewissenhaftigkeit, mit der er ihre Privilegien geachtet hatte, durch
Dransetzung ihrer Habe und ihres Blutes sich erkenntlich zeigten. Der Kur¬
fürst hatte in voller Würdigung dieser Umstände sich erst noch näher mit den
Generalstaaten sowie mit Dänemark und seinen kleinern Hilfsgenossen verstän¬
digt, ehe er die Eroberung Stettins schärfer ins Auge faßte, an deren Ge¬
lingen er seinen ganzen Ehrgeiz setzte. Wurde dieser Platz nicht gewonnen,
so war die ganze Arbeit halb, denn von hier und von Stralsuuo aus konnte
der Feind früher oder später erneute Fortschritte machen. Wie populär sein
ganzer Kneg se>, hatte er mit Freuden wahrgenommen, als er auf seiner jüngsten
Reise durch die Altmcuk eine Compagnie von Landleuten sah, die sich zum Schutz
des Landes gebildet. Sie trugen in der Fahne einen rothen Adler mit der
Aufschrift: „Wir Bauern von geringem Blut wagen für unser» gnädigsten
Kurfürsten von Brandenburg Gut und Blut."

Erst im Juni 1677 begab er sich selbst ins Lager. Was bisher dort ge¬
schehen war, galt nur als Einleitung der Hauptthätigkeit. Auch manche bittere
Kurzweil war getrieben worden; als der Gouverneur bei der steigenden Theu¬
erung die Armen, die nichts zu leben hatten, aus der Stadt jagte, wurden
diese von den Brandenburgern draußen vollends nackt ausgezogen und wieder
nach Hause gejagt.

Jetzt wurden die Arbeiten ernsthaft gefördert und am 2S. Juli die Lauf¬
gräben eröffnet. In den ersten Tagen des August begann das Bombcudcmenl,
hin und wieder von den Schiffen her unterstützt, die nebenbei manche gute
Prise machten. Die glühenden Kugeln der Schanzen brachten bald an mehren
Stellen Feuer in die Stadt; aber als ein Trompeter mit der Aufforderung zur
Uebergabe vor die Mauern kommt, schicken die trotzigen Bürger ihn zurück ohne
auch nur eine Berathung zu berufen. Wie groß ihr Trotz war, ging aus
dem Bericht eines Gefangenen hervor. welcher erzählte, die Soldaten würden,
wenn sie unverrichteter Dinge zurückkehrten, von den Einwohnern bedroht
und geschlagen, je, einer wäre sogar neulich aus diesem Grunde von
ihnen todtgeschlagen worden. Buch fand Gelegenheit, die Wahrheit davon zu
erproben. Beim Rückzüge von einem mislungenen Ausfall jagten die Bürger
die Truppen mehrmals wieder vorwärts und schlössen das Anösallthor, sooaß
diese genöthigt waren, über den Wall einzudringen. Sie hofften u> euugen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/467>, abgerufen am 22.07.2024.