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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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übrige Zeit des Jahres verbrachte. -- Wenn man bedenkt, daß die Armee
durch die Neueinberufung von 600,000 Freiwilligen verstärkt wurde und daß
zu dieser großen Formation alle stützenden Elemente fehlten, so erscheint die
nur durch' unbedeutende Gefechte des kleinen Kriegs unterbrochene Waffenruhe
des Heeres bis zum nächsten Frühjahr durchaus gerechtfertigt -- Sehr erleich¬
tert wurde die Neuorganisation dadurch, das, G>. Scott vom Oberbefehl aller
Armeen abtrat und Gi. Mac Clellan neben der directen Führung der Haupt¬
armee auch noch diesen Posten erhielt.

Von Seiten der Conföderirten wurde diese Ruhe nicht gestört, da auch sie
den bedeutenden Streitkräften der Union gegenüber darein gehen mußten, eine
entsprechende Armee aufzustellen. Jefferson Davis erhielt die volle Befugnis,,
über die Kräfte des Staats im Interesse seiner Vertheidigung zu verfügen.
Bei den geringen Hilfsmitteln des Landes aber war für ihn die Formirung
eines großen Heeres eine noch schwierigere Aufgabe, die freie Zeit bis zum
nächsten Frühjahr daher noch werthvoller, als dem Norden. -- Beide Heere
wurden mit der Anlage von Befestigungen beschäftigt, die eine" um Washing¬
ton, die andern um Richmond, so daß das Frühjahr 1862 diese Hauptstädte
als Festungen sah. Uebrigens trennte der Potomac die Kämpfenden, jedoch in
der Art. daß der Potomac von Washington aufwärts in den Händen der Union
war, unterhalb aber durch die Batterien der Conföderirten beherrscht wurde.
Die kleinen Gefechte, welche auf dieser Berührungslinie statthatten, bestanden
demgemäß oberhalb aus Überschreitungen, des Potomac, welche bei dem Ueber-
gange auf Fähren den eventuell zurückgeworfenen Truppen sehr gefährlich wer¬
den mußten, unterhalb aber aus Angriffen mit Kanonenbooten und andern
Schiffen auf die Strandbattcrien und Boote des Gegners. -- Bei den erster"
hatte die Nordarmee keine Erfolge, sondern erlitt bei Balls Bluff am 21. October
einen Verlust von 223 Todten. 266 Verwundeten und 455 Gefangenen; bei
den andern aber erlangte ihre Artillerie meist das Uebergewicht. Die gegen¬
seitige Stellung der Armee blieb indeß bis in den Winter dieselbe.

So kurze Strecken der Krieg auf dem bisher betrachteten Schauplatz seiner
Thaten zurückgelegt hat, so weite Bahnen machte er in diesem Jahr zur See.

Es ist schon früher erwähnt, daß Lincoln beim Antritt seiner Regierung
die maritimen Streitkräfte der Union vernachlässigt und zersplittert fand. Da
aber die Südstaaten mit allem ihrem Handel und allen ihren Bedürfnissen auf
eine freie Schiffscchrt angewiesen waren, so mußte die Blokade threr Häfen
als eins der wirksamsten Zwangsmittel gegen sie angesehn werden. Die Ver-
einigung und Vermehrung der Flotte wurde deshalb ungesäumt ins Auge ge-
faßt und unter dem 26. April 1861 der Ankauf von Bloladeschiffen verfügt.
Der Süden hatte geglaubt, daß die europäischen Staaten, welche auf seinen
Baumwollcnmarkt angewiesen waren, die Blokade seiner Häfen ">c gestatten


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übrige Zeit des Jahres verbrachte. — Wenn man bedenkt, daß die Armee
durch die Neueinberufung von 600,000 Freiwilligen verstärkt wurde und daß
zu dieser großen Formation alle stützenden Elemente fehlten, so erscheint die
nur durch' unbedeutende Gefechte des kleinen Kriegs unterbrochene Waffenruhe
des Heeres bis zum nächsten Frühjahr durchaus gerechtfertigt — Sehr erleich¬
tert wurde die Neuorganisation dadurch, das, G>. Scott vom Oberbefehl aller
Armeen abtrat und Gi. Mac Clellan neben der directen Führung der Haupt¬
armee auch noch diesen Posten erhielt.

Von Seiten der Conföderirten wurde diese Ruhe nicht gestört, da auch sie
den bedeutenden Streitkräften der Union gegenüber darein gehen mußten, eine
entsprechende Armee aufzustellen. Jefferson Davis erhielt die volle Befugnis,,
über die Kräfte des Staats im Interesse seiner Vertheidigung zu verfügen.
Bei den geringen Hilfsmitteln des Landes aber war für ihn die Formirung
eines großen Heeres eine noch schwierigere Aufgabe, die freie Zeit bis zum
nächsten Frühjahr daher noch werthvoller, als dem Norden. — Beide Heere
wurden mit der Anlage von Befestigungen beschäftigt, die eine» um Washing¬
ton, die andern um Richmond, so daß das Frühjahr 1862 diese Hauptstädte
als Festungen sah. Uebrigens trennte der Potomac die Kämpfenden, jedoch in
der Art. daß der Potomac von Washington aufwärts in den Händen der Union
war, unterhalb aber durch die Batterien der Conföderirten beherrscht wurde.
Die kleinen Gefechte, welche auf dieser Berührungslinie statthatten, bestanden
demgemäß oberhalb aus Überschreitungen, des Potomac, welche bei dem Ueber-
gange auf Fähren den eventuell zurückgeworfenen Truppen sehr gefährlich wer¬
den mußten, unterhalb aber aus Angriffen mit Kanonenbooten und andern
Schiffen auf die Strandbattcrien und Boote des Gegners. — Bei den erster«
hatte die Nordarmee keine Erfolge, sondern erlitt bei Balls Bluff am 21. October
einen Verlust von 223 Todten. 266 Verwundeten und 455 Gefangenen; bei
den andern aber erlangte ihre Artillerie meist das Uebergewicht. Die gegen¬
seitige Stellung der Armee blieb indeß bis in den Winter dieselbe.

So kurze Strecken der Krieg auf dem bisher betrachteten Schauplatz seiner
Thaten zurückgelegt hat, so weite Bahnen machte er in diesem Jahr zur See.

Es ist schon früher erwähnt, daß Lincoln beim Antritt seiner Regierung
die maritimen Streitkräfte der Union vernachlässigt und zersplittert fand. Da
aber die Südstaaten mit allem ihrem Handel und allen ihren Bedürfnissen auf
eine freie Schiffscchrt angewiesen waren, so mußte die Blokade threr Häfen
als eins der wirksamsten Zwangsmittel gegen sie angesehn werden. Die Ver-
einigung und Vermehrung der Flotte wurde deshalb ungesäumt ins Auge ge-
faßt und unter dem 26. April 1861 der Ankauf von Bloladeschiffen verfügt.
Der Süden hatte geglaubt, daß die europäischen Staaten, welche auf seinen
Baumwollcnmarkt angewiesen waren, die Blokade seiner Häfen »>c gestatten


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[0461] übrige Zeit des Jahres verbrachte. — Wenn man bedenkt, daß die Armee durch die Neueinberufung von 600,000 Freiwilligen verstärkt wurde und daß zu dieser großen Formation alle stützenden Elemente fehlten, so erscheint die nur durch' unbedeutende Gefechte des kleinen Kriegs unterbrochene Waffenruhe des Heeres bis zum nächsten Frühjahr durchaus gerechtfertigt — Sehr erleich¬ tert wurde die Neuorganisation dadurch, das, G>. Scott vom Oberbefehl aller Armeen abtrat und Gi. Mac Clellan neben der directen Führung der Haupt¬ armee auch noch diesen Posten erhielt. Von Seiten der Conföderirten wurde diese Ruhe nicht gestört, da auch sie den bedeutenden Streitkräften der Union gegenüber darein gehen mußten, eine entsprechende Armee aufzustellen. Jefferson Davis erhielt die volle Befugnis,, über die Kräfte des Staats im Interesse seiner Vertheidigung zu verfügen. Bei den geringen Hilfsmitteln des Landes aber war für ihn die Formirung eines großen Heeres eine noch schwierigere Aufgabe, die freie Zeit bis zum nächsten Frühjahr daher noch werthvoller, als dem Norden. — Beide Heere wurden mit der Anlage von Befestigungen beschäftigt, die eine» um Washing¬ ton, die andern um Richmond, so daß das Frühjahr 1862 diese Hauptstädte als Festungen sah. Uebrigens trennte der Potomac die Kämpfenden, jedoch in der Art. daß der Potomac von Washington aufwärts in den Händen der Union war, unterhalb aber durch die Batterien der Conföderirten beherrscht wurde. Die kleinen Gefechte, welche auf dieser Berührungslinie statthatten, bestanden demgemäß oberhalb aus Überschreitungen, des Potomac, welche bei dem Ueber- gange auf Fähren den eventuell zurückgeworfenen Truppen sehr gefährlich wer¬ den mußten, unterhalb aber aus Angriffen mit Kanonenbooten und andern Schiffen auf die Strandbattcrien und Boote des Gegners. — Bei den erster« hatte die Nordarmee keine Erfolge, sondern erlitt bei Balls Bluff am 21. October einen Verlust von 223 Todten. 266 Verwundeten und 455 Gefangenen; bei den andern aber erlangte ihre Artillerie meist das Uebergewicht. Die gegen¬ seitige Stellung der Armee blieb indeß bis in den Winter dieselbe. So kurze Strecken der Krieg auf dem bisher betrachteten Schauplatz seiner Thaten zurückgelegt hat, so weite Bahnen machte er in diesem Jahr zur See. Es ist schon früher erwähnt, daß Lincoln beim Antritt seiner Regierung die maritimen Streitkräfte der Union vernachlässigt und zersplittert fand. Da aber die Südstaaten mit allem ihrem Handel und allen ihren Bedürfnissen auf eine freie Schiffscchrt angewiesen waren, so mußte die Blokade threr Häfen als eins der wirksamsten Zwangsmittel gegen sie angesehn werden. Die Ver- einigung und Vermehrung der Flotte wurde deshalb ungesäumt ins Auge ge- faßt und unter dem 26. April 1861 der Ankauf von Bloladeschiffen verfügt. Der Süden hatte geglaubt, daß die europäischen Staaten, welche auf seinen Baumwollcnmarkt angewiesen waren, die Blokade seiner Häfen »>c gestatten Ättnzdotc» IV. 16ö4. 58

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/461>, abgerufen am 22.07.2024.