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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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Nach Alter und Verwandtschaft vereinigt sitzt man in einer stillen Feier¬
täglichkeit beisammen in der großen Wohnstube. Nebenan in der Kammer
rüstet die Mutter ihre Waare, auch die Kinder kommen von ihrem besonderen
Geschäfte zurück, sie haben ins Fenster der Schlafkammer ein Bündelchen Heu
geschlichtet, ein Näpfchen Lecksalz und einen Schuh Voll Hafer gestellt, alles
als Futter für den Nikvlausoneskl. Ein leerer Teller steht dabei vor dem offnen
Schiebfenster, in diesen kann der Heilige, nährend sein Thier vom Salze leckt,
schnell noch was Besonderes einlegen. Wer aber aus Gewinnsucht das Heu
früher streut, als recht ist, dem fressen es die Ziegen weg, wenn man sie des
Abends von der Tränke in den Stall zurücktreibt; ohne anzuhalten geht dann
Nikolaus hier vorbei. Aber dies ist hier bereits abgethan, im Zimmer ists
mäuschenstille. Mutter und Vater fehlen schon länger, nur die Dienstmagd geht
geheimnißvoll ab und zu. So oft die Hausglocke drunten schellt, rücken die
Kleinen näher aneinander, aber wie tapfere Schuhgeister sitzen Pathe oder
Onkel bei dein verschüchterten Völkchen. Nun gilts Ernst; ein Glockenklaugi die
Thüre öffnet sich und herein tritt eine lange Mannsgestalt mit milchweißem
Langbari, ein Lockenhaar von Hobcispamingelu bis auf den Boden reichend,
über und über in Schafpelz oder Wildschur. Er beginnt seine Fragen:

Je nach der Ellern Antwort ist nun der Erfolg. Entweder läßt er aus
seinen Pelzen einen Negen von Nüssen. Kastanien, Mandeln und Feigen sich
ergießen, oder es tritt hinter dem schneeweißen Niesen alsbald der kohlschwarze
Schmutzli hervor. Dieser zeigt Ruthe und Besen, er rasselt mit Schellen und
Kette", er hält wirklich einen Esel am Zaume, einen Burschen, der ein Lein-
tuch mit hochgeknüpften Ohren über sich hergeworfen hat und es mittels einer
Querstange in die Länge hält. Das böse Thier will sich durchaus nicht ab¬
satteln lassen. Also kann Schmutzli den gefüllten Mantelsack nicht abladen und
zeigt statt dessen nur den offnen Äschensack. Schrecklich lautet sein Drvhwvrt:

[Beginn Spaltensatz] Patter . . . Pattcrvnc,
Erbs oder Fücrbvhne!
Zwei c so Buche
Stoß i in Aeschcsack,[Spaltenumbruch] Wenn sie und z'fride sind.
Stoß i noch siehe Chind
Zue de drei Buebne
Zum Schnupftabak!
[Ende Spaltensatz]
Drei e so Maidschi
Stoß i in Sack.

Solcherlei Drohungen sind niemals vollziehbar, alle Kleinen haben siel, bereits
hinter die Mutter verkrochen. Nun aber gehts aus Aussagen der gelernten
Lieder und Sprüchlein, auch das Jüngste muß zeigen, wie man ein Kreuz
schlägt und ein Gebetlein spricht. Letzteres lautet:


Nach Alter und Verwandtschaft vereinigt sitzt man in einer stillen Feier¬
täglichkeit beisammen in der großen Wohnstube. Nebenan in der Kammer
rüstet die Mutter ihre Waare, auch die Kinder kommen von ihrem besonderen
Geschäfte zurück, sie haben ins Fenster der Schlafkammer ein Bündelchen Heu
geschlichtet, ein Näpfchen Lecksalz und einen Schuh Voll Hafer gestellt, alles
als Futter für den Nikvlausoneskl. Ein leerer Teller steht dabei vor dem offnen
Schiebfenster, in diesen kann der Heilige, nährend sein Thier vom Salze leckt,
schnell noch was Besonderes einlegen. Wer aber aus Gewinnsucht das Heu
früher streut, als recht ist, dem fressen es die Ziegen weg, wenn man sie des
Abends von der Tränke in den Stall zurücktreibt; ohne anzuhalten geht dann
Nikolaus hier vorbei. Aber dies ist hier bereits abgethan, im Zimmer ists
mäuschenstille. Mutter und Vater fehlen schon länger, nur die Dienstmagd geht
geheimnißvoll ab und zu. So oft die Hausglocke drunten schellt, rücken die
Kleinen näher aneinander, aber wie tapfere Schuhgeister sitzen Pathe oder
Onkel bei dein verschüchterten Völkchen. Nun gilts Ernst; ein Glockenklaugi die
Thüre öffnet sich und herein tritt eine lange Mannsgestalt mit milchweißem
Langbari, ein Lockenhaar von Hobcispamingelu bis auf den Boden reichend,
über und über in Schafpelz oder Wildschur. Er beginnt seine Fragen:

Je nach der Ellern Antwort ist nun der Erfolg. Entweder läßt er aus
seinen Pelzen einen Negen von Nüssen. Kastanien, Mandeln und Feigen sich
ergießen, oder es tritt hinter dem schneeweißen Niesen alsbald der kohlschwarze
Schmutzli hervor. Dieser zeigt Ruthe und Besen, er rasselt mit Schellen und
Kette», er hält wirklich einen Esel am Zaume, einen Burschen, der ein Lein-
tuch mit hochgeknüpften Ohren über sich hergeworfen hat und es mittels einer
Querstange in die Länge hält. Das böse Thier will sich durchaus nicht ab¬
satteln lassen. Also kann Schmutzli den gefüllten Mantelsack nicht abladen und
zeigt statt dessen nur den offnen Äschensack. Schrecklich lautet sein Drvhwvrt:

[Beginn Spaltensatz] Patter . . . Pattcrvnc,
Erbs oder Fücrbvhne!
Zwei c so Buche
Stoß i in Aeschcsack,[Spaltenumbruch] Wenn sie und z'fride sind.
Stoß i noch siehe Chind
Zue de drei Buebne
Zum Schnupftabak!
[Ende Spaltensatz]
Drei e so Maidschi
Stoß i in Sack.

Solcherlei Drohungen sind niemals vollziehbar, alle Kleinen haben siel, bereits
hinter die Mutter verkrochen. Nun aber gehts aus Aussagen der gelernten
Lieder und Sprüchlein, auch das Jüngste muß zeigen, wie man ein Kreuz
schlägt und ein Gebetlein spricht. Letzteres lautet:


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[0392] Nach Alter und Verwandtschaft vereinigt sitzt man in einer stillen Feier¬ täglichkeit beisammen in der großen Wohnstube. Nebenan in der Kammer rüstet die Mutter ihre Waare, auch die Kinder kommen von ihrem besonderen Geschäfte zurück, sie haben ins Fenster der Schlafkammer ein Bündelchen Heu geschlichtet, ein Näpfchen Lecksalz und einen Schuh Voll Hafer gestellt, alles als Futter für den Nikvlausoneskl. Ein leerer Teller steht dabei vor dem offnen Schiebfenster, in diesen kann der Heilige, nährend sein Thier vom Salze leckt, schnell noch was Besonderes einlegen. Wer aber aus Gewinnsucht das Heu früher streut, als recht ist, dem fressen es die Ziegen weg, wenn man sie des Abends von der Tränke in den Stall zurücktreibt; ohne anzuhalten geht dann Nikolaus hier vorbei. Aber dies ist hier bereits abgethan, im Zimmer ists mäuschenstille. Mutter und Vater fehlen schon länger, nur die Dienstmagd geht geheimnißvoll ab und zu. So oft die Hausglocke drunten schellt, rücken die Kleinen näher aneinander, aber wie tapfere Schuhgeister sitzen Pathe oder Onkel bei dein verschüchterten Völkchen. Nun gilts Ernst; ein Glockenklaugi die Thüre öffnet sich und herein tritt eine lange Mannsgestalt mit milchweißem Langbari, ein Lockenhaar von Hobcispamingelu bis auf den Boden reichend, über und über in Schafpelz oder Wildschur. Er beginnt seine Fragen: Je nach der Ellern Antwort ist nun der Erfolg. Entweder läßt er aus seinen Pelzen einen Negen von Nüssen. Kastanien, Mandeln und Feigen sich ergießen, oder es tritt hinter dem schneeweißen Niesen alsbald der kohlschwarze Schmutzli hervor. Dieser zeigt Ruthe und Besen, er rasselt mit Schellen und Kette», er hält wirklich einen Esel am Zaume, einen Burschen, der ein Lein- tuch mit hochgeknüpften Ohren über sich hergeworfen hat und es mittels einer Querstange in die Länge hält. Das böse Thier will sich durchaus nicht ab¬ satteln lassen. Also kann Schmutzli den gefüllten Mantelsack nicht abladen und zeigt statt dessen nur den offnen Äschensack. Schrecklich lautet sein Drvhwvrt: Patter . . . Pattcrvnc, Erbs oder Fücrbvhne! Zwei c so Buche Stoß i in Aeschcsack, Wenn sie und z'fride sind. Stoß i noch siehe Chind Zue de drei Buebne Zum Schnupftabak! Drei e so Maidschi Stoß i in Sack. Solcherlei Drohungen sind niemals vollziehbar, alle Kleinen haben siel, bereits hinter die Mutter verkrochen. Nun aber gehts aus Aussagen der gelernten Lieder und Sprüchlein, auch das Jüngste muß zeigen, wie man ein Kreuz schlägt und ein Gebetlein spricht. Letzteres lautet:

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/392>, abgerufen am 22.07.2024.