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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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liebe Auslage, die hier auf Rechnung der Klausengeschenke kommt, bis auf
13,000 Gulden. (Rüsch, der Kanton Appenzell, Mg'. 113.) Hieß Gott Odhinn
mit einem seiner Beinamen Osci, der Wunschcrfüller, so muß auch sein Bote
oder Stellvertreter wenigstens die Wünsche der Kindheit zu erfüllen wissen; die
offne Hand ist daher Sinnbild und uraltes Emblem dieses Bescherungstages.
In dem bretternen Kalender, welcher in einem Sennhause im Oberwallis ge¬
funden worden und nun in den züricher Antiquar. Mittheilungen, Bd. 12, ab¬
gebildet ist, stehen nur Bildzeichen eingeschnitten, ohne Zahl und Buchstaben.
Der 6. December wird hier durch eine fünffingrig ausgestreckte Patschhand
bezeichnet. Daher ist denn die Hand schon längst eine der Formen, nach denen
man die heiligen Festbrode modelt und bäckt. Wie man nach dem symbolischen
Werthe der Finger verschiedene Mehlspeisen benennt: Fingernudeln, Süße Fin-
gcrlcn, Bauchstccherlein, ebenso bäckt man Zwcckbrode in Form von Hand und
Handschuh und legt ihnen die verschiedenartigsten Sticbnamcn bei. Am Zürichsee
verkauft man am Klausentage Brcchtirgelei" und Marzipane, auf denen eine aus¬
gestreckte Hand, ein Mannshandschuh, oder ein gestickter Frauenhandschuh ab¬
gepreßt ist. Letztere bezeichnen die vom Pathen dem Pathenkinde herkömmlich
zu schenkenden Handschuhe oder das Handschuhgeld. Das um Frankfurt, z. B.
in Bockenheim handförmig gebackene Mürbbrod heißt man dorten Ohrfeigen;
der Name correspondirt mit dem des sohlenförmig gemodelten Bisquits, das
wir Maultäschlein nennen. Aus solchem Klausenbrod bildete sich der Namens¬
begriff des altbayrischen Klaubenbrodes, ein obst- und mandelgefülltes Nikvlaus-
brod. das der Heilige den Kindern klaubt (zusammenliest) und das ihm seinen
späteren Scheuämameu Klaubauf (Kinderräuber) eingetragen hat. Die religiöse
Beziehung, welche diesem Gebäcke wirklich zukam, verräth sein kirchlicher Name
manus L!Iri'i"ti. Das Manus-Christibrvo, sagt Hieronymus Bock (der Teutschen
Speisekammer 1665, Blatt 43) wird aus süßduftenden Roggenmehl gebacken.
Später hat dasselbe sich verkleinert in die Manus-Christitäfelcin, Zuckerzeltlcin,
gegen deren Herumreichen während des Gottesdienstes Abraham a Santa Clara
in seinem "Merks Wien!" 1684 gepredigt hat. Aus der Brvdhand ward ein
Brodhandschuh, genau so wie am Rhein der riesige Begleiter des bescherenden
Nikolaus von seinen großen Pelzhandschuhen den Namen Hans Muff bekommen
hat, oder wie der das süße Hutzelbrod Bertheilende, welches in Bayern Klauben
drob heißt, zum Kiaubauf geworden ist.

Zum Schluß zeichnen wir nun diejenigen intimeren Züge, die dem bis¬
her beschriebenen Feste in den Familien unseres eigenen Wohnortes eigen sind.

Es trifft sich bei uns und anderwärts, daß einige Tage vor dem Feste die
Winterjahrmärkte der Reihe nach in unsern Nachbarstädtchen abgehalten werden.
Der Hausvater muß mit seinem Vorrathe dorthin gehen, aber wie seine Kinder
meinen, diesmal nicht in seinen, sondern nur in ihren Geschäften. Beim Fort-


liebe Auslage, die hier auf Rechnung der Klausengeschenke kommt, bis auf
13,000 Gulden. (Rüsch, der Kanton Appenzell, Mg'. 113.) Hieß Gott Odhinn
mit einem seiner Beinamen Osci, der Wunschcrfüller, so muß auch sein Bote
oder Stellvertreter wenigstens die Wünsche der Kindheit zu erfüllen wissen; die
offne Hand ist daher Sinnbild und uraltes Emblem dieses Bescherungstages.
In dem bretternen Kalender, welcher in einem Sennhause im Oberwallis ge¬
funden worden und nun in den züricher Antiquar. Mittheilungen, Bd. 12, ab¬
gebildet ist, stehen nur Bildzeichen eingeschnitten, ohne Zahl und Buchstaben.
Der 6. December wird hier durch eine fünffingrig ausgestreckte Patschhand
bezeichnet. Daher ist denn die Hand schon längst eine der Formen, nach denen
man die heiligen Festbrode modelt und bäckt. Wie man nach dem symbolischen
Werthe der Finger verschiedene Mehlspeisen benennt: Fingernudeln, Süße Fin-
gcrlcn, Bauchstccherlein, ebenso bäckt man Zwcckbrode in Form von Hand und
Handschuh und legt ihnen die verschiedenartigsten Sticbnamcn bei. Am Zürichsee
verkauft man am Klausentage Brcchtirgelei» und Marzipane, auf denen eine aus¬
gestreckte Hand, ein Mannshandschuh, oder ein gestickter Frauenhandschuh ab¬
gepreßt ist. Letztere bezeichnen die vom Pathen dem Pathenkinde herkömmlich
zu schenkenden Handschuhe oder das Handschuhgeld. Das um Frankfurt, z. B.
in Bockenheim handförmig gebackene Mürbbrod heißt man dorten Ohrfeigen;
der Name correspondirt mit dem des sohlenförmig gemodelten Bisquits, das
wir Maultäschlein nennen. Aus solchem Klausenbrod bildete sich der Namens¬
begriff des altbayrischen Klaubenbrodes, ein obst- und mandelgefülltes Nikvlaus-
brod. das der Heilige den Kindern klaubt (zusammenliest) und das ihm seinen
späteren Scheuämameu Klaubauf (Kinderräuber) eingetragen hat. Die religiöse
Beziehung, welche diesem Gebäcke wirklich zukam, verräth sein kirchlicher Name
manus L!Iri'i»ti. Das Manus-Christibrvo, sagt Hieronymus Bock (der Teutschen
Speisekammer 1665, Blatt 43) wird aus süßduftenden Roggenmehl gebacken.
Später hat dasselbe sich verkleinert in die Manus-Christitäfelcin, Zuckerzeltlcin,
gegen deren Herumreichen während des Gottesdienstes Abraham a Santa Clara
in seinem „Merks Wien!" 1684 gepredigt hat. Aus der Brvdhand ward ein
Brodhandschuh, genau so wie am Rhein der riesige Begleiter des bescherenden
Nikolaus von seinen großen Pelzhandschuhen den Namen Hans Muff bekommen
hat, oder wie der das süße Hutzelbrod Bertheilende, welches in Bayern Klauben
drob heißt, zum Kiaubauf geworden ist.

Zum Schluß zeichnen wir nun diejenigen intimeren Züge, die dem bis¬
her beschriebenen Feste in den Familien unseres eigenen Wohnortes eigen sind.

Es trifft sich bei uns und anderwärts, daß einige Tage vor dem Feste die
Winterjahrmärkte der Reihe nach in unsern Nachbarstädtchen abgehalten werden.
Der Hausvater muß mit seinem Vorrathe dorthin gehen, aber wie seine Kinder
meinen, diesmal nicht in seinen, sondern nur in ihren Geschäften. Beim Fort-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/390>, abgerufen am 22.07.2024.