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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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als Sakristan der verschriene Knecht Scbmutzli mit der großen Stalllaterne vor¬
leuchtete, nahmen seine Esel kindlich in der Hatisküche PlaK, als in der näch¬
sten Nähe von Butter und Mehl, von Brod und Wurst, Hier wurde ihnen
denn der Korb gefüllt. Schließlich vereinigten sich die verschiedenen Rotten
wieder unter der Dorflinde und eontrolirten das an Trank' und Speise Ein¬
gesammelte. Am nächstfolgenden Sonntag wurde dies alles zu einem ge¬
meinsamen Gastmahle "verdunstet und verwurstet", jeder der Niklausen und
Schmutzlis brachte dazu sein Mädchen mit auf den Tanzboden und zeigte ihr
prahlend, welchen Klausen er ihr erjagt habe. Wollte er recht großmüthig
thun, so bröckelte er ihr da die Honigzellen gehäuft in den Schoß, die sie ihm
die Woche zuvor nur zögernd und einzeln verabreicht hatte.

In den refvrmnten Theilen der Schweiz ist von dieser Tracht des Kinder-
biscbofs wenig zu sehen, es wäre denn die hoch aus Pappendeckel geschnittene
Bischofsmütze mit transparenten Bilderwerke und dreingestelltem Lichtlein, welche
die Klausenjäger im Klarnerlande tragen. Im Städtchen Aarburg erscheinen
neben dem Sträggele und Knecht Ruprecht (dem ruhmschimmcrnden Weihnachts-
bvtcn) die weiblichen strahlend weißen Bercbtelen und Weihnachtskindchen. Es
sind weißgekleidete Knaben und Mädchen, die paarweise schon einige Wochen
vor dem Nikolausabend Nachts in die Häuser zum Besuch kommen. Sie tra-
gen Ueberwurfe mit rothen Bandschleifen, auf dem Kopfe einen Kranz, von
dem ein Schleier herabfällt und sie gänzlich enthüllt. Jedes bat eine oder zwei
ähnlich gekleidete Mägde bei sich, welche Goldnüssc und Honigbrödchen aus-
theilen, während die Führerin den Kindern fromme Reime vorspricht. Die
Klausen >in Züricherlande kommen in einem rothen Rittermantel, mit Gold-
papier gesäumt, tragen Stulpstiefel mit Sporen, in der Hand ein gezogenes
^cbwert. auf dem Hanpte einen dreieckigen Pappendeckelhut. DaS drinnen ver¬
bergen brennende Liebt beleuchtet eine transparent >n die Hutseite geschnittene
große Hand, die ihre fünf Finger zum Geben und Nehmen ausstreckt. Sie
deutet auf des heiligen Nikolaus Freigebigkeit und ist eine beredte Anforderung
an die Großmuth der Zuhörer, vor denen der Klaus seinen gedehnten Reim-
spruch hersagt. Und wirklich >se diese offne Hand das treffende Sinnbild der
Festtags, denn keine Hand bleibt verschlossen; die Wohlthätigkeit ist an diesem
!age eine allgemeine Landesangelegenheit, selbst wo das Fest kein kirchliches
""hr ist, da ist es ein Gemeindefest, bei welchem auch der Geringste im Orte
nicht von der öffentlichen Freude ausgeschlossen sein soll. Wenn unsre städtische"
Magistrate im Aargau jährlich ihleu Rechenschaftsbericht den Ortsbürgern vor¬
legen, so bildet darin die Nikolausspende einen stehenden Posten. Der Bericht
der Almoscnpflege der Stadt Baden von, Jahre 1839 führt an: "Stoffe zu
Kleidungsstücken auf das Fest des heiligen Nikolaus, ausgetheilt an 58 Kinder."
Im kleinen Appenzell Immer-Rhoden schätzt man seit dem Jahre die jähr-


Menzboten IV. 18V4. 49

als Sakristan der verschriene Knecht Scbmutzli mit der großen Stalllaterne vor¬
leuchtete, nahmen seine Esel kindlich in der Hatisküche PlaK, als in der näch¬
sten Nähe von Butter und Mehl, von Brod und Wurst, Hier wurde ihnen
denn der Korb gefüllt. Schließlich vereinigten sich die verschiedenen Rotten
wieder unter der Dorflinde und eontrolirten das an Trank' und Speise Ein¬
gesammelte. Am nächstfolgenden Sonntag wurde dies alles zu einem ge¬
meinsamen Gastmahle „verdunstet und verwurstet", jeder der Niklausen und
Schmutzlis brachte dazu sein Mädchen mit auf den Tanzboden und zeigte ihr
prahlend, welchen Klausen er ihr erjagt habe. Wollte er recht großmüthig
thun, so bröckelte er ihr da die Honigzellen gehäuft in den Schoß, die sie ihm
die Woche zuvor nur zögernd und einzeln verabreicht hatte.

In den refvrmnten Theilen der Schweiz ist von dieser Tracht des Kinder-
biscbofs wenig zu sehen, es wäre denn die hoch aus Pappendeckel geschnittene
Bischofsmütze mit transparenten Bilderwerke und dreingestelltem Lichtlein, welche
die Klausenjäger im Klarnerlande tragen. Im Städtchen Aarburg erscheinen
neben dem Sträggele und Knecht Ruprecht (dem ruhmschimmcrnden Weihnachts-
bvtcn) die weiblichen strahlend weißen Bercbtelen und Weihnachtskindchen. Es
sind weißgekleidete Knaben und Mädchen, die paarweise schon einige Wochen
vor dem Nikolausabend Nachts in die Häuser zum Besuch kommen. Sie tra-
gen Ueberwurfe mit rothen Bandschleifen, auf dem Kopfe einen Kranz, von
dem ein Schleier herabfällt und sie gänzlich enthüllt. Jedes bat eine oder zwei
ähnlich gekleidete Mägde bei sich, welche Goldnüssc und Honigbrödchen aus-
theilen, während die Führerin den Kindern fromme Reime vorspricht. Die
Klausen >in Züricherlande kommen in einem rothen Rittermantel, mit Gold-
papier gesäumt, tragen Stulpstiefel mit Sporen, in der Hand ein gezogenes
^cbwert. auf dem Hanpte einen dreieckigen Pappendeckelhut. DaS drinnen ver¬
bergen brennende Liebt beleuchtet eine transparent >n die Hutseite geschnittene
große Hand, die ihre fünf Finger zum Geben und Nehmen ausstreckt. Sie
deutet auf des heiligen Nikolaus Freigebigkeit und ist eine beredte Anforderung
an die Großmuth der Zuhörer, vor denen der Klaus seinen gedehnten Reim-
spruch hersagt. Und wirklich >se diese offne Hand das treffende Sinnbild der
Festtags, denn keine Hand bleibt verschlossen; die Wohlthätigkeit ist an diesem
!age eine allgemeine Landesangelegenheit, selbst wo das Fest kein kirchliches
""hr ist, da ist es ein Gemeindefest, bei welchem auch der Geringste im Orte
nicht von der öffentlichen Freude ausgeschlossen sein soll. Wenn unsre städtische»
Magistrate im Aargau jährlich ihleu Rechenschaftsbericht den Ortsbürgern vor¬
legen, so bildet darin die Nikolausspende einen stehenden Posten. Der Bericht
der Almoscnpflege der Stadt Baden von, Jahre 1839 führt an: „Stoffe zu
Kleidungsstücken auf das Fest des heiligen Nikolaus, ausgetheilt an 58 Kinder."
Im kleinen Appenzell Immer-Rhoden schätzt man seit dem Jahre die jähr-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/389>, abgerufen am 22.07.2024.