Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

schönen Eigenschaften des Körpers und der Seele, welche man nur wünschen
rann, und von denen die Handlungen kommen, welche Quintus Curtius Alexander
dem Großen zuschreibt." Seine Frömmigkeit weiß dem Tode auch einen mora¬
lischen Sinn unterzulegen; "wir würden sehr glücklich gewesen sein, wenn der
gute Gott ihn uns gelassen hatte; aber weil wir den großen Schatz nicht
kannten, hat er ihn uns genommen, um uns zu zeigen, daß wir ihn nicht
verdienten."

Buch konnte sich der traurigen Pflicht nicht entziehen, die schlimme Post
dem Pater zu dringen. Rührend, wie er zögert, dem Kurfürsten die Nach¬
richt direct zu geben. Damit dieser nicht durch den Hufschlag des Pferdes
aufmerksam werde, steigt er sorglich ab und geht am Hause des Kurfürsten vor¬
bei zum Kanzler von Somnitz, um es diesem zu melden. Der Bediente, der
ihm sein Pferd hatte nachbringen sollen, kommt zu früh; der Kurfürst hört
das Geräusch und erfährt, daß es Buchs Pferd sei, welches gebracht wird, er
erschrickt, denn "da kommt keine gute Nachricht," meint er, "sonst hätte der
sie schneller gebracht." "Gott gebe, daß er nicht giftige Bissen bekommen,"
äußert er dann zu Buch, als er sich vom Ausgange der Krankheit berichten
läßt, wobei beide oft durch Thränen unterbrochen werden. Auch die Kurfürstin,
der Fräulein von Waagenheim die Kunde hinterbrachte, beklagte den geliebten
Stiefsohn innig, "in dem ihren eigenen Kindern nicht blos ein Bruder, sondern
ein zweiter Bater gestorben sei".

Die weitern Kriegsunternehmungcn ließen sich nicht sehr viel versprechend
an. Zwar wurden Befort, Philippsburg und namentlich die starke Festung
Breisach blockirt, letztere auf der linken Rheinseite durch Brandenburger allein.
auf der rechten durch gemischte Truppen; aber das klägliche Benehmen Bour-
nonvilles hintertrieb den Erfolg aller Operationen, die bei der breiten Basis,
welche die Truppen jetzt innehielten, ganz besondere Energie erfordert hätten,
vollends seit Türenne die Verstärkungen an sich gezogen hatte, welche ihm der
von Cord6s Armee aus den Niederlanden kommende Marquis von Montauban
zuführte. Er war jetzt den Verbündeten Heeren, die durch Mangel, Krankheit
und Desertion schrecklich zusammengeschmolzen waren, um ein reichliches Drittel
überlegen und hatte dazu noch den Vortheil, nach eignem Gutdünken und von
vortrefflichen Nückhaltspunkten aus zu agiren. Als Türenne hinter den Bö¬
rsen her. die Lothringer werfend auf den Schlettstadter Paß losrückte, um
5le Allrirten in ihren Winterquartieren zu überfallen, wobei die kaiserlichen
und namentlich die höchst kläglichen münstcrischen Truppen sich unfähig zeigten,
'du aufzuhalten, was nur den-lüneburgische" halbwegs gelang, kam es zwi¬
schen Türtheim und Colmar im Münsterthal zum Treffen. Bournonville hatte
auf den Weinbergen gegen den Feind Cavallerie statt Infanterie postirt. Der
Fehler war nur zu Verbessern, wenn die Kaiserliche" alsbald sich zum Gegen-


schönen Eigenschaften des Körpers und der Seele, welche man nur wünschen
rann, und von denen die Handlungen kommen, welche Quintus Curtius Alexander
dem Großen zuschreibt." Seine Frömmigkeit weiß dem Tode auch einen mora¬
lischen Sinn unterzulegen; „wir würden sehr glücklich gewesen sein, wenn der
gute Gott ihn uns gelassen hatte; aber weil wir den großen Schatz nicht
kannten, hat er ihn uns genommen, um uns zu zeigen, daß wir ihn nicht
verdienten."

Buch konnte sich der traurigen Pflicht nicht entziehen, die schlimme Post
dem Pater zu dringen. Rührend, wie er zögert, dem Kurfürsten die Nach¬
richt direct zu geben. Damit dieser nicht durch den Hufschlag des Pferdes
aufmerksam werde, steigt er sorglich ab und geht am Hause des Kurfürsten vor¬
bei zum Kanzler von Somnitz, um es diesem zu melden. Der Bediente, der
ihm sein Pferd hatte nachbringen sollen, kommt zu früh; der Kurfürst hört
das Geräusch und erfährt, daß es Buchs Pferd sei, welches gebracht wird, er
erschrickt, denn „da kommt keine gute Nachricht," meint er, „sonst hätte der
sie schneller gebracht." „Gott gebe, daß er nicht giftige Bissen bekommen,"
äußert er dann zu Buch, als er sich vom Ausgange der Krankheit berichten
läßt, wobei beide oft durch Thränen unterbrochen werden. Auch die Kurfürstin,
der Fräulein von Waagenheim die Kunde hinterbrachte, beklagte den geliebten
Stiefsohn innig, „in dem ihren eigenen Kindern nicht blos ein Bruder, sondern
ein zweiter Bater gestorben sei".

Die weitern Kriegsunternehmungcn ließen sich nicht sehr viel versprechend
an. Zwar wurden Befort, Philippsburg und namentlich die starke Festung
Breisach blockirt, letztere auf der linken Rheinseite durch Brandenburger allein.
auf der rechten durch gemischte Truppen; aber das klägliche Benehmen Bour-
nonvilles hintertrieb den Erfolg aller Operationen, die bei der breiten Basis,
welche die Truppen jetzt innehielten, ganz besondere Energie erfordert hätten,
vollends seit Türenne die Verstärkungen an sich gezogen hatte, welche ihm der
von Cord6s Armee aus den Niederlanden kommende Marquis von Montauban
zuführte. Er war jetzt den Verbündeten Heeren, die durch Mangel, Krankheit
und Desertion schrecklich zusammengeschmolzen waren, um ein reichliches Drittel
überlegen und hatte dazu noch den Vortheil, nach eignem Gutdünken und von
vortrefflichen Nückhaltspunkten aus zu agiren. Als Türenne hinter den Bö¬
rsen her. die Lothringer werfend auf den Schlettstadter Paß losrückte, um
5le Allrirten in ihren Winterquartieren zu überfallen, wobei die kaiserlichen
und namentlich die höchst kläglichen münstcrischen Truppen sich unfähig zeigten,
'du aufzuhalten, was nur den-lüneburgische» halbwegs gelang, kam es zwi¬
schen Türtheim und Colmar im Münsterthal zum Treffen. Bournonville hatte
auf den Weinbergen gegen den Feind Cavallerie statt Infanterie postirt. Der
Fehler war nur zu Verbessern, wenn die Kaiserliche» alsbald sich zum Gegen-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0377" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/190001"/>
            <p xml:id="ID_1317" prev="#ID_1316"> schönen Eigenschaften des Körpers und der Seele, welche man nur wünschen<lb/>
rann, und von denen die Handlungen kommen, welche Quintus Curtius Alexander<lb/>
dem Großen zuschreibt." Seine Frömmigkeit weiß dem Tode auch einen mora¬<lb/>
lischen Sinn unterzulegen; &#x201E;wir würden sehr glücklich gewesen sein, wenn der<lb/>
gute Gott ihn uns gelassen hatte; aber weil wir den großen Schatz nicht<lb/>
kannten, hat er ihn uns genommen, um uns zu zeigen, daß wir ihn nicht<lb/>
verdienten."</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1318"> Buch konnte sich der traurigen Pflicht nicht entziehen, die schlimme Post<lb/>
dem Pater zu dringen. Rührend, wie er zögert, dem Kurfürsten die Nach¬<lb/>
richt direct zu geben. Damit dieser nicht durch den Hufschlag des Pferdes<lb/>
aufmerksam werde, steigt er sorglich ab und geht am Hause des Kurfürsten vor¬<lb/>
bei zum Kanzler von Somnitz, um es diesem zu melden. Der Bediente, der<lb/>
ihm sein Pferd hatte nachbringen sollen, kommt zu früh; der Kurfürst hört<lb/>
das Geräusch und erfährt, daß es Buchs Pferd sei, welches gebracht wird, er<lb/>
erschrickt, denn &#x201E;da kommt keine gute Nachricht," meint er, &#x201E;sonst hätte der<lb/>
sie schneller gebracht." &#x201E;Gott gebe, daß er nicht giftige Bissen bekommen,"<lb/>
äußert er dann zu Buch, als er sich vom Ausgange der Krankheit berichten<lb/>
läßt, wobei beide oft durch Thränen unterbrochen werden. Auch die Kurfürstin,<lb/>
der Fräulein von Waagenheim die Kunde hinterbrachte, beklagte den geliebten<lb/>
Stiefsohn innig, &#x201E;in dem ihren eigenen Kindern nicht blos ein Bruder, sondern<lb/>
ein zweiter Bater gestorben sei".</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1319" next="#ID_1320"> Die weitern Kriegsunternehmungcn ließen sich nicht sehr viel versprechend<lb/>
an. Zwar wurden Befort, Philippsburg und namentlich die starke Festung<lb/>
Breisach blockirt, letztere auf der linken Rheinseite durch Brandenburger allein.<lb/>
auf der rechten durch gemischte Truppen; aber das klägliche Benehmen Bour-<lb/>
nonvilles hintertrieb den Erfolg aller Operationen, die bei der breiten Basis,<lb/>
welche die Truppen jetzt innehielten, ganz besondere Energie erfordert hätten,<lb/>
vollends seit Türenne die Verstärkungen an sich gezogen hatte, welche ihm der<lb/>
von Cord6s Armee aus den Niederlanden kommende Marquis von Montauban<lb/>
zuführte. Er war jetzt den Verbündeten Heeren, die durch Mangel, Krankheit<lb/>
und Desertion schrecklich zusammengeschmolzen waren, um ein reichliches Drittel<lb/>
überlegen und hatte dazu noch den Vortheil, nach eignem Gutdünken und von<lb/>
vortrefflichen Nückhaltspunkten aus zu agiren. Als Türenne hinter den Bö¬<lb/>
rsen her. die Lothringer werfend auf den Schlettstadter Paß losrückte, um<lb/>
5le Allrirten in ihren Winterquartieren zu überfallen, wobei die kaiserlichen<lb/>
und namentlich die höchst kläglichen münstcrischen Truppen sich unfähig zeigten,<lb/>
'du aufzuhalten, was nur den-lüneburgische» halbwegs gelang, kam es zwi¬<lb/>
schen Türtheim und Colmar im Münsterthal zum Treffen. Bournonville hatte<lb/>
auf den Weinbergen gegen den Feind Cavallerie statt Infanterie postirt. Der<lb/>
Fehler war nur zu Verbessern, wenn die Kaiserliche» alsbald sich zum Gegen-</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0377] schönen Eigenschaften des Körpers und der Seele, welche man nur wünschen rann, und von denen die Handlungen kommen, welche Quintus Curtius Alexander dem Großen zuschreibt." Seine Frömmigkeit weiß dem Tode auch einen mora¬ lischen Sinn unterzulegen; „wir würden sehr glücklich gewesen sein, wenn der gute Gott ihn uns gelassen hatte; aber weil wir den großen Schatz nicht kannten, hat er ihn uns genommen, um uns zu zeigen, daß wir ihn nicht verdienten." Buch konnte sich der traurigen Pflicht nicht entziehen, die schlimme Post dem Pater zu dringen. Rührend, wie er zögert, dem Kurfürsten die Nach¬ richt direct zu geben. Damit dieser nicht durch den Hufschlag des Pferdes aufmerksam werde, steigt er sorglich ab und geht am Hause des Kurfürsten vor¬ bei zum Kanzler von Somnitz, um es diesem zu melden. Der Bediente, der ihm sein Pferd hatte nachbringen sollen, kommt zu früh; der Kurfürst hört das Geräusch und erfährt, daß es Buchs Pferd sei, welches gebracht wird, er erschrickt, denn „da kommt keine gute Nachricht," meint er, „sonst hätte der sie schneller gebracht." „Gott gebe, daß er nicht giftige Bissen bekommen," äußert er dann zu Buch, als er sich vom Ausgange der Krankheit berichten läßt, wobei beide oft durch Thränen unterbrochen werden. Auch die Kurfürstin, der Fräulein von Waagenheim die Kunde hinterbrachte, beklagte den geliebten Stiefsohn innig, „in dem ihren eigenen Kindern nicht blos ein Bruder, sondern ein zweiter Bater gestorben sei". Die weitern Kriegsunternehmungcn ließen sich nicht sehr viel versprechend an. Zwar wurden Befort, Philippsburg und namentlich die starke Festung Breisach blockirt, letztere auf der linken Rheinseite durch Brandenburger allein. auf der rechten durch gemischte Truppen; aber das klägliche Benehmen Bour- nonvilles hintertrieb den Erfolg aller Operationen, die bei der breiten Basis, welche die Truppen jetzt innehielten, ganz besondere Energie erfordert hätten, vollends seit Türenne die Verstärkungen an sich gezogen hatte, welche ihm der von Cord6s Armee aus den Niederlanden kommende Marquis von Montauban zuführte. Er war jetzt den Verbündeten Heeren, die durch Mangel, Krankheit und Desertion schrecklich zusammengeschmolzen waren, um ein reichliches Drittel überlegen und hatte dazu noch den Vortheil, nach eignem Gutdünken und von vortrefflichen Nückhaltspunkten aus zu agiren. Als Türenne hinter den Bö¬ rsen her. die Lothringer werfend auf den Schlettstadter Paß losrückte, um 5le Allrirten in ihren Winterquartieren zu überfallen, wobei die kaiserlichen und namentlich die höchst kläglichen münstcrischen Truppen sich unfähig zeigten, 'du aufzuhalten, was nur den-lüneburgische» halbwegs gelang, kam es zwi¬ schen Türtheim und Colmar im Münsterthal zum Treffen. Bournonville hatte auf den Weinbergen gegen den Feind Cavallerie statt Infanterie postirt. Der Fehler war nur zu Verbessern, wenn die Kaiserliche» alsbald sich zum Gegen-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/377
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/377>, abgerufen am 22.07.2024.