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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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feindliche Lager aufheben. Auch diesmal fehlte trotz des Verbotes der ominöse
kaiserliche "Trompeter" nicht. Bournonville wußte auch noch direct zwischen
Plan und Ausführung zu treten. Wirtlich zog der Feind am Morgen des
Tages ab, für dessen Abend jene Unternehmung anberaumt gewesen war.

Nur 13. November begann der Abmarsch in die Winterquartiere, die im obern
Elsaß, bei Colmar genommen werden sollte. Buch ist außer sich über die schlechte
Versorgung, die den Brandenburgern zu Theil wurde; "unsre Leute lagen dort
wie die Hunde, Dank dem großen Vertrag, den wir gemacht hatten; der Feind
brauchte nur 4--500 Mann zu Fuß und 100 Pferde zu senden und hätte uns
den Unterrock genommen!" Der Kurfürst wohnte im Stadthause. Es war sein
Erstes, daß er Buch zurückschickte nach Straßburg, wo der Kurprinz hatte bleiben
müssen, da er erkrankt war. Er wollte durch ihn fortwährend Kunde über
das Befinden des Kranken haben. Unterwegs schon erfuhr Buch von ernst¬
licher Verschlimmerung im Zustande des Prinzen. Als er in Straßburg ankam
bestätigte sich die?. Mit aufopfernder Treue pflegte er den geliebten Jüngling,
der ihm Herr und Freund war. Durch großen Blutverlust geschwächt, befand
sich der Kranke fast ununterbrochen besinnungslos in Träumen, welche, wie
Buch sagt, "reine gewöhnlichen nichtigen Dinge, sondern die Größe seines
Geistes wiedcrspiegelten, der nicht fähig war, etwas niedriges zu treiben."
"Ich erstaune," fügt er hinzu, "daß jemand, dein man so viel Blut entzogen,
der so viel durch die Nase verlor, der einen solchen Durchfall hatte, der so viel
Medizin "ahn, so wenig genoß und seit fast einem Monat weder Tag noch
Nacht Ruhe hatte, noch so viel Kräfte haben konnte, wie er; denn er hielt sich
noch ganz allein; als wir ihn einmal aus einem Bett ins andere tragen wollten,
wehrte er sich, "wie," sagte er, "ihr wollt mich nöthigen, meinen Posten zu
verlassen? ich ließe mich lieber in Stücke schneiden, als etwas gegen meine
Ehre zu thun." In der Nacht vom 27. auf den 28. November, an einem
Freitag, starb er. Der getreue Buch fließt über von Jammer über diesen Ver¬
lust. "Was mich selbst betrifft," sagt er am Schlüsse des rührenden Lobes,
das er dem Todten zollt, "ich habe mehr verloren als ich je in der Welr Ver¬
lieren kann." In der Thal muß Car! Aemil ein Prinz von seltnen Eigen¬
schaften gewesen fein. selbständig, offen, frei von Charakter, liebevoll und
treu gegen seine Freunde, entschieden gegen alles Unlautere, von reinen Sitten,
voll trefflicher Anlagen; auch körperlich anmuting, nicht groß, aber schön von
Wuchs, von gedrungenem Gliederbau, "die Physiognomie eines Adlers, die
schöngeschnittenen braunen Augen voll Feuer, der Teint sehr lebhaft, schön und
zart, schön weiß und roth gemischt, eine Adlernase und groß, der Mund schön
fein gewölbt, die Lippe" schön roth, und der Kopf ein schönes Oval, die hell¬
braunen Haare lang und stark, gut geordnet, -- um die Wahrheit ohne
Schmeichelei zu sagen," fügt Buch hinzu, "es war ein Prinz begabt mit allen


feindliche Lager aufheben. Auch diesmal fehlte trotz des Verbotes der ominöse
kaiserliche „Trompeter" nicht. Bournonville wußte auch noch direct zwischen
Plan und Ausführung zu treten. Wirtlich zog der Feind am Morgen des
Tages ab, für dessen Abend jene Unternehmung anberaumt gewesen war.

Nur 13. November begann der Abmarsch in die Winterquartiere, die im obern
Elsaß, bei Colmar genommen werden sollte. Buch ist außer sich über die schlechte
Versorgung, die den Brandenburgern zu Theil wurde; „unsre Leute lagen dort
wie die Hunde, Dank dem großen Vertrag, den wir gemacht hatten; der Feind
brauchte nur 4—500 Mann zu Fuß und 100 Pferde zu senden und hätte uns
den Unterrock genommen!" Der Kurfürst wohnte im Stadthause. Es war sein
Erstes, daß er Buch zurückschickte nach Straßburg, wo der Kurprinz hatte bleiben
müssen, da er erkrankt war. Er wollte durch ihn fortwährend Kunde über
das Befinden des Kranken haben. Unterwegs schon erfuhr Buch von ernst¬
licher Verschlimmerung im Zustande des Prinzen. Als er in Straßburg ankam
bestätigte sich die?. Mit aufopfernder Treue pflegte er den geliebten Jüngling,
der ihm Herr und Freund war. Durch großen Blutverlust geschwächt, befand
sich der Kranke fast ununterbrochen besinnungslos in Träumen, welche, wie
Buch sagt, „reine gewöhnlichen nichtigen Dinge, sondern die Größe seines
Geistes wiedcrspiegelten, der nicht fähig war, etwas niedriges zu treiben."
„Ich erstaune," fügt er hinzu, „daß jemand, dein man so viel Blut entzogen,
der so viel durch die Nase verlor, der einen solchen Durchfall hatte, der so viel
Medizin »ahn, so wenig genoß und seit fast einem Monat weder Tag noch
Nacht Ruhe hatte, noch so viel Kräfte haben konnte, wie er; denn er hielt sich
noch ganz allein; als wir ihn einmal aus einem Bett ins andere tragen wollten,
wehrte er sich, „wie," sagte er, „ihr wollt mich nöthigen, meinen Posten zu
verlassen? ich ließe mich lieber in Stücke schneiden, als etwas gegen meine
Ehre zu thun." In der Nacht vom 27. auf den 28. November, an einem
Freitag, starb er. Der getreue Buch fließt über von Jammer über diesen Ver¬
lust. „Was mich selbst betrifft," sagt er am Schlüsse des rührenden Lobes,
das er dem Todten zollt, „ich habe mehr verloren als ich je in der Welr Ver¬
lieren kann." In der Thal muß Car! Aemil ein Prinz von seltnen Eigen¬
schaften gewesen fein. selbständig, offen, frei von Charakter, liebevoll und
treu gegen seine Freunde, entschieden gegen alles Unlautere, von reinen Sitten,
voll trefflicher Anlagen; auch körperlich anmuting, nicht groß, aber schön von
Wuchs, von gedrungenem Gliederbau, „die Physiognomie eines Adlers, die
schöngeschnittenen braunen Augen voll Feuer, der Teint sehr lebhaft, schön und
zart, schön weiß und roth gemischt, eine Adlernase und groß, der Mund schön
fein gewölbt, die Lippe» schön roth, und der Kopf ein schönes Oval, die hell¬
braunen Haare lang und stark, gut geordnet, — um die Wahrheit ohne
Schmeichelei zu sagen," fügt Buch hinzu, „es war ein Prinz begabt mit allen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/376>, abgerufen am 22.07.2024.