Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

lische Sinn, der ihn beseelt, der Charakter, der ihn bei jeder Gelegenheit
als fein empfindenden tüchtigen Menschen, tapfern Soldaten und echten Cavalier
offenbart. Er schreibt fast immer lageweise das eben Erlebte wiedergebend,
schlicht, wie es ihm in die Feder fließt, die nur dann thätig sein kann, wenn
Kriegsarbcit oder Geschäfte seine Zeit nicht in Anspruch nehmen. Es fehlt ihm
an Muße, Betrachtungen über die Dinge anzustellen; er giebt sie, wiesle ihm
in den Wurf kommen. Je nach der Stimmung, in der er sich befindet, ist seine
Schreibweise manchmal lebendig, oft auch langweilig, immer aber ist interessant
und lehrreich, was er berichtet, wenn wir auch nicht der unerschöpflichen Fülle
großer und unerhörter Ereignisse begegnen, welche uns in den Tagen des großen
Friedrich cntgegcnquillt. Dafür blicken wir, von ihm geführt, in die stillcifrige,
aber nicbt minder bedeutende Arbeit des Auferbans und der Erneuerung in
Staat und Heer, welche die Muße des großen Kurfürsten ausfüllt, und er
selbst, der edle Pionnier der Größe Preußens, tritt uns in seiner officiellen und
privaten Gestalt, in großen und kleinen Zügen, in Heidenthum und Tagewerk
leibhaftig und greifbar vor die Augen.

Auch die Form der Aufzeichnungen zeigt die Art und Weise der Zeit;
Französisch und Deutsch wechselt bunt durcheinander, obwohl die französische
Diction überwiegt; an manchen Stellen notirt sich Buch nur mit einzelnen
Buchstaben seine Glossen, die dann schwer, oft gar nicht zu entziffern sind.
Diese Eigenthümlichkeiten aber haben gerade ihren? besondern Werth. Wir er¬
halten auf diese Weise eine literarische Photographie der Vergangenheit, absolut
getreu in den Vorzügen wie in den Mängeln und das macht dieses Buch so
unschätzbar*). Im Folgenden geben wir auf Grund jener Tagebücher eine
kurze Schilderung einiger Episoden, von denen Buch berichtet.

l. Aus dem Ncichskrieg im Elsaß 1674.

Seit dem Frieden von Vossern, zu welchem der große Kurfürst nach der



") Das Mcinuscript ist im königlichen Geheimen Staatsarchive zu Berlin aufbewahrt.
Der Herausgeber hat es für gut befunden, die ursprüngliche Form desselben nicht beizubehalte",
sondern er giebt uns einen gleichmäßigen Text in getreuer deutscher UeberseKung. Dazu be¬
wog ihn die Rücksicht auf die Zweckmäßigkeit. Er wollte das Tagebuch, welches fast nur
inhaltlichen Werth beanspruche" könne, gern weiten Kreisen zugänglich machen und wählte
deshalb die Uebertragung in eine Form, die lesbarer wäre, als das mittelmäßige und wenig
geschmeidige Französisch, dessen sich Buch bedient. Gewiß sind diese Gründe zu ehre"; indeß
bleibt vo" Seite" der Wissenschaft die Frage, ob es nicht besser gewesen sein würde, de>S Eine
zu thun und das Andre nicht zu lassen, nämlich den Urtext diplomatisch getreu abzudrucken
und daneben die UcberseKung. Das hätte vielleicht auf Kosten der Ausstattung geschehen
müsse", die sehr splendid ist, aber es würde den Werth der Edition unvcrhältnißmnßig erhöht
habe", während ihr, wie sie jetzt vorliegt, ein sehr wesentliches Ingredienz der Quellenmäßig-
t>it abgeht.

lische Sinn, der ihn beseelt, der Charakter, der ihn bei jeder Gelegenheit
als fein empfindenden tüchtigen Menschen, tapfern Soldaten und echten Cavalier
offenbart. Er schreibt fast immer lageweise das eben Erlebte wiedergebend,
schlicht, wie es ihm in die Feder fließt, die nur dann thätig sein kann, wenn
Kriegsarbcit oder Geschäfte seine Zeit nicht in Anspruch nehmen. Es fehlt ihm
an Muße, Betrachtungen über die Dinge anzustellen; er giebt sie, wiesle ihm
in den Wurf kommen. Je nach der Stimmung, in der er sich befindet, ist seine
Schreibweise manchmal lebendig, oft auch langweilig, immer aber ist interessant
und lehrreich, was er berichtet, wenn wir auch nicht der unerschöpflichen Fülle
großer und unerhörter Ereignisse begegnen, welche uns in den Tagen des großen
Friedrich cntgegcnquillt. Dafür blicken wir, von ihm geführt, in die stillcifrige,
aber nicbt minder bedeutende Arbeit des Auferbans und der Erneuerung in
Staat und Heer, welche die Muße des großen Kurfürsten ausfüllt, und er
selbst, der edle Pionnier der Größe Preußens, tritt uns in seiner officiellen und
privaten Gestalt, in großen und kleinen Zügen, in Heidenthum und Tagewerk
leibhaftig und greifbar vor die Augen.

Auch die Form der Aufzeichnungen zeigt die Art und Weise der Zeit;
Französisch und Deutsch wechselt bunt durcheinander, obwohl die französische
Diction überwiegt; an manchen Stellen notirt sich Buch nur mit einzelnen
Buchstaben seine Glossen, die dann schwer, oft gar nicht zu entziffern sind.
Diese Eigenthümlichkeiten aber haben gerade ihren? besondern Werth. Wir er¬
halten auf diese Weise eine literarische Photographie der Vergangenheit, absolut
getreu in den Vorzügen wie in den Mängeln und das macht dieses Buch so
unschätzbar*). Im Folgenden geben wir auf Grund jener Tagebücher eine
kurze Schilderung einiger Episoden, von denen Buch berichtet.

l. Aus dem Ncichskrieg im Elsaß 1674.

Seit dem Frieden von Vossern, zu welchem der große Kurfürst nach der



") Das Mcinuscript ist im königlichen Geheimen Staatsarchive zu Berlin aufbewahrt.
Der Herausgeber hat es für gut befunden, die ursprüngliche Form desselben nicht beizubehalte»,
sondern er giebt uns einen gleichmäßigen Text in getreuer deutscher UeberseKung. Dazu be¬
wog ihn die Rücksicht auf die Zweckmäßigkeit. Er wollte das Tagebuch, welches fast nur
inhaltlichen Werth beanspruche» könne, gern weiten Kreisen zugänglich machen und wählte
deshalb die Uebertragung in eine Form, die lesbarer wäre, als das mittelmäßige und wenig
geschmeidige Französisch, dessen sich Buch bedient. Gewiß sind diese Gründe zu ehre»; indeß
bleibt vo» Seite» der Wissenschaft die Frage, ob es nicht besser gewesen sein würde, de>S Eine
zu thun und das Andre nicht zu lassen, nämlich den Urtext diplomatisch getreu abzudrucken
und daneben die UcberseKung. Das hätte vielleicht auf Kosten der Ausstattung geschehen
müsse», die sehr splendid ist, aber es würde den Werth der Edition unvcrhältnißmnßig erhöht
habe», während ihr, wie sie jetzt vorliegt, ein sehr wesentliches Ingredienz der Quellenmäßig-
t>it abgeht.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0368" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/189992"/>
          <p xml:id="ID_1286" prev="#ID_1285"> lische Sinn, der ihn beseelt, der Charakter, der ihn bei jeder Gelegenheit<lb/>
als fein empfindenden tüchtigen Menschen, tapfern Soldaten und echten Cavalier<lb/>
offenbart. Er schreibt fast immer lageweise das eben Erlebte wiedergebend,<lb/>
schlicht, wie es ihm in die Feder fließt, die nur dann thätig sein kann, wenn<lb/>
Kriegsarbcit oder Geschäfte seine Zeit nicht in Anspruch nehmen. Es fehlt ihm<lb/>
an Muße, Betrachtungen über die Dinge anzustellen; er giebt sie, wiesle ihm<lb/>
in den Wurf kommen. Je nach der Stimmung, in der er sich befindet, ist seine<lb/>
Schreibweise manchmal lebendig, oft auch langweilig, immer aber ist interessant<lb/>
und lehrreich, was er berichtet, wenn wir auch nicht der unerschöpflichen Fülle<lb/>
großer und unerhörter Ereignisse begegnen, welche uns in den Tagen des großen<lb/>
Friedrich cntgegcnquillt. Dafür blicken wir, von ihm geführt, in die stillcifrige,<lb/>
aber nicbt minder bedeutende Arbeit des Auferbans und der Erneuerung in<lb/>
Staat und Heer, welche die Muße des großen Kurfürsten ausfüllt, und er<lb/>
selbst, der edle Pionnier der Größe Preußens, tritt uns in seiner officiellen und<lb/>
privaten Gestalt, in großen und kleinen Zügen, in Heidenthum und Tagewerk<lb/>
leibhaftig und greifbar vor die Augen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1287"> Auch die Form der Aufzeichnungen zeigt die Art und Weise der Zeit;<lb/>
Französisch und Deutsch wechselt bunt durcheinander, obwohl die französische<lb/>
Diction überwiegt; an manchen Stellen notirt sich Buch nur mit einzelnen<lb/>
Buchstaben seine Glossen, die dann schwer, oft gar nicht zu entziffern sind.<lb/>
Diese Eigenthümlichkeiten aber haben gerade ihren? besondern Werth. Wir er¬<lb/>
halten auf diese Weise eine literarische Photographie der Vergangenheit, absolut<lb/>
getreu in den Vorzügen wie in den Mängeln und das macht dieses Buch so<lb/>
unschätzbar*). Im Folgenden geben wir auf Grund jener Tagebücher eine<lb/>
kurze Schilderung einiger Episoden, von denen Buch berichtet.</p><lb/>
          <div n="2">
            <head> l.  Aus dem Ncichskrieg im Elsaß 1674.</head><lb/>
            <p xml:id="ID_1288" next="#ID_1289"> Seit dem Frieden von Vossern, zu welchem der große Kurfürst nach der</p><lb/>
            <note xml:id="FID_32" place="foot"> ") Das Mcinuscript ist im königlichen Geheimen Staatsarchive zu Berlin aufbewahrt.<lb/>
Der Herausgeber hat es für gut befunden, die ursprüngliche Form desselben nicht beizubehalte»,<lb/>
sondern er giebt uns einen gleichmäßigen Text in getreuer deutscher UeberseKung. Dazu be¬<lb/>
wog ihn die Rücksicht auf die Zweckmäßigkeit. Er wollte das Tagebuch, welches fast nur<lb/>
inhaltlichen Werth beanspruche» könne, gern weiten Kreisen zugänglich machen und wählte<lb/>
deshalb die Uebertragung in eine Form, die lesbarer wäre, als das mittelmäßige und wenig<lb/>
geschmeidige Französisch, dessen sich Buch bedient. Gewiß sind diese Gründe zu ehre»; indeß<lb/>
bleibt vo» Seite» der Wissenschaft die Frage, ob es nicht besser gewesen sein würde, de&gt;S Eine<lb/>
zu thun und das Andre nicht zu lassen, nämlich den Urtext diplomatisch getreu abzudrucken<lb/>
und daneben die UcberseKung. Das hätte vielleicht auf Kosten der Ausstattung geschehen<lb/>
müsse», die sehr splendid ist, aber es würde den Werth der Edition unvcrhältnißmnßig erhöht<lb/>
habe», während ihr, wie sie jetzt vorliegt, ein sehr wesentliches Ingredienz der Quellenmäßig-<lb/>
t&gt;it abgeht.</note><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0368] lische Sinn, der ihn beseelt, der Charakter, der ihn bei jeder Gelegenheit als fein empfindenden tüchtigen Menschen, tapfern Soldaten und echten Cavalier offenbart. Er schreibt fast immer lageweise das eben Erlebte wiedergebend, schlicht, wie es ihm in die Feder fließt, die nur dann thätig sein kann, wenn Kriegsarbcit oder Geschäfte seine Zeit nicht in Anspruch nehmen. Es fehlt ihm an Muße, Betrachtungen über die Dinge anzustellen; er giebt sie, wiesle ihm in den Wurf kommen. Je nach der Stimmung, in der er sich befindet, ist seine Schreibweise manchmal lebendig, oft auch langweilig, immer aber ist interessant und lehrreich, was er berichtet, wenn wir auch nicht der unerschöpflichen Fülle großer und unerhörter Ereignisse begegnen, welche uns in den Tagen des großen Friedrich cntgegcnquillt. Dafür blicken wir, von ihm geführt, in die stillcifrige, aber nicbt minder bedeutende Arbeit des Auferbans und der Erneuerung in Staat und Heer, welche die Muße des großen Kurfürsten ausfüllt, und er selbst, der edle Pionnier der Größe Preußens, tritt uns in seiner officiellen und privaten Gestalt, in großen und kleinen Zügen, in Heidenthum und Tagewerk leibhaftig und greifbar vor die Augen. Auch die Form der Aufzeichnungen zeigt die Art und Weise der Zeit; Französisch und Deutsch wechselt bunt durcheinander, obwohl die französische Diction überwiegt; an manchen Stellen notirt sich Buch nur mit einzelnen Buchstaben seine Glossen, die dann schwer, oft gar nicht zu entziffern sind. Diese Eigenthümlichkeiten aber haben gerade ihren? besondern Werth. Wir er¬ halten auf diese Weise eine literarische Photographie der Vergangenheit, absolut getreu in den Vorzügen wie in den Mängeln und das macht dieses Buch so unschätzbar*). Im Folgenden geben wir auf Grund jener Tagebücher eine kurze Schilderung einiger Episoden, von denen Buch berichtet. l. Aus dem Ncichskrieg im Elsaß 1674. Seit dem Frieden von Vossern, zu welchem der große Kurfürst nach der ") Das Mcinuscript ist im königlichen Geheimen Staatsarchive zu Berlin aufbewahrt. Der Herausgeber hat es für gut befunden, die ursprüngliche Form desselben nicht beizubehalte», sondern er giebt uns einen gleichmäßigen Text in getreuer deutscher UeberseKung. Dazu be¬ wog ihn die Rücksicht auf die Zweckmäßigkeit. Er wollte das Tagebuch, welches fast nur inhaltlichen Werth beanspruche» könne, gern weiten Kreisen zugänglich machen und wählte deshalb die Uebertragung in eine Form, die lesbarer wäre, als das mittelmäßige und wenig geschmeidige Französisch, dessen sich Buch bedient. Gewiß sind diese Gründe zu ehre»; indeß bleibt vo» Seite» der Wissenschaft die Frage, ob es nicht besser gewesen sein würde, de>S Eine zu thun und das Andre nicht zu lassen, nämlich den Urtext diplomatisch getreu abzudrucken und daneben die UcberseKung. Das hätte vielleicht auf Kosten der Ausstattung geschehen müsse», die sehr splendid ist, aber es würde den Werth der Edition unvcrhältnißmnßig erhöht habe», während ihr, wie sie jetzt vorliegt, ein sehr wesentliches Ingredienz der Quellenmäßig- t>it abgeht.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/368
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/368>, abgerufen am 22.07.2024.