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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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1347, welche im Sacramente der Ehe verherrlicht wird, dem Giotto zugeschrieben
worden, weil man eine Andeutung Petrarkas im Itinerarium Syriacum fälsch¬
lich auf diesen Ort bezog. Allein die "Kapelle des Königs", die der Dichter
dort meint, ist ohne Zweifel derjenige Appendix des Castel Nuovo, in welchem
auch Montano d'Arezzo gemalt hat kurz ehe Giotto nach Neapel kam. Mög¬
lich ist außerdem, daß hier von Seiten Petrarkas eine Verwechslung mit dem
königlichen Palaste am Hafen vorliegt, dem nach archivalischen Zeugnissen das
ehemalige Castel Nuovo benachbart war. In diesem Palaste soll Giotto, wie
Ghiberti angiebt, eine große Halle mit Bildnissen berühmter Neapolitaner aus¬
geschmückt haben.

Was er nach glaubwürdigen Mittheilungen auf seiner Rückkehr aus dem
Süden in Gaeta und dann in Rimini malte, ist untergegangen. 1334 finden
wir ihn endlich in Florenz wieder, wo er unterm 12. April dieses Jahres zum
Werkmeister der Kathedrale^ Sta Maria del Fiore ernannt wurde, welche damals
noch den Titel der heiligen Neparata führte. Hier sollte er in seiner letzten
großen Arbeit sich und seiner stolzen Adoptivmutter Florenz ein Denkmal grün¬
den, welches alle seine bisherigen Leistungen an Kunst wie an Ausdehnung
überragte.

Bis dahin hatte er nur als der erste Maler der Zeit gegolten; jetzt be¬
wies er, daß er auch als Architekt ein Genius ersten Ranges war. Sein Vor¬
gänger, Arnolfo ti Lapo hatte den Dom 1298 gegründet und in zwölf Jahren
den Rumpf des Gebäudes bis auf die Kuppel vollendet, als er starb. Ihm
ward zunächst die Aufgabe der ornamentalen Ausschmückung und Durchführung.
Er begann damit, die wenigen und dürftigen Ornamente, welche nach der
Zeichnung Arnolsos an der Fa^abe angebracht waren, zu entfernen und sie mit
Hilfe Andrea Pisanos durch andere zu ersetzen, die den Stil- und Maßverhält-
nissen des Gebäudes besser entsprachen. Zu den Seiten des Portals brachte
er vier große Prvphetenstatuen an; über demselben von Säulen getragen ein
Tabernakel, welches die heilige Jungfrau mit dem Kinde thronend zwischen den
Schutzpatronen der Stadt, dem heiligen Zanobi und der Neparata, darstellte.
Ueber den Seitcneingängen in ähnlichen architektonischen Rahmen Christi Ge¬
burt und den Tod der Maria; neben und oberhalb der Portale wieder Propheten,
Apostel, Märtyrer, in deren Gestalten viele hervorragende Florentiner ihre
Apotheose fanden. Die ganze Fe^abe, bereichert und vervollständigt von spä¬
teren Künstlern, wurde 1S88 abgenommen. Nur ungenügende Bilder davon
sind auf uns gekommen. Solcher Frevel rächt sich immer: in der beschundenen
Stirn dieses herrlichen Gebäudes, die heute noch keine neue Bekleidung hat
und die niemals eine erhalten wird, welche der Giottos ebenbürtig wäre, trägt
Florenz das Brandmal davon.

Sein zweites architektonisches Werk aber hat der Unbill der Zeiten getrotzt


1347, welche im Sacramente der Ehe verherrlicht wird, dem Giotto zugeschrieben
worden, weil man eine Andeutung Petrarkas im Itinerarium Syriacum fälsch¬
lich auf diesen Ort bezog. Allein die „Kapelle des Königs", die der Dichter
dort meint, ist ohne Zweifel derjenige Appendix des Castel Nuovo, in welchem
auch Montano d'Arezzo gemalt hat kurz ehe Giotto nach Neapel kam. Mög¬
lich ist außerdem, daß hier von Seiten Petrarkas eine Verwechslung mit dem
königlichen Palaste am Hafen vorliegt, dem nach archivalischen Zeugnissen das
ehemalige Castel Nuovo benachbart war. In diesem Palaste soll Giotto, wie
Ghiberti angiebt, eine große Halle mit Bildnissen berühmter Neapolitaner aus¬
geschmückt haben.

Was er nach glaubwürdigen Mittheilungen auf seiner Rückkehr aus dem
Süden in Gaeta und dann in Rimini malte, ist untergegangen. 1334 finden
wir ihn endlich in Florenz wieder, wo er unterm 12. April dieses Jahres zum
Werkmeister der Kathedrale^ Sta Maria del Fiore ernannt wurde, welche damals
noch den Titel der heiligen Neparata führte. Hier sollte er in seiner letzten
großen Arbeit sich und seiner stolzen Adoptivmutter Florenz ein Denkmal grün¬
den, welches alle seine bisherigen Leistungen an Kunst wie an Ausdehnung
überragte.

Bis dahin hatte er nur als der erste Maler der Zeit gegolten; jetzt be¬
wies er, daß er auch als Architekt ein Genius ersten Ranges war. Sein Vor¬
gänger, Arnolfo ti Lapo hatte den Dom 1298 gegründet und in zwölf Jahren
den Rumpf des Gebäudes bis auf die Kuppel vollendet, als er starb. Ihm
ward zunächst die Aufgabe der ornamentalen Ausschmückung und Durchführung.
Er begann damit, die wenigen und dürftigen Ornamente, welche nach der
Zeichnung Arnolsos an der Fa^abe angebracht waren, zu entfernen und sie mit
Hilfe Andrea Pisanos durch andere zu ersetzen, die den Stil- und Maßverhält-
nissen des Gebäudes besser entsprachen. Zu den Seiten des Portals brachte
er vier große Prvphetenstatuen an; über demselben von Säulen getragen ein
Tabernakel, welches die heilige Jungfrau mit dem Kinde thronend zwischen den
Schutzpatronen der Stadt, dem heiligen Zanobi und der Neparata, darstellte.
Ueber den Seitcneingängen in ähnlichen architektonischen Rahmen Christi Ge¬
burt und den Tod der Maria; neben und oberhalb der Portale wieder Propheten,
Apostel, Märtyrer, in deren Gestalten viele hervorragende Florentiner ihre
Apotheose fanden. Die ganze Fe^abe, bereichert und vervollständigt von spä¬
teren Künstlern, wurde 1S88 abgenommen. Nur ungenügende Bilder davon
sind auf uns gekommen. Solcher Frevel rächt sich immer: in der beschundenen
Stirn dieses herrlichen Gebäudes, die heute noch keine neue Bekleidung hat
und die niemals eine erhalten wird, welche der Giottos ebenbürtig wäre, trägt
Florenz das Brandmal davon.

Sein zweites architektonisches Werk aber hat der Unbill der Zeiten getrotzt


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/34>, abgerufen am 01.07.2024.