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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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Leute aus den bessern Schickten der gleichstehenden bürgerlichen Gesellschaft.
Denn wer irgend die Mittel hat sich frei zu machen, bleibt vom Kriege fern.
Der Norden führt den Kampf mit seinem Gelde, der Süden führt ihn selber.
Die Länge des Krieges hat allerdings auch die Offiziere allmälig erzogen und hat
mehr diejenigen an die Spitze gebracht, welche durch Muth und Begabung dazu be¬
rechtigt sind, aber daß dies noch nicht annähernd vollständig gelungen und daß
das Material, aus dem sie gebildet sind, sehr mittelmäßig ist, beweist die That¬
sache, daß in der Woche vom 9. bis 16. Juli 1864 mehr als 120 Offiziere
des Nordens cassirt wurden, vorwiegend wegen Feigheit, dann Trunkenheit. Aus¬
bleiben, Desertion, Unterschleif, unwürdigem Benehmen u. f. w. Daß selbst
nach vierjährigen Kriege und nach den bittern Erfahrungen desselben das Ver¬
dienst nicht vollständig die Leitung übernommen, hat darin seinen Grund, daß
das Avancement und die Anstellung in der Truppe der einheimischen Regierung
des Staats angekört und diese sich mehr von den kleinlichen Familien- und
Parteiinteressen als von den Zwecken des Staats und der Sache leiten läßt.
Das Avancement in der Armee ist nicht der Lohn der Leistungen, sondern die
Gunst der Verbindungen in der Heimath. Es ist gewiß, daß dadurch der dem
nordamerit'ansehen Bürger zunächst liegende Zweck am besten erreicht wird, näm¬
lich dieser, die Armee nicht zu einer Gewalt werden zu lassen, welche die Zügel
der Regierung selbst an sich zu nehmen vermochte; aber es ist nicht zu verken¬
nen, daß infolge dessen auch die Gewalt ausbleiben wird, dem Gegner Gesetze
vorzuschreiben.

Der Norden hat weder noch will er eine feste Heeresorganisation und deshalb
gelang es ihm noch nicht, den an Zahl und Mitteln so weit zurückstehender
Gegner zu überwinden. Aber wozu begann der Norden den Krieg. warum
ließ er den Süden sich nicht consolidiren, wenn er nicht die Mittel anwenden
will, um dem Heere die Durchführung seiner Absicht zu ermöglichen?

Nordamerika ist eben noch keine Einheit, kein Staat; der jetzige Krieg
macht es erst dazu und giebt ihm in einer Armee, die Gewalt, nach innen und
nach außen einen Willen zu haben und ihn durchzuführen.




Leute aus den bessern Schickten der gleichstehenden bürgerlichen Gesellschaft.
Denn wer irgend die Mittel hat sich frei zu machen, bleibt vom Kriege fern.
Der Norden führt den Kampf mit seinem Gelde, der Süden führt ihn selber.
Die Länge des Krieges hat allerdings auch die Offiziere allmälig erzogen und hat
mehr diejenigen an die Spitze gebracht, welche durch Muth und Begabung dazu be¬
rechtigt sind, aber daß dies noch nicht annähernd vollständig gelungen und daß
das Material, aus dem sie gebildet sind, sehr mittelmäßig ist, beweist die That¬
sache, daß in der Woche vom 9. bis 16. Juli 1864 mehr als 120 Offiziere
des Nordens cassirt wurden, vorwiegend wegen Feigheit, dann Trunkenheit. Aus¬
bleiben, Desertion, Unterschleif, unwürdigem Benehmen u. f. w. Daß selbst
nach vierjährigen Kriege und nach den bittern Erfahrungen desselben das Ver¬
dienst nicht vollständig die Leitung übernommen, hat darin seinen Grund, daß
das Avancement und die Anstellung in der Truppe der einheimischen Regierung
des Staats angekört und diese sich mehr von den kleinlichen Familien- und
Parteiinteressen als von den Zwecken des Staats und der Sache leiten läßt.
Das Avancement in der Armee ist nicht der Lohn der Leistungen, sondern die
Gunst der Verbindungen in der Heimath. Es ist gewiß, daß dadurch der dem
nordamerit'ansehen Bürger zunächst liegende Zweck am besten erreicht wird, näm¬
lich dieser, die Armee nicht zu einer Gewalt werden zu lassen, welche die Zügel
der Regierung selbst an sich zu nehmen vermochte; aber es ist nicht zu verken¬
nen, daß infolge dessen auch die Gewalt ausbleiben wird, dem Gegner Gesetze
vorzuschreiben.

Der Norden hat weder noch will er eine feste Heeresorganisation und deshalb
gelang es ihm noch nicht, den an Zahl und Mitteln so weit zurückstehender
Gegner zu überwinden. Aber wozu begann der Norden den Krieg. warum
ließ er den Süden sich nicht consolidiren, wenn er nicht die Mittel anwenden
will, um dem Heere die Durchführung seiner Absicht zu ermöglichen?

Nordamerika ist eben noch keine Einheit, kein Staat; der jetzige Krieg
macht es erst dazu und giebt ihm in einer Armee, die Gewalt, nach innen und
nach außen einen Willen zu haben und ihn durchzuführen.




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[0338] Leute aus den bessern Schickten der gleichstehenden bürgerlichen Gesellschaft. Denn wer irgend die Mittel hat sich frei zu machen, bleibt vom Kriege fern. Der Norden führt den Kampf mit seinem Gelde, der Süden führt ihn selber. Die Länge des Krieges hat allerdings auch die Offiziere allmälig erzogen und hat mehr diejenigen an die Spitze gebracht, welche durch Muth und Begabung dazu be¬ rechtigt sind, aber daß dies noch nicht annähernd vollständig gelungen und daß das Material, aus dem sie gebildet sind, sehr mittelmäßig ist, beweist die That¬ sache, daß in der Woche vom 9. bis 16. Juli 1864 mehr als 120 Offiziere des Nordens cassirt wurden, vorwiegend wegen Feigheit, dann Trunkenheit. Aus¬ bleiben, Desertion, Unterschleif, unwürdigem Benehmen u. f. w. Daß selbst nach vierjährigen Kriege und nach den bittern Erfahrungen desselben das Ver¬ dienst nicht vollständig die Leitung übernommen, hat darin seinen Grund, daß das Avancement und die Anstellung in der Truppe der einheimischen Regierung des Staats angekört und diese sich mehr von den kleinlichen Familien- und Parteiinteressen als von den Zwecken des Staats und der Sache leiten läßt. Das Avancement in der Armee ist nicht der Lohn der Leistungen, sondern die Gunst der Verbindungen in der Heimath. Es ist gewiß, daß dadurch der dem nordamerit'ansehen Bürger zunächst liegende Zweck am besten erreicht wird, näm¬ lich dieser, die Armee nicht zu einer Gewalt werden zu lassen, welche die Zügel der Regierung selbst an sich zu nehmen vermochte; aber es ist nicht zu verken¬ nen, daß infolge dessen auch die Gewalt ausbleiben wird, dem Gegner Gesetze vorzuschreiben. Der Norden hat weder noch will er eine feste Heeresorganisation und deshalb gelang es ihm noch nicht, den an Zahl und Mitteln so weit zurückstehender Gegner zu überwinden. Aber wozu begann der Norden den Krieg. warum ließ er den Süden sich nicht consolidiren, wenn er nicht die Mittel anwenden will, um dem Heere die Durchführung seiner Absicht zu ermöglichen? Nordamerika ist eben noch keine Einheit, kein Staat; der jetzige Krieg macht es erst dazu und giebt ihm in einer Armee, die Gewalt, nach innen und nach außen einen Willen zu haben und ihn durchzuführen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/338>, abgerufen am 22.07.2024.