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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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lichen Gesammtbclehnung die dem Blute nach fernere Linie vor der näheren,
in der berufenen Linie aber wieder der bestehenden Primogeniturordnung ge¬
mäß den regierenden Herrn des ältesten gottorfischen Zweiges, also Se. Majestät
den Kaiser Alexander den Zweiten von Nußland und jetzt dessen verzichtsmäßi¬
gen Substituten Se. Königliche Hoheit den Großherzog Peter von Oldenburg
als Repräsentanten der jüngeren gottorfischen Linie." 3) Oldenburg erhebt
nicht blos auf die einst gottorfischen Landestheile, sondern auf ganz Schleswig-
Holstein Anspruch. 4) Das der sonderburger Linie (den Augustenburgein) zu¬
ständige Revocationsrecht auf die ehemalige" Grafschaften Oldenburg und Del-
menhorst steht in keiner Beziehung zu dem gegenwärtigen Rechtsstreit.

Indem wir die wissenschaftliche Abweisung dieser wahrhaft monströsen Be¬
hauptungen den Männern der Wissenschaft überlasse" müssen, welche die Kern¬
punkte derselben schon einmal ziemlich mühelos als Rabulistenarbeit darstellten,
begnügen wir uns mit einigen kurzen Gegenbemerkungen.

Zu 2) ist zu sagen: Das Wahlrecht der Stände traf in seiner Ausübung
nur eine Person, nicht eine Linie, und dasselbe wurde 1616 beseitigt. Die
Communionsvcrhältnisse waren schon vor 1773 größtentheils aufgehoben und
bestehen seitdem gar nicht mehr, kommen folglich bei der Succession so wenig
in Betracht, als ein geschiedener Gatte aus der vor der Trennung giltig ge¬
wesenen Gütergemeinschaft mit dem andern Gatten irgendwelche Ansprüche auf
dessen hinterlassenes Vermögen herleiten kann. Die königliche Gesammtbeleh-
nung für Schleswig, die kaiserliche für Holstein haben bekanntermaßen nicht
blos die gottorfer, sondern auch die sonderburger Herzöge empfangen. Nach der
Primvgeniturordnung hat stets die dem Blute nach nähere Linie den Vorzug
vor der entfernteren. Nach dieser Ordnung wird endlich durch den Verzicht des
Kaisers von Rußland nicht der Großherzog von Oldenburg ein substitue des
Kaisers; denn zwischen der ältern und der jüngern Linie des Hauses Gottorf
steht die mittlere, deren Repräsentant der Prinz von Wasa ist, und dieser hat
nicht verzichtet.

Zu 3) erlauben wir uns die kurze Frage: Wie will man oldenburgischer-
seits mit den 1721 und 1773 geleisteten Verzichten fertig werden, und wie mit
den dafür angenommenen Entschädigungen?

Zu 4) wiederholen wir nur das oben Angedeutete: Nach den klarsten und
bündigsten Hausverträgen würde das von der oldcnburger Denkschrift als, außer
Beziehung zu dem gegenwärtigen Rechtsstreit stehend bezeichnete Revocations¬
recht sofort in Wirksamkeit treten, wenn nach dem Aussterben des königlichen
Mannsstammes in Dänemark die gottorsische Linie statt der sonderburger. deren
Repräsentant jetzt Herzog Friedrich der Achte ist. in dem Besitz des ehemals
gottorfischen Antheils des Herzogthums Holstein gelangte.

Wir kehren zu unserer obigen Deduction zurück. Rußland hatte, als es in
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lichen Gesammtbclehnung die dem Blute nach fernere Linie vor der näheren,
in der berufenen Linie aber wieder der bestehenden Primogeniturordnung ge¬
mäß den regierenden Herrn des ältesten gottorfischen Zweiges, also Se. Majestät
den Kaiser Alexander den Zweiten von Nußland und jetzt dessen verzichtsmäßi¬
gen Substituten Se. Königliche Hoheit den Großherzog Peter von Oldenburg
als Repräsentanten der jüngeren gottorfischen Linie." 3) Oldenburg erhebt
nicht blos auf die einst gottorfischen Landestheile, sondern auf ganz Schleswig-
Holstein Anspruch. 4) Das der sonderburger Linie (den Augustenburgein) zu¬
ständige Revocationsrecht auf die ehemalige» Grafschaften Oldenburg und Del-
menhorst steht in keiner Beziehung zu dem gegenwärtigen Rechtsstreit.

Indem wir die wissenschaftliche Abweisung dieser wahrhaft monströsen Be¬
hauptungen den Männern der Wissenschaft überlasse» müssen, welche die Kern¬
punkte derselben schon einmal ziemlich mühelos als Rabulistenarbeit darstellten,
begnügen wir uns mit einigen kurzen Gegenbemerkungen.

Zu 2) ist zu sagen: Das Wahlrecht der Stände traf in seiner Ausübung
nur eine Person, nicht eine Linie, und dasselbe wurde 1616 beseitigt. Die
Communionsvcrhältnisse waren schon vor 1773 größtentheils aufgehoben und
bestehen seitdem gar nicht mehr, kommen folglich bei der Succession so wenig
in Betracht, als ein geschiedener Gatte aus der vor der Trennung giltig ge¬
wesenen Gütergemeinschaft mit dem andern Gatten irgendwelche Ansprüche auf
dessen hinterlassenes Vermögen herleiten kann. Die königliche Gesammtbeleh-
nung für Schleswig, die kaiserliche für Holstein haben bekanntermaßen nicht
blos die gottorfer, sondern auch die sonderburger Herzöge empfangen. Nach der
Primvgeniturordnung hat stets die dem Blute nach nähere Linie den Vorzug
vor der entfernteren. Nach dieser Ordnung wird endlich durch den Verzicht des
Kaisers von Rußland nicht der Großherzog von Oldenburg ein substitue des
Kaisers; denn zwischen der ältern und der jüngern Linie des Hauses Gottorf
steht die mittlere, deren Repräsentant der Prinz von Wasa ist, und dieser hat
nicht verzichtet.

Zu 3) erlauben wir uns die kurze Frage: Wie will man oldenburgischer-
seits mit den 1721 und 1773 geleisteten Verzichten fertig werden, und wie mit
den dafür angenommenen Entschädigungen?

Zu 4) wiederholen wir nur das oben Angedeutete: Nach den klarsten und
bündigsten Hausverträgen würde das von der oldcnburger Denkschrift als, außer
Beziehung zu dem gegenwärtigen Rechtsstreit stehend bezeichnete Revocations¬
recht sofort in Wirksamkeit treten, wenn nach dem Aussterben des königlichen
Mannsstammes in Dänemark die gottorsische Linie statt der sonderburger. deren
Repräsentant jetzt Herzog Friedrich der Achte ist. in dem Besitz des ehemals
gottorfischen Antheils des Herzogthums Holstein gelangte.

Wir kehren zu unserer obigen Deduction zurück. Rußland hatte, als es in
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[0311] lichen Gesammtbclehnung die dem Blute nach fernere Linie vor der näheren, in der berufenen Linie aber wieder der bestehenden Primogeniturordnung ge¬ mäß den regierenden Herrn des ältesten gottorfischen Zweiges, also Se. Majestät den Kaiser Alexander den Zweiten von Nußland und jetzt dessen verzichtsmäßi¬ gen Substituten Se. Königliche Hoheit den Großherzog Peter von Oldenburg als Repräsentanten der jüngeren gottorfischen Linie." 3) Oldenburg erhebt nicht blos auf die einst gottorfischen Landestheile, sondern auf ganz Schleswig- Holstein Anspruch. 4) Das der sonderburger Linie (den Augustenburgein) zu¬ ständige Revocationsrecht auf die ehemalige» Grafschaften Oldenburg und Del- menhorst steht in keiner Beziehung zu dem gegenwärtigen Rechtsstreit. Indem wir die wissenschaftliche Abweisung dieser wahrhaft monströsen Be¬ hauptungen den Männern der Wissenschaft überlasse» müssen, welche die Kern¬ punkte derselben schon einmal ziemlich mühelos als Rabulistenarbeit darstellten, begnügen wir uns mit einigen kurzen Gegenbemerkungen. Zu 2) ist zu sagen: Das Wahlrecht der Stände traf in seiner Ausübung nur eine Person, nicht eine Linie, und dasselbe wurde 1616 beseitigt. Die Communionsvcrhältnisse waren schon vor 1773 größtentheils aufgehoben und bestehen seitdem gar nicht mehr, kommen folglich bei der Succession so wenig in Betracht, als ein geschiedener Gatte aus der vor der Trennung giltig ge¬ wesenen Gütergemeinschaft mit dem andern Gatten irgendwelche Ansprüche auf dessen hinterlassenes Vermögen herleiten kann. Die königliche Gesammtbeleh- nung für Schleswig, die kaiserliche für Holstein haben bekanntermaßen nicht blos die gottorfer, sondern auch die sonderburger Herzöge empfangen. Nach der Primvgeniturordnung hat stets die dem Blute nach nähere Linie den Vorzug vor der entfernteren. Nach dieser Ordnung wird endlich durch den Verzicht des Kaisers von Rußland nicht der Großherzog von Oldenburg ein substitue des Kaisers; denn zwischen der ältern und der jüngern Linie des Hauses Gottorf steht die mittlere, deren Repräsentant der Prinz von Wasa ist, und dieser hat nicht verzichtet. Zu 3) erlauben wir uns die kurze Frage: Wie will man oldenburgischer- seits mit den 1721 und 1773 geleisteten Verzichten fertig werden, und wie mit den dafür angenommenen Entschädigungen? Zu 4) wiederholen wir nur das oben Angedeutete: Nach den klarsten und bündigsten Hausverträgen würde das von der oldcnburger Denkschrift als, außer Beziehung zu dem gegenwärtigen Rechtsstreit stehend bezeichnete Revocations¬ recht sofort in Wirksamkeit treten, wenn nach dem Aussterben des königlichen Mannsstammes in Dänemark die gottorsische Linie statt der sonderburger. deren Repräsentant jetzt Herzog Friedrich der Achte ist. in dem Besitz des ehemals gottorfischen Antheils des Herzogthums Holstein gelangte. Wir kehren zu unserer obigen Deduction zurück. Rußland hatte, als es in " 39

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/311>, abgerufen am 22.07.2024.