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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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dem kissinger Briefe Rechte cedirte*), durchaus keine Rechte abzutreten, weder
auf ganz Schleswig-Holstein, noch auf einen Theil Holsteins. Nehmen wir
aber auch den fast wunderbaren Fall an, daß es den Herren Leverkus, Pernice
und Schultze gelungen sei, das Unmögliche zu leisten, nehmen wir an, sie hätten
in der beim Bunde eingereichten Denkschrift wirklich und wahrhaftig nachgewiesen,
der Kaiser von Rußland habe Rechte, deren Bedeutung er selbst nicht gekannt,
an den Großherzog abgetreten und letzterer habe also wirklich das Recht, die
Succession in dem einst großfürstlichen Antheil von Holstein (von mehr kann
auf keine Weise die Rede sein) gegen Herausgabe von Oldenburg und Delmen-
horst zu verlangen; was würde die Folge sein? Der Großherzog Peter würde
dann Oldenburg und Delmenhorst an den Herzog von Schleswig-Holstein ab¬
treten. Aber würde er selbst dann wenigstens im Besitz des dagegen ein¬
getauschten Stückes von Holstein verbleiben? Die Antwort lautet: Mitnichten.
Großherzog Peter ist, mag man an ihm aussetzen, was man will, auf alle
Fälle ein Fürst, dem man mit vollem Rechte nachrühmt, daß er an seinem ge¬
gebenen Worte festhält. Niemand weiß ein Beispiel anzuführen, daß er ein
ertheiltes Versprechen wegzudcuteln versucht habe. Bei diesem Charakter aber
würde derselbe sich genöthigt sehen, alles, was ihm etwa Von den Herzog-
thümern zufiele, ohne Verzug wieder an den König Christian den Neunte" von
Dänemark abzutreten.

Man halte dies nicht für Scherz, es ist die klare, baare Wahrheit. Denn
das angegebene Verfahren hat der Großherzog vor nunmehr zehn Jahren feier¬
lich versprochen. In einer förmlichen Cntsagungsaclc, datirt vom 28. März
1834, verzichtete derselbe zu Gunsten des Prinzen Christian von Glücksburg
und dessen männlicher Nachkommenschaft auf alle eventuellen Successionsrechte
in den Herzogthümern "für den Fall, daß Prinz Christian oder dessen männliche
Nachkommen den Thron Dänemarks besteigen und so lange Höchstdieselben ihn
innehaben werden." Eine andere Clausel ist nicht hinzugefügt, es ist namentlich
nicht gesagt, daß der Verzicht nicht gelten solle, falls die durch das londoner
Protokoll beabsichtigte Combination nicht zu, Stande kommen oder sich nicht
erhalten würde, sondern der Verzicht ist giltig für so lange, als Prinz Christian
von Glücksburg und sein Stamm auf dem Thron von Dänemark sitzen. Nun
denn -- der Prinz Christian ist jetzt Inhaber des dänischen Thrones, die Eider-
dänen haben nicht die Macht, ihn von da zu vertreiben und werden sie voraus¬
sichtlich auch nicht gewinnen. Die Consequenz ist also, meinen wir, klar. Wer
sich für die Ansprüche des Großherzogs Peter interessirt, der wünscl,t, gleichviel
ob wissentlich oder unwissentlich, daß so viel von den Herzogthümern, als dem



-) Eine förmliche Cessionsuikunde des Kaisers existirt nicht. Oldenburg sieht den ge¬
dachten Brief desselben als solche an.

dem kissinger Briefe Rechte cedirte*), durchaus keine Rechte abzutreten, weder
auf ganz Schleswig-Holstein, noch auf einen Theil Holsteins. Nehmen wir
aber auch den fast wunderbaren Fall an, daß es den Herren Leverkus, Pernice
und Schultze gelungen sei, das Unmögliche zu leisten, nehmen wir an, sie hätten
in der beim Bunde eingereichten Denkschrift wirklich und wahrhaftig nachgewiesen,
der Kaiser von Rußland habe Rechte, deren Bedeutung er selbst nicht gekannt,
an den Großherzog abgetreten und letzterer habe also wirklich das Recht, die
Succession in dem einst großfürstlichen Antheil von Holstein (von mehr kann
auf keine Weise die Rede sein) gegen Herausgabe von Oldenburg und Delmen-
horst zu verlangen; was würde die Folge sein? Der Großherzog Peter würde
dann Oldenburg und Delmenhorst an den Herzog von Schleswig-Holstein ab¬
treten. Aber würde er selbst dann wenigstens im Besitz des dagegen ein¬
getauschten Stückes von Holstein verbleiben? Die Antwort lautet: Mitnichten.
Großherzog Peter ist, mag man an ihm aussetzen, was man will, auf alle
Fälle ein Fürst, dem man mit vollem Rechte nachrühmt, daß er an seinem ge¬
gebenen Worte festhält. Niemand weiß ein Beispiel anzuführen, daß er ein
ertheiltes Versprechen wegzudcuteln versucht habe. Bei diesem Charakter aber
würde derselbe sich genöthigt sehen, alles, was ihm etwa Von den Herzog-
thümern zufiele, ohne Verzug wieder an den König Christian den Neunte» von
Dänemark abzutreten.

Man halte dies nicht für Scherz, es ist die klare, baare Wahrheit. Denn
das angegebene Verfahren hat der Großherzog vor nunmehr zehn Jahren feier¬
lich versprochen. In einer förmlichen Cntsagungsaclc, datirt vom 28. März
1834, verzichtete derselbe zu Gunsten des Prinzen Christian von Glücksburg
und dessen männlicher Nachkommenschaft auf alle eventuellen Successionsrechte
in den Herzogthümern „für den Fall, daß Prinz Christian oder dessen männliche
Nachkommen den Thron Dänemarks besteigen und so lange Höchstdieselben ihn
innehaben werden." Eine andere Clausel ist nicht hinzugefügt, es ist namentlich
nicht gesagt, daß der Verzicht nicht gelten solle, falls die durch das londoner
Protokoll beabsichtigte Combination nicht zu, Stande kommen oder sich nicht
erhalten würde, sondern der Verzicht ist giltig für so lange, als Prinz Christian
von Glücksburg und sein Stamm auf dem Thron von Dänemark sitzen. Nun
denn — der Prinz Christian ist jetzt Inhaber des dänischen Thrones, die Eider-
dänen haben nicht die Macht, ihn von da zu vertreiben und werden sie voraus¬
sichtlich auch nicht gewinnen. Die Consequenz ist also, meinen wir, klar. Wer
sich für die Ansprüche des Großherzogs Peter interessirt, der wünscl,t, gleichviel
ob wissentlich oder unwissentlich, daß so viel von den Herzogthümern, als dem



-) Eine förmliche Cessionsuikunde des Kaisers existirt nicht. Oldenburg sieht den ge¬
dachten Brief desselben als solche an.
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[0312] dem kissinger Briefe Rechte cedirte*), durchaus keine Rechte abzutreten, weder auf ganz Schleswig-Holstein, noch auf einen Theil Holsteins. Nehmen wir aber auch den fast wunderbaren Fall an, daß es den Herren Leverkus, Pernice und Schultze gelungen sei, das Unmögliche zu leisten, nehmen wir an, sie hätten in der beim Bunde eingereichten Denkschrift wirklich und wahrhaftig nachgewiesen, der Kaiser von Rußland habe Rechte, deren Bedeutung er selbst nicht gekannt, an den Großherzog abgetreten und letzterer habe also wirklich das Recht, die Succession in dem einst großfürstlichen Antheil von Holstein (von mehr kann auf keine Weise die Rede sein) gegen Herausgabe von Oldenburg und Delmen- horst zu verlangen; was würde die Folge sein? Der Großherzog Peter würde dann Oldenburg und Delmenhorst an den Herzog von Schleswig-Holstein ab¬ treten. Aber würde er selbst dann wenigstens im Besitz des dagegen ein¬ getauschten Stückes von Holstein verbleiben? Die Antwort lautet: Mitnichten. Großherzog Peter ist, mag man an ihm aussetzen, was man will, auf alle Fälle ein Fürst, dem man mit vollem Rechte nachrühmt, daß er an seinem ge¬ gebenen Worte festhält. Niemand weiß ein Beispiel anzuführen, daß er ein ertheiltes Versprechen wegzudcuteln versucht habe. Bei diesem Charakter aber würde derselbe sich genöthigt sehen, alles, was ihm etwa Von den Herzog- thümern zufiele, ohne Verzug wieder an den König Christian den Neunte» von Dänemark abzutreten. Man halte dies nicht für Scherz, es ist die klare, baare Wahrheit. Denn das angegebene Verfahren hat der Großherzog vor nunmehr zehn Jahren feier¬ lich versprochen. In einer förmlichen Cntsagungsaclc, datirt vom 28. März 1834, verzichtete derselbe zu Gunsten des Prinzen Christian von Glücksburg und dessen männlicher Nachkommenschaft auf alle eventuellen Successionsrechte in den Herzogthümern „für den Fall, daß Prinz Christian oder dessen männliche Nachkommen den Thron Dänemarks besteigen und so lange Höchstdieselben ihn innehaben werden." Eine andere Clausel ist nicht hinzugefügt, es ist namentlich nicht gesagt, daß der Verzicht nicht gelten solle, falls die durch das londoner Protokoll beabsichtigte Combination nicht zu, Stande kommen oder sich nicht erhalten würde, sondern der Verzicht ist giltig für so lange, als Prinz Christian von Glücksburg und sein Stamm auf dem Thron von Dänemark sitzen. Nun denn — der Prinz Christian ist jetzt Inhaber des dänischen Thrones, die Eider- dänen haben nicht die Macht, ihn von da zu vertreiben und werden sie voraus¬ sichtlich auch nicht gewinnen. Die Consequenz ist also, meinen wir, klar. Wer sich für die Ansprüche des Großherzogs Peter interessirt, der wünscl,t, gleichviel ob wissentlich oder unwissentlich, daß so viel von den Herzogthümern, als dem -) Eine förmliche Cessionsuikunde des Kaisers existirt nicht. Oldenburg sieht den ge¬ dachten Brief desselben als solche an.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/312>, abgerufen am 22.07.2024.