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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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Worte: "Opus Naxisti-i 5veli". Mehr eilf Ein Moment spricht dafür, daß
die Zeit der Entstehung vor das angenommene Jahr 1327 fällt.

Ueberaus bezeichnend für den Vergleich mit Cimabue ist das. Madonnen¬
bild, welches, ehemals Eigenthum der unitae-i zu Ognifsanti, jetzt in der
florentinischen Akademie neben dem großen Bilde jenes Meisters steht. Es hat
gewisse Züge, welche die Intention Giottos derjenigen des älteren christlichen
Stils verwandter erscheinen lassen, als dem Ideale Cimabues. Im Christus-
kinde herrscht mehr Ernst, obwohl es die Anmuth bewahrt; in der Maria aber
scheint die Schönheit der Tradition geopfert zu sein. Die Engel zeigen feine
Grazie in Haltung und Bewegung, die Gewänder sind einfach und flüssig. Das
Ganze imposant durch den Charakter der einzelnen Figuren sowohl wie durch
die Symmetrie der Gruppirung bezeichnet einen merklichen Schritt aus dem
Gemisch von Liebreiz und Majestät, das wir bei Cimabue antreffen, zu einfach
ernster Hoheit.

Wir übergehen die zahlreichen, in der Mehrzahl ungenügend beglaubigten
Fragmente, die in und bei Florenz, sowie die einzelnen Tafelbilder, die im
Auslande bewahrt werden. Auf eins jedoch müssen wir aufmerksam machen.
Vasari spricht mit hohem Lobe von einem Bilde Giottos in der Kirche zu
Ognissanti in Florenz, welches Michelangelo besonders werth gehalten habe.
Diese Tafel war in der Zeit zwischen der ersten und zweiten Auflage von Va°
saris Biographien abhanden gekommen und hat bisher für verloren gegolten.
Noch in der zweiten Auflage von seinem "Leben Michelangelos" lesen wir diese
Notiz bei Herman Grimm, Unsre Autoren scheinen der schönen Entführten auf
die Spur gekommen zu sein. Natürlich in England. Dort hat nämlich vor
kurzem ein Mr. Martin aus der Sammlung des weiland Mr. Brvmley ein
Tafelbild mit der Darstellung des Todes der Maria gekauft, welchem alle cha¬
rakteristischen Eigenthümlichkeiten Giottos zuerkannt werden und dessen Gegen¬
stand in den bei Vasari beschriebenen Zügen mit dem Gemälde von Ognissanti
übereinstimmt: die Jungfrau wird von zwei Engeln und einem Apostel ins Grab
gesenkt, indeß der Heiland, inmitten des Bildes, ihre Seele in Gestalt eines
lächelnden Kindes, das die Arme nach ihm ausstreckt, an seinen Busen hebt;
viele Figuren außerdem. Es ist höchst wahrscheinlich, daß wir in diesem schö¬
nen, wenn auch nicht unbeträchtlich beschädigten Bilde das langvermißte floren-
tinische Kleinod haben. Diejenige inhaltsgleiche Composition dagegen, welche
in der Etruria-Pittrice als identisch mit diesem im Stich herausgegeben ist, rührt
Von Fiesole her und befindet sich im Besitz des Mr. Füller Maitland. -- Ueber
die meisten übrigen ausländischen Givttobilder giebt unser Werk eine kurze
kritische Musterung, die freilich nicht immer des Beifalls der Eigner sich er¬
freuen wird.

Bei weitem unbarmherziger schneideln unsre Autoren die wildwuchernde


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Worte: „Opus Naxisti-i 5veli". Mehr eilf Ein Moment spricht dafür, daß
die Zeit der Entstehung vor das angenommene Jahr 1327 fällt.

Ueberaus bezeichnend für den Vergleich mit Cimabue ist das. Madonnen¬
bild, welches, ehemals Eigenthum der unitae-i zu Ognifsanti, jetzt in der
florentinischen Akademie neben dem großen Bilde jenes Meisters steht. Es hat
gewisse Züge, welche die Intention Giottos derjenigen des älteren christlichen
Stils verwandter erscheinen lassen, als dem Ideale Cimabues. Im Christus-
kinde herrscht mehr Ernst, obwohl es die Anmuth bewahrt; in der Maria aber
scheint die Schönheit der Tradition geopfert zu sein. Die Engel zeigen feine
Grazie in Haltung und Bewegung, die Gewänder sind einfach und flüssig. Das
Ganze imposant durch den Charakter der einzelnen Figuren sowohl wie durch
die Symmetrie der Gruppirung bezeichnet einen merklichen Schritt aus dem
Gemisch von Liebreiz und Majestät, das wir bei Cimabue antreffen, zu einfach
ernster Hoheit.

Wir übergehen die zahlreichen, in der Mehrzahl ungenügend beglaubigten
Fragmente, die in und bei Florenz, sowie die einzelnen Tafelbilder, die im
Auslande bewahrt werden. Auf eins jedoch müssen wir aufmerksam machen.
Vasari spricht mit hohem Lobe von einem Bilde Giottos in der Kirche zu
Ognissanti in Florenz, welches Michelangelo besonders werth gehalten habe.
Diese Tafel war in der Zeit zwischen der ersten und zweiten Auflage von Va°
saris Biographien abhanden gekommen und hat bisher für verloren gegolten.
Noch in der zweiten Auflage von seinem „Leben Michelangelos" lesen wir diese
Notiz bei Herman Grimm, Unsre Autoren scheinen der schönen Entführten auf
die Spur gekommen zu sein. Natürlich in England. Dort hat nämlich vor
kurzem ein Mr. Martin aus der Sammlung des weiland Mr. Brvmley ein
Tafelbild mit der Darstellung des Todes der Maria gekauft, welchem alle cha¬
rakteristischen Eigenthümlichkeiten Giottos zuerkannt werden und dessen Gegen¬
stand in den bei Vasari beschriebenen Zügen mit dem Gemälde von Ognissanti
übereinstimmt: die Jungfrau wird von zwei Engeln und einem Apostel ins Grab
gesenkt, indeß der Heiland, inmitten des Bildes, ihre Seele in Gestalt eines
lächelnden Kindes, das die Arme nach ihm ausstreckt, an seinen Busen hebt;
viele Figuren außerdem. Es ist höchst wahrscheinlich, daß wir in diesem schö¬
nen, wenn auch nicht unbeträchtlich beschädigten Bilde das langvermißte floren-
tinische Kleinod haben. Diejenige inhaltsgleiche Composition dagegen, welche
in der Etruria-Pittrice als identisch mit diesem im Stich herausgegeben ist, rührt
Von Fiesole her und befindet sich im Besitz des Mr. Füller Maitland. — Ueber
die meisten übrigen ausländischen Givttobilder giebt unser Werk eine kurze
kritische Musterung, die freilich nicht immer des Beifalls der Eigner sich er¬
freuen wird.

Bei weitem unbarmherziger schneideln unsre Autoren die wildwuchernde


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/31>, abgerufen am 01.07.2024.