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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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haben kann, als das Recht, sich mit den agnatischen Nachkommen des andern
Contrahenten von 1767 und 1773 fernerweit über eine neue Regelung der Erb¬
folge in dem ehemals großfürstlichen Antheil des Herzogthums Holstein zu ver¬
ständigen. Agnatische Nachkommen König Christian des Siebenten und des
Erbprinzen Friedrich existiren aber nicht mehr, und damit verflüchtigt sich die
Bedeutung der Cession von Kissingen in leeren Dunst.

Hätte mit den unbestimmten Ausdrücken des warschauer Protocolls etwas
Anderes, als wir herauslesen, behauptet, hätte damit wirklich, wie Einige mei¬
nen, gesagt werden sollen, daß der Kaiser von Rußland nach dem Aussterben
der ältern königlichen Linie den Rückfall des großfürstlichen Antheils von Hol¬
stein an die gottorsische Linie in Anspruch nehme, so ist selbstverständlich, daß
in diesem Fall auch das Aequivalent, welches jene Linie für das großfürstliche
Holstein erhalten hat. bestehend in den Grafschaften Oldenburg und Delmenhorst.
wieder herausgegeben werde" müßte. Dies würde natürlich jetzt auch für den
Großherzog von Oldenburg gelten. Derselbe würde selbst bei der für ihn gün¬
stigsten Entscheidung nichts weiter beanspruchen können, als das Recht, Olden¬
burg und Delmenhorst gegen das ehemals großfürstliche Holstein zu vertauschen
-- ein Tausch, für den sich Großherzog Peter, da Oldenburg und Delmenhorst
mit circa 98 Quadratmeilen ungefähr ^ seines jetzigen Besitzes ausmachen,
der großfürstliche Antheil von Holstein aber nur etwa Vz des 155 Quadrat¬
meilen umfassenden Herzogthums enthält, unsrer unmaßgeblichen Meinung nach
bedanken wird.

Kaum wird nöthig sein, zu wiederhole", daß im Obigen immer nur von
der russischen Auffassung unsrer Frage, nicht von der deutschen die Rede war.
Die letztere geht mit beinahe vollkommner Einmüthigkeit dahin, daß der Kaiser
von Nußland durchaus keine Rechte hatte und demzufolge auch dem Großherzog
Peter keine Rechte abtreten konnte. Wir haben im Vorigen dargethan, daß der
Kaiser Alexander seinem Letter in Oldenburg selbst nach russischer Meinung
von der Sache höchstens eine Seifenblase cedirt hat. Seifenblasen schillern eine
Weile, dann platzen sie und werden zu nichts, und so wird es auch mit dieser
geschehen. Dies ahnte gutem Vernehmen nach der Fürst Gortschakoff schon vor
Monaten, darüber war, wenn wir richtig schließen. Kaiser Alexander selbst kaum
jemals ernstlich in Zweifel. ja einem nicht unwahrscheinlichen Gerücht zufolge
hätte man russischerscits selbst nicht unterlassen, in Oldenburg seine Bedenken
in Betreff des Erfolgs der dort erhobenen Prätentionen anzudeuten.

Unter diesen Umständen ist es nicht zu verwundern, wenn die gelehrten
Thebaner. welchen der Großherzog die Begründung seiner Ansprüche übertragen
hatte, sich lange Zeit nicht entschließen konnte", mit ihrer Arbeit hervorzutreten,
und eine gewisse den Zeitungen nach beabsichtigte Reise nach dem Süden sieht
fast so aus, als ob man für gerathener hielte, den Erfolg des nun endlich ab-


Grenzboten IV. 1864. ^

haben kann, als das Recht, sich mit den agnatischen Nachkommen des andern
Contrahenten von 1767 und 1773 fernerweit über eine neue Regelung der Erb¬
folge in dem ehemals großfürstlichen Antheil des Herzogthums Holstein zu ver¬
ständigen. Agnatische Nachkommen König Christian des Siebenten und des
Erbprinzen Friedrich existiren aber nicht mehr, und damit verflüchtigt sich die
Bedeutung der Cession von Kissingen in leeren Dunst.

Hätte mit den unbestimmten Ausdrücken des warschauer Protocolls etwas
Anderes, als wir herauslesen, behauptet, hätte damit wirklich, wie Einige mei¬
nen, gesagt werden sollen, daß der Kaiser von Rußland nach dem Aussterben
der ältern königlichen Linie den Rückfall des großfürstlichen Antheils von Hol¬
stein an die gottorsische Linie in Anspruch nehme, so ist selbstverständlich, daß
in diesem Fall auch das Aequivalent, welches jene Linie für das großfürstliche
Holstein erhalten hat. bestehend in den Grafschaften Oldenburg und Delmenhorst.
wieder herausgegeben werde» müßte. Dies würde natürlich jetzt auch für den
Großherzog von Oldenburg gelten. Derselbe würde selbst bei der für ihn gün¬
stigsten Entscheidung nichts weiter beanspruchen können, als das Recht, Olden¬
burg und Delmenhorst gegen das ehemals großfürstliche Holstein zu vertauschen
— ein Tausch, für den sich Großherzog Peter, da Oldenburg und Delmenhorst
mit circa 98 Quadratmeilen ungefähr ^ seines jetzigen Besitzes ausmachen,
der großfürstliche Antheil von Holstein aber nur etwa Vz des 155 Quadrat¬
meilen umfassenden Herzogthums enthält, unsrer unmaßgeblichen Meinung nach
bedanken wird.

Kaum wird nöthig sein, zu wiederhole», daß im Obigen immer nur von
der russischen Auffassung unsrer Frage, nicht von der deutschen die Rede war.
Die letztere geht mit beinahe vollkommner Einmüthigkeit dahin, daß der Kaiser
von Nußland durchaus keine Rechte hatte und demzufolge auch dem Großherzog
Peter keine Rechte abtreten konnte. Wir haben im Vorigen dargethan, daß der
Kaiser Alexander seinem Letter in Oldenburg selbst nach russischer Meinung
von der Sache höchstens eine Seifenblase cedirt hat. Seifenblasen schillern eine
Weile, dann platzen sie und werden zu nichts, und so wird es auch mit dieser
geschehen. Dies ahnte gutem Vernehmen nach der Fürst Gortschakoff schon vor
Monaten, darüber war, wenn wir richtig schließen. Kaiser Alexander selbst kaum
jemals ernstlich in Zweifel. ja einem nicht unwahrscheinlichen Gerücht zufolge
hätte man russischerscits selbst nicht unterlassen, in Oldenburg seine Bedenken
in Betreff des Erfolgs der dort erhobenen Prätentionen anzudeuten.

Unter diesen Umständen ist es nicht zu verwundern, wenn die gelehrten
Thebaner. welchen der Großherzog die Begründung seiner Ansprüche übertragen
hatte, sich lange Zeit nicht entschließen konnte», mit ihrer Arbeit hervorzutreten,
und eine gewisse den Zeitungen nach beabsichtigte Reise nach dem Süden sieht
fast so aus, als ob man für gerathener hielte, den Erfolg des nun endlich ab-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/309>, abgerufen am 22.07.2024.