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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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Ansprüche auf diesen Theil Holsteins zu haben, und die eventuellen Rechte,
welche er sich im dritten Paragraphen des Protokolls vorbehält, beziehen sich
demnach nicht auf den vormals königlichen Antheil von Holstein. Wie also will
jetzt der Grosherzog von Oldenburg den Beweis führe", daß der Nachfolger
des Kaisers Nikolaus ihm Rechte auf den ebengedachten Theil des Herzogthums
Holstein cedirt habe, die Kaiser Nikolaus selbst nicht einmal zu besitzen meinte?

So bleiben denn nur der ehemals großfürstliche Antheil von Holstein
und die früher gemeinschaftlichen Theile dieses Herzogthums übrig, und hier¬
über finden wir im warschauer Proiokoll Folgendes. Es wird zunächst daran
erinnert, daß der Großfürst Paul im Jahre 1773 für sich sowie für seine De¬
scendenten und Erben seinen ganzen bisherigen Antheil an Holstein, den einsei¬
tigen wie den gemeinschaftlichen, abgetreten habe, indeß sei diese Abtretung
ausdrücklich nur erfolgt zu Gunsten des Königs Christian des Siebenten und
seiner männlichen Nachkommen sowie eventuell zu Gunsten des Bruders des
Königs, des Erbprinzen Friedrich und dessen männlicher Descendenz, Dann
gedenkt das warschauer Protokoll weiter des Umstandes, daß die männliche
Nachkommenschaft des Königs Christian des Siebenten bereits auegestorben sei,
und der Möglichkeit, daß auch die des Erbprinzen Friedrich aussterbe, und er¬
innert in Bezug hierauf daran, baß für eine solche Eventualität in den Ab¬
kommen der Jahre 1767 und 1773 nichts vorgesehen sei. Das warschauer Pro¬
tokoll stellt also als ungewiß hin, was im Fall des Aussterbens der älteren
königlichen Linie des oldenburgischen Hauses das für den einst großfürstlichen
Antheil von Holstein geltende Erbrecht sein würde. Der Kaiser Nikolaus be¬
hauptet nicht, daß für diesen Fall das vormals großfürstliche Holstein an die russische
Linie zurückfallen müsse, sondern aus der nach seiner Ansicht mit dem Aus¬
sterben der ältern königlichen Linie eintretenden Ungewißheit und den init
dieser verbundenen Gefahren leitet er nur für sich und den König Friedrich den
Siebenten, als die beiderseitigen Nachfolger der contrahirenden Theile von
1767 und 1773 "das Recht und die Verpflichtung ab, sich weiter
über die Combinationen zu verständigen, welche dem von ihnen
verfolgten doppelten Zwecke (Erhaltung der Ruhe im Norden und der Ein¬
tracht im oldenburgischen Hause) am meisten entsprechen.

Die "Combination", über welche man sich damals verständigte, die Auf¬
stellung des Prinzen Christian von Glücksburg als Erben der dänischen Gc-
sammtmonarchie, ist fehlgeschlagen, und so würde die russische Ansicht in Con-
sequenz des warschauer Protokolls jetzt dahin gehen, daß man nach einer neuen
Combination suchen müsse.

Aus dem Gesagten ergiebt sich, wie wir meinen, widerspruchslos, daß der
Kaiser Alexander, indem er die im warschauer Protokolle vorbehaltenen Rechte
dem Großherzog von Oldenburg cedirte, diesem letzteren nichts weiter abgetreten


Ansprüche auf diesen Theil Holsteins zu haben, und die eventuellen Rechte,
welche er sich im dritten Paragraphen des Protokolls vorbehält, beziehen sich
demnach nicht auf den vormals königlichen Antheil von Holstein. Wie also will
jetzt der Grosherzog von Oldenburg den Beweis führe», daß der Nachfolger
des Kaisers Nikolaus ihm Rechte auf den ebengedachten Theil des Herzogthums
Holstein cedirt habe, die Kaiser Nikolaus selbst nicht einmal zu besitzen meinte?

So bleiben denn nur der ehemals großfürstliche Antheil von Holstein
und die früher gemeinschaftlichen Theile dieses Herzogthums übrig, und hier¬
über finden wir im warschauer Proiokoll Folgendes. Es wird zunächst daran
erinnert, daß der Großfürst Paul im Jahre 1773 für sich sowie für seine De¬
scendenten und Erben seinen ganzen bisherigen Antheil an Holstein, den einsei¬
tigen wie den gemeinschaftlichen, abgetreten habe, indeß sei diese Abtretung
ausdrücklich nur erfolgt zu Gunsten des Königs Christian des Siebenten und
seiner männlichen Nachkommen sowie eventuell zu Gunsten des Bruders des
Königs, des Erbprinzen Friedrich und dessen männlicher Descendenz, Dann
gedenkt das warschauer Protokoll weiter des Umstandes, daß die männliche
Nachkommenschaft des Königs Christian des Siebenten bereits auegestorben sei,
und der Möglichkeit, daß auch die des Erbprinzen Friedrich aussterbe, und er¬
innert in Bezug hierauf daran, baß für eine solche Eventualität in den Ab¬
kommen der Jahre 1767 und 1773 nichts vorgesehen sei. Das warschauer Pro¬
tokoll stellt also als ungewiß hin, was im Fall des Aussterbens der älteren
königlichen Linie des oldenburgischen Hauses das für den einst großfürstlichen
Antheil von Holstein geltende Erbrecht sein würde. Der Kaiser Nikolaus be¬
hauptet nicht, daß für diesen Fall das vormals großfürstliche Holstein an die russische
Linie zurückfallen müsse, sondern aus der nach seiner Ansicht mit dem Aus¬
sterben der ältern königlichen Linie eintretenden Ungewißheit und den init
dieser verbundenen Gefahren leitet er nur für sich und den König Friedrich den
Siebenten, als die beiderseitigen Nachfolger der contrahirenden Theile von
1767 und 1773 „das Recht und die Verpflichtung ab, sich weiter
über die Combinationen zu verständigen, welche dem von ihnen
verfolgten doppelten Zwecke (Erhaltung der Ruhe im Norden und der Ein¬
tracht im oldenburgischen Hause) am meisten entsprechen.

Die „Combination", über welche man sich damals verständigte, die Auf¬
stellung des Prinzen Christian von Glücksburg als Erben der dänischen Gc-
sammtmonarchie, ist fehlgeschlagen, und so würde die russische Ansicht in Con-
sequenz des warschauer Protokolls jetzt dahin gehen, daß man nach einer neuen
Combination suchen müsse.

Aus dem Gesagten ergiebt sich, wie wir meinen, widerspruchslos, daß der
Kaiser Alexander, indem er die im warschauer Protokolle vorbehaltenen Rechte
dem Großherzog von Oldenburg cedirte, diesem letzteren nichts weiter abgetreten


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[0308] Ansprüche auf diesen Theil Holsteins zu haben, und die eventuellen Rechte, welche er sich im dritten Paragraphen des Protokolls vorbehält, beziehen sich demnach nicht auf den vormals königlichen Antheil von Holstein. Wie also will jetzt der Grosherzog von Oldenburg den Beweis führe», daß der Nachfolger des Kaisers Nikolaus ihm Rechte auf den ebengedachten Theil des Herzogthums Holstein cedirt habe, die Kaiser Nikolaus selbst nicht einmal zu besitzen meinte? So bleiben denn nur der ehemals großfürstliche Antheil von Holstein und die früher gemeinschaftlichen Theile dieses Herzogthums übrig, und hier¬ über finden wir im warschauer Proiokoll Folgendes. Es wird zunächst daran erinnert, daß der Großfürst Paul im Jahre 1773 für sich sowie für seine De¬ scendenten und Erben seinen ganzen bisherigen Antheil an Holstein, den einsei¬ tigen wie den gemeinschaftlichen, abgetreten habe, indeß sei diese Abtretung ausdrücklich nur erfolgt zu Gunsten des Königs Christian des Siebenten und seiner männlichen Nachkommen sowie eventuell zu Gunsten des Bruders des Königs, des Erbprinzen Friedrich und dessen männlicher Descendenz, Dann gedenkt das warschauer Protokoll weiter des Umstandes, daß die männliche Nachkommenschaft des Königs Christian des Siebenten bereits auegestorben sei, und der Möglichkeit, daß auch die des Erbprinzen Friedrich aussterbe, und er¬ innert in Bezug hierauf daran, baß für eine solche Eventualität in den Ab¬ kommen der Jahre 1767 und 1773 nichts vorgesehen sei. Das warschauer Pro¬ tokoll stellt also als ungewiß hin, was im Fall des Aussterbens der älteren königlichen Linie des oldenburgischen Hauses das für den einst großfürstlichen Antheil von Holstein geltende Erbrecht sein würde. Der Kaiser Nikolaus be¬ hauptet nicht, daß für diesen Fall das vormals großfürstliche Holstein an die russische Linie zurückfallen müsse, sondern aus der nach seiner Ansicht mit dem Aus¬ sterben der ältern königlichen Linie eintretenden Ungewißheit und den init dieser verbundenen Gefahren leitet er nur für sich und den König Friedrich den Siebenten, als die beiderseitigen Nachfolger der contrahirenden Theile von 1767 und 1773 „das Recht und die Verpflichtung ab, sich weiter über die Combinationen zu verständigen, welche dem von ihnen verfolgten doppelten Zwecke (Erhaltung der Ruhe im Norden und der Ein¬ tracht im oldenburgischen Hause) am meisten entsprechen. Die „Combination", über welche man sich damals verständigte, die Auf¬ stellung des Prinzen Christian von Glücksburg als Erben der dänischen Gc- sammtmonarchie, ist fehlgeschlagen, und so würde die russische Ansicht in Con- sequenz des warschauer Protokolls jetzt dahin gehen, daß man nach einer neuen Combination suchen müsse. Aus dem Gesagten ergiebt sich, wie wir meinen, widerspruchslos, daß der Kaiser Alexander, indem er die im warschauer Protokolle vorbehaltenen Rechte dem Großherzog von Oldenburg cedirte, diesem letzteren nichts weiter abgetreten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/308>, abgerufen am 22.07.2024.