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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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gebührenden Aufmerksamkeit und Unparteilichkeit, so bemerken wir zunächst in
Bezug auf das Herzogthum Schleswig, daß der Kaiser sich gar keine An¬
sprüche auf dasselbe beilegt, daß er vielmehr die Unbedingtheit des vom Gro߬
fürsten Paul im Jahre 1773 ausgesprochenen Verzichts anerkennt. Dies wird
-- wir lesen nicht blos den Text, sondern auch zwischen den Zeilen -- mit
der größten und erfreulichsten Unzweideutigst sowohl für das Herzogthum
Schleswig im Allgemeinen als speciell mit Beziehung auf den vormals gottor-
fisehcn Antheil desselben ausgesprochen. Die Leser mögen uns controliren. Der
Wortlaut der betreffenden Stelle ist: "ML I'emper-Luv ?a.ni a i'Lironc6 pouv
Jul-mLmv, ainsi <ju" pour Los Kontier" ot äeseviuIimtL, ein laveui- 6" L. N.
is i ol Llirvtien VII. ainsi quo dos Iröritiers ac sa couronne! i ni^ale, ü. Wu8
SW äroits vt izr6t.eMioiiL an äuelrv ac Lelrlesm^ Aöirüiirl, ecimme a la
xartie ni-äevaut vliireiörc; ü" es äuelr^ en pirrtieuliei'." Diese Stelle des
warschauer Protokolls ist. denken wir, ebenso deutlich wie die Renunciativns-
aete von 1773, auf welche sie sich bezieht. In dieser Acte von 1773 entsagt
der Großfürst Paul "woblivissentlich und wohlbedächtiglich für Uns. Unsre Erben
und vLseeuäorrtöir allen an das Herzogthum Schleswig und in svczciö auf den
vormaligen fürstlichen Antheil desselben, die Insul Fehmarn, auch alle zu dem
schleswigschen gehörige. davon abHangende oder dazu gerechnete Lande, bisher
gehabten oder daran zu formirenden Eigenthums- und andern Rechten, For¬
derungen. An- und Zusprüchen. sie mögen Namen haben wie sie wolle", auf
die feierlichste und kräftigste Art und Weise." Das warschauer Protokoll Hai
also die Berzichtsurkunde des Großfürsten Paul vollkommen richtig interpretirt.
Es ist klar und über jeden Zweifel erhaben, daß von russischen Erbfolgc-
ansprüchen auf Schleswig nicht die Rede sein kann und daß ferner der Kaiser
Nikolaus im Jahre 1851 nicht der Meinung war, derartige Ansprüche zu
besitzen.

Das Resultat unserer bisherigen Betrachtung ist folgendes: Wenn noch
vor wenigen Monaten der Großherzog Peter selbst erklären ließ, daß er keine
actuellen Rechte auf die Herzogtümer geltend machen könne, und wenn er die
Ansprüche, die er jetzt erhebt, lediglich auf die russische Cession stützt, so müssen
diese Ansprüche zunächst wenigstens so weit richtig sein, als sie sich auch aus
Schleswig beziehen, denn nach dem warschauer Protokoll besaß Kaiser Nikolaus
derartige Ansprüche nicht nur nicht, sondern glaubte nicht einmal sie zu besitzen,
und nicht das Mindeste ist seitdem geschehen, diese Sachlage zu ändern.

Aber Holstein, wirft man uns ein. Sehen wir weiter, wie es sich mit
Holstein verhält. Bon dem früher königlichen Antheil dieses Herzogthums
spricht das warschauer Protokoll überhaupt mit keiner Silbe, und da es davon
nothwendig hätte sprechen müssen, falls Rußland sich ein Anrecht darauf bei-
Selegt hätte, so folgt, daß der Kaiser Nikolaus 1851 nicht der Ansicht war.


gebührenden Aufmerksamkeit und Unparteilichkeit, so bemerken wir zunächst in
Bezug auf das Herzogthum Schleswig, daß der Kaiser sich gar keine An¬
sprüche auf dasselbe beilegt, daß er vielmehr die Unbedingtheit des vom Gro߬
fürsten Paul im Jahre 1773 ausgesprochenen Verzichts anerkennt. Dies wird
— wir lesen nicht blos den Text, sondern auch zwischen den Zeilen — mit
der größten und erfreulichsten Unzweideutigst sowohl für das Herzogthum
Schleswig im Allgemeinen als speciell mit Beziehung auf den vormals gottor-
fisehcn Antheil desselben ausgesprochen. Die Leser mögen uns controliren. Der
Wortlaut der betreffenden Stelle ist: „ML I'emper-Luv ?a.ni a i'Lironc6 pouv
Jul-mLmv, ainsi <ju« pour Los Kontier« ot äeseviuIimtL, ein laveui- 6« L. N.
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warschauer Protokolls ist. denken wir, ebenso deutlich wie die Renunciativns-
aete von 1773, auf welche sie sich bezieht. In dieser Acte von 1773 entsagt
der Großfürst Paul „woblivissentlich und wohlbedächtiglich für Uns. Unsre Erben
und vLseeuäorrtöir allen an das Herzogthum Schleswig und in svczciö auf den
vormaligen fürstlichen Antheil desselben, die Insul Fehmarn, auch alle zu dem
schleswigschen gehörige. davon abHangende oder dazu gerechnete Lande, bisher
gehabten oder daran zu formirenden Eigenthums- und andern Rechten, For¬
derungen. An- und Zusprüchen. sie mögen Namen haben wie sie wolle», auf
die feierlichste und kräftigste Art und Weise." Das warschauer Protokoll Hai
also die Berzichtsurkunde des Großfürsten Paul vollkommen richtig interpretirt.
Es ist klar und über jeden Zweifel erhaben, daß von russischen Erbfolgc-
ansprüchen auf Schleswig nicht die Rede sein kann und daß ferner der Kaiser
Nikolaus im Jahre 1851 nicht der Meinung war, derartige Ansprüche zu
besitzen.

Das Resultat unserer bisherigen Betrachtung ist folgendes: Wenn noch
vor wenigen Monaten der Großherzog Peter selbst erklären ließ, daß er keine
actuellen Rechte auf die Herzogtümer geltend machen könne, und wenn er die
Ansprüche, die er jetzt erhebt, lediglich auf die russische Cession stützt, so müssen
diese Ansprüche zunächst wenigstens so weit richtig sein, als sie sich auch aus
Schleswig beziehen, denn nach dem warschauer Protokoll besaß Kaiser Nikolaus
derartige Ansprüche nicht nur nicht, sondern glaubte nicht einmal sie zu besitzen,
und nicht das Mindeste ist seitdem geschehen, diese Sachlage zu ändern.

Aber Holstein, wirft man uns ein. Sehen wir weiter, wie es sich mit
Holstein verhält. Bon dem früher königlichen Antheil dieses Herzogthums
spricht das warschauer Protokoll überhaupt mit keiner Silbe, und da es davon
nothwendig hätte sprechen müssen, falls Rußland sich ein Anrecht darauf bei-
Selegt hätte, so folgt, daß der Kaiser Nikolaus 1851 nicht der Ansicht war.


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[0307] gebührenden Aufmerksamkeit und Unparteilichkeit, so bemerken wir zunächst in Bezug auf das Herzogthum Schleswig, daß der Kaiser sich gar keine An¬ sprüche auf dasselbe beilegt, daß er vielmehr die Unbedingtheit des vom Gro߬ fürsten Paul im Jahre 1773 ausgesprochenen Verzichts anerkennt. Dies wird — wir lesen nicht blos den Text, sondern auch zwischen den Zeilen — mit der größten und erfreulichsten Unzweideutigst sowohl für das Herzogthum Schleswig im Allgemeinen als speciell mit Beziehung auf den vormals gottor- fisehcn Antheil desselben ausgesprochen. Die Leser mögen uns controliren. Der Wortlaut der betreffenden Stelle ist: „ML I'emper-Luv ?a.ni a i'Lironc6 pouv Jul-mLmv, ainsi <ju« pour Los Kontier« ot äeseviuIimtL, ein laveui- 6« L. N. is i ol Llirvtien VII. ainsi quo dos Iröritiers ac sa couronne! i ni^ale, ü. Wu8 SW äroits vt izr6t.eMioiiL an äuelrv ac Lelrlesm^ Aöirüiirl, ecimme a la xartie ni-äevaut vliireiörc; ü« es äuelr^ en pirrtieuliei'." Diese Stelle des warschauer Protokolls ist. denken wir, ebenso deutlich wie die Renunciativns- aete von 1773, auf welche sie sich bezieht. In dieser Acte von 1773 entsagt der Großfürst Paul „woblivissentlich und wohlbedächtiglich für Uns. Unsre Erben und vLseeuäorrtöir allen an das Herzogthum Schleswig und in svczciö auf den vormaligen fürstlichen Antheil desselben, die Insul Fehmarn, auch alle zu dem schleswigschen gehörige. davon abHangende oder dazu gerechnete Lande, bisher gehabten oder daran zu formirenden Eigenthums- und andern Rechten, For¬ derungen. An- und Zusprüchen. sie mögen Namen haben wie sie wolle», auf die feierlichste und kräftigste Art und Weise." Das warschauer Protokoll Hai also die Berzichtsurkunde des Großfürsten Paul vollkommen richtig interpretirt. Es ist klar und über jeden Zweifel erhaben, daß von russischen Erbfolgc- ansprüchen auf Schleswig nicht die Rede sein kann und daß ferner der Kaiser Nikolaus im Jahre 1851 nicht der Meinung war, derartige Ansprüche zu besitzen. Das Resultat unserer bisherigen Betrachtung ist folgendes: Wenn noch vor wenigen Monaten der Großherzog Peter selbst erklären ließ, daß er keine actuellen Rechte auf die Herzogtümer geltend machen könne, und wenn er die Ansprüche, die er jetzt erhebt, lediglich auf die russische Cession stützt, so müssen diese Ansprüche zunächst wenigstens so weit richtig sein, als sie sich auch aus Schleswig beziehen, denn nach dem warschauer Protokoll besaß Kaiser Nikolaus derartige Ansprüche nicht nur nicht, sondern glaubte nicht einmal sie zu besitzen, und nicht das Mindeste ist seitdem geschehen, diese Sachlage zu ändern. Aber Holstein, wirft man uns ein. Sehen wir weiter, wie es sich mit Holstein verhält. Bon dem früher königlichen Antheil dieses Herzogthums spricht das warschauer Protokoll überhaupt mit keiner Silbe, und da es davon nothwendig hätte sprechen müssen, falls Rußland sich ein Anrecht darauf bei- Selegt hätte, so folgt, daß der Kaiser Nikolaus 1851 nicht der Ansicht war.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/307>, abgerufen am 22.07.2024.