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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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Energie Seymur Kirkups und des Amerikaners Henry Wild, damit durchzu-
dringen. Leider wurde die Arbeit trotz der Erbietung dieser kundigen Kunst¬
freunde vom toskanischen Fiscus übernommen und infolge dessen übte der Un¬
stern, welcher über dieser Stätte waltete, noch einmal seine verderbliche Macht;
denn die Bilder wurden alsdann zum großen Theile willkürlich und ohne die
nothwendigste Pietät restaurirt. Gerade die wichtigsten Stücke traf eben wegen
ihrer Celebrität das härteste Loos, voran das Porträt Dantes, welches uns
hier mit dem, was unmittelbar mit ihm in Zusammenhang steht, ausschlie߬
lich interessirt. Die ungenaue und ungeschickte Uebermalung würde seine
eigentliche Gestalt für immer vernichtet haben, verdankten wir nicht der sorg¬
fältigen Hand des Herrn Kirkup eine Copie ihrer Beschaffenheit, wie sie sich
nach Entfernung der Tünche zeigte. Dieses Bild ist durch Publication der
Arundel Society Eigenthum der gesammten Kunstwelt geworden und läßt we¬
nigstens ahnen, was hier verloren gegangen ist. Denn alle echten Ueberbleib-
sel ermangeln der Farbe, die Giotto ihnen gab. Sie sind daher nur noch ver¬
stümmelte Zeugen, aber doch bedeutend genug, um eingehendes Studium zu
lohnen.

Im Bargello war außer dem Paradies und dem Inferno, welche deutlich
die nicht immer künstlerisch-glückliche Anlehnung an Dante verrathen, ein Cyklus
von Darstellungen aus den Legenden der heiligen Magdalena und der Maria
von Aegypten gemalt. Wir beschränken unsre Aufmerksamkeit auf den erst¬
genannten Gegenstand, weil er neben dem geschichtlichen Interesse des Dar¬
gestellten größeren Werth für die Beurtheilung des Künstlers hat als die übrigen.
Das obere Stück, welches den Heiland umgeben vom himmlischen Hofstaate
vorstellt, ist fast gänzlich ruinirt. In dem unteren verherrlichte Giotto als
irdisches Bild des himmlischen Zustandes den freilich sehr vorübergehenden
Frieden, welchen der Cardinal d'Acquasparta Namens Bonifaz des Achten der
Stadt im Jahre 1301 bräche. Zwei Engel, welche die Lilie von Florenz be¬
hüten, stellen die Verbindung zweier gesonderter Gruppen her. Die eine zeigt
uns zunächst in einem langlockigen Jüngling mit gekrönter Mütze den fran¬
zösischen Karl von Lalois, welchen Corso Donati der widerwilligen Stadt als
Friedensstifter aufgedrungen hatte. Hinter ihm sehen wir Dante, in.seiner
Nachbarschaft Brunetto Latini. seinen Lehrer, und das Haupt der Neri, Corso
Donati selbst. Ihnen gegenüber steht hinter einer unbekannten knieenden
Porträtfigur der Cardinal, dann folgt eine Reihe andrer Personen, welche die
Gestalt eines jungen Mannes schließt, deren Ähnlichkeit mit einer andern
Figur in Padua die Annahme zuläßt, daß wir hier ein Bild des Künstlers
selber haben. Die Anwesenheit Dantes auf dem Bilde gibt ziemlich entscheidenden
Anhalt für die Datirung desselben Sein Porträt würde bei der leidenschaft¬
lichen Parteiwuth, die in Florenz herrschte, an so hervorragender Stelle schwer-


Energie Seymur Kirkups und des Amerikaners Henry Wild, damit durchzu-
dringen. Leider wurde die Arbeit trotz der Erbietung dieser kundigen Kunst¬
freunde vom toskanischen Fiscus übernommen und infolge dessen übte der Un¬
stern, welcher über dieser Stätte waltete, noch einmal seine verderbliche Macht;
denn die Bilder wurden alsdann zum großen Theile willkürlich und ohne die
nothwendigste Pietät restaurirt. Gerade die wichtigsten Stücke traf eben wegen
ihrer Celebrität das härteste Loos, voran das Porträt Dantes, welches uns
hier mit dem, was unmittelbar mit ihm in Zusammenhang steht, ausschlie߬
lich interessirt. Die ungenaue und ungeschickte Uebermalung würde seine
eigentliche Gestalt für immer vernichtet haben, verdankten wir nicht der sorg¬
fältigen Hand des Herrn Kirkup eine Copie ihrer Beschaffenheit, wie sie sich
nach Entfernung der Tünche zeigte. Dieses Bild ist durch Publication der
Arundel Society Eigenthum der gesammten Kunstwelt geworden und läßt we¬
nigstens ahnen, was hier verloren gegangen ist. Denn alle echten Ueberbleib-
sel ermangeln der Farbe, die Giotto ihnen gab. Sie sind daher nur noch ver¬
stümmelte Zeugen, aber doch bedeutend genug, um eingehendes Studium zu
lohnen.

Im Bargello war außer dem Paradies und dem Inferno, welche deutlich
die nicht immer künstlerisch-glückliche Anlehnung an Dante verrathen, ein Cyklus
von Darstellungen aus den Legenden der heiligen Magdalena und der Maria
von Aegypten gemalt. Wir beschränken unsre Aufmerksamkeit auf den erst¬
genannten Gegenstand, weil er neben dem geschichtlichen Interesse des Dar¬
gestellten größeren Werth für die Beurtheilung des Künstlers hat als die übrigen.
Das obere Stück, welches den Heiland umgeben vom himmlischen Hofstaate
vorstellt, ist fast gänzlich ruinirt. In dem unteren verherrlichte Giotto als
irdisches Bild des himmlischen Zustandes den freilich sehr vorübergehenden
Frieden, welchen der Cardinal d'Acquasparta Namens Bonifaz des Achten der
Stadt im Jahre 1301 bräche. Zwei Engel, welche die Lilie von Florenz be¬
hüten, stellen die Verbindung zweier gesonderter Gruppen her. Die eine zeigt
uns zunächst in einem langlockigen Jüngling mit gekrönter Mütze den fran¬
zösischen Karl von Lalois, welchen Corso Donati der widerwilligen Stadt als
Friedensstifter aufgedrungen hatte. Hinter ihm sehen wir Dante, in.seiner
Nachbarschaft Brunetto Latini. seinen Lehrer, und das Haupt der Neri, Corso
Donati selbst. Ihnen gegenüber steht hinter einer unbekannten knieenden
Porträtfigur der Cardinal, dann folgt eine Reihe andrer Personen, welche die
Gestalt eines jungen Mannes schließt, deren Ähnlichkeit mit einer andern
Figur in Padua die Annahme zuläßt, daß wir hier ein Bild des Künstlers
selber haben. Die Anwesenheit Dantes auf dem Bilde gibt ziemlich entscheidenden
Anhalt für die Datirung desselben Sein Porträt würde bei der leidenschaft¬
lichen Parteiwuth, die in Florenz herrschte, an so hervorragender Stelle schwer-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/26>, abgerufen am 01.07.2024.