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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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z. V. des zweiterwähntcn Bildes in Rücksicht nimmt; aber Giovanni da Mi¬
lan", ein Maier des ausgehenden vierzehnten Jahrhunderts, fällt außer Betracht.

Für die Feststellung der Chronologie von Giottos Werken hat die neuere
Forschung noch nicht sehr viel leisten tonnen. Man ist im Wesentlichen noch
immer auf die Stilkritik angewiesen. Zur Bestimmung seines Aufenthalts in
Rom kommen noch einige geschichtliche Anhaltepunkte zu Gute, so daß mit leid¬
licher Gewißheit der Zeitraum von 1298--1300 dafür zu constatiren ist. Dies
bestätigt nämlich nicht blos die große Verwandtschaft der römischen Gemälde
seiner Hand mit denen der Decke in der untern Kirche zu Assisi, sondern auch
der Umstand, daß sein Gönner Gaetano Stesaneschi, Nepote Bonifaz des Achten,
für den er in der Tribune zu Se. Georgv in Velabro malte, kurz vor jener
Zeit den Cardinalat unter dem Titel dieser Kirche erhalten hatte. Derselbe ist
es auch, der Giotto den Austrag zu dem Mosaik in der Kapelle Se. Giorgio
e Lorenzo zu Se. Peter, zur Naivcella und zur Auszierung einiger Manu-
scripte ertheilte. Für das und andres haben wir Urkunde und Preisnotiz. Her¬
vorragend sind namentlich mehre Darstellungen, die wahrscheinlich zum Cibo-
num des Cardinals gehört haben, und die besonders der Farbe nach das Ur¬
theil über die Gemälde von Assisi bestätigen, wie sie sich andrerseits durch ge¬
schmackvolle Ornamentirung auszeichnen. Sonst ist in Rom nur das Bild im
Lateran erhalten, welches den Papst Bonifaz den Achten in vollem Ornate bei
der Verkündigung des Jubiläums zeigt. Alles andre, was ihm zugeschrieben
wird, ist vernichtet. Es blieb aber der Einfluß, dessen wir oben schon bei Pietro
Cavallini gedachten, welcher in Rom die Erbschaft der Aufgaben Giottos und auch
der Gunst Stesaneschis antrat.

Zu höchst denkwürdiger Zeit kehrte der Meister aus Rom in seine Heimath
zurück. Es genügt, an die Kämpfe und Umwälzungen zu erinnern, welche der
Proscription Dantes vorausgingen, um das Florenz jener Tage zu charakterisiren.
Mitten in diese hvchfluthendc Bewegung hinein trat nun Giotto, der Freund
des großen Ghibellinon, dessen Bewunderung für ihn kurz zuvor durch Zusam¬
mentreffen in Rom gezeitigt worden war und welchem er durch eins seiner ersten
Werke im gemeinsamen Vaterlande ein Denkmal schuf. Denn in die Jahre
Von 1300 bis 1302 fallen die Fresken im Bargcllo, dem Palast des Po-
desta. Leider hat ihr in mehr als Einem Sinne monumentaler Werth diese
Wände nicht vor den Händen des Tünchers gerettet. Der geheiligte Raum,
welcher bis über die Zeit Vasaris hinaus conservirt worden war, ist später
durch eine Zwischendecke in zwei Hälften getheilt worden; der obere Theil wurde
als Gefängniß, der untere als Magazin benutzt, die Wände geweißt. Erst in
unsrem Jahrhundert kam man aus den Gedanken, diese begrabene Herrlichkeit
wieder herzustellen. Aber das erste Mal. als es in Anregung gebracht wurde,
scheiterte der Plan an der Indolenz der Behörden. Erst 1841 gelang es der


z. V. des zweiterwähntcn Bildes in Rücksicht nimmt; aber Giovanni da Mi¬
lan», ein Maier des ausgehenden vierzehnten Jahrhunderts, fällt außer Betracht.

Für die Feststellung der Chronologie von Giottos Werken hat die neuere
Forschung noch nicht sehr viel leisten tonnen. Man ist im Wesentlichen noch
immer auf die Stilkritik angewiesen. Zur Bestimmung seines Aufenthalts in
Rom kommen noch einige geschichtliche Anhaltepunkte zu Gute, so daß mit leid¬
licher Gewißheit der Zeitraum von 1298—1300 dafür zu constatiren ist. Dies
bestätigt nämlich nicht blos die große Verwandtschaft der römischen Gemälde
seiner Hand mit denen der Decke in der untern Kirche zu Assisi, sondern auch
der Umstand, daß sein Gönner Gaetano Stesaneschi, Nepote Bonifaz des Achten,
für den er in der Tribune zu Se. Georgv in Velabro malte, kurz vor jener
Zeit den Cardinalat unter dem Titel dieser Kirche erhalten hatte. Derselbe ist
es auch, der Giotto den Austrag zu dem Mosaik in der Kapelle Se. Giorgio
e Lorenzo zu Se. Peter, zur Naivcella und zur Auszierung einiger Manu-
scripte ertheilte. Für das und andres haben wir Urkunde und Preisnotiz. Her¬
vorragend sind namentlich mehre Darstellungen, die wahrscheinlich zum Cibo-
num des Cardinals gehört haben, und die besonders der Farbe nach das Ur¬
theil über die Gemälde von Assisi bestätigen, wie sie sich andrerseits durch ge¬
schmackvolle Ornamentirung auszeichnen. Sonst ist in Rom nur das Bild im
Lateran erhalten, welches den Papst Bonifaz den Achten in vollem Ornate bei
der Verkündigung des Jubiläums zeigt. Alles andre, was ihm zugeschrieben
wird, ist vernichtet. Es blieb aber der Einfluß, dessen wir oben schon bei Pietro
Cavallini gedachten, welcher in Rom die Erbschaft der Aufgaben Giottos und auch
der Gunst Stesaneschis antrat.

Zu höchst denkwürdiger Zeit kehrte der Meister aus Rom in seine Heimath
zurück. Es genügt, an die Kämpfe und Umwälzungen zu erinnern, welche der
Proscription Dantes vorausgingen, um das Florenz jener Tage zu charakterisiren.
Mitten in diese hvchfluthendc Bewegung hinein trat nun Giotto, der Freund
des großen Ghibellinon, dessen Bewunderung für ihn kurz zuvor durch Zusam¬
mentreffen in Rom gezeitigt worden war und welchem er durch eins seiner ersten
Werke im gemeinsamen Vaterlande ein Denkmal schuf. Denn in die Jahre
Von 1300 bis 1302 fallen die Fresken im Bargcllo, dem Palast des Po-
desta. Leider hat ihr in mehr als Einem Sinne monumentaler Werth diese
Wände nicht vor den Händen des Tünchers gerettet. Der geheiligte Raum,
welcher bis über die Zeit Vasaris hinaus conservirt worden war, ist später
durch eine Zwischendecke in zwei Hälften getheilt worden; der obere Theil wurde
als Gefängniß, der untere als Magazin benutzt, die Wände geweißt. Erst in
unsrem Jahrhundert kam man aus den Gedanken, diese begrabene Herrlichkeit
wieder herzustellen. Aber das erste Mal. als es in Anregung gebracht wurde,
scheiterte der Plan an der Indolenz der Behörden. Erst 1841 gelang es der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/25>, abgerufen am 01.07.2024.