Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.Wichtigkeit; denn hier ist der Punkt, worin er zunächst über seinen Meister Bei einem Künstler wie Giotto, dessen Name noch mehr wie der Cima¬ Bleiben wir zunächst bei Assise, so müssen auch die Gemälde aus dem Wichtigkeit; denn hier ist der Punkt, worin er zunächst über seinen Meister Bei einem Künstler wie Giotto, dessen Name noch mehr wie der Cima¬ Bleiben wir zunächst bei Assise, so müssen auch die Gemälde aus dem <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0024" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/189648"/> <p xml:id="ID_90" prev="#ID_89"> Wichtigkeit; denn hier ist der Punkt, worin er zunächst über seinen Meister<lb/> hinausgeht. Cimabues Einfluß auf ihn und noch weit mehr auf seine Schü¬<lb/> ler blieb immer erkennbar in etlichen Eigenthümlichkeiten der äußeren Stilisi-<lb/> rung, oder sollen wir richtiger sagen der Manier, da sich dieselben im Wesent¬<lb/> lichen als absichtliche und nicht immer ungezwungene Reactionen gegen die bis¬<lb/> herige Formgebung darstellen — wir erinnern nur an die Zuscunmenziehung<lb/> der Augenlider — aber die Meisterschaft der Färbung hat er voraus. Die<lb/> lichten Töne, welche Cimabue den dunkeln seiner Vorgänger entgegensetzte, neig¬<lb/> ten zum andern Extrem, zur Blässe und Fahlheit; Giotto lenkte in die natür¬<lb/> liche Mitte ein. Dieses Streben vermögen wir heute besser zu würdigen als<lb/> die Zeitgenossen des Künstlers, die an seinen wie an Cimabues Gemälden<lb/> noch die hellen Lasuren wahrnahmen, während wir ihre Substrate sehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_91"> Bei einem Künstler wie Giotto, dessen Name noch mehr wie der Cima¬<lb/> bues eine generelle Anwendung erfuhr, ist es von ganz besonderem Werth,<lb/> die Spuren der persönlichen Thätigkeit genau festzustellen. Hierin liegt ein<lb/> großes Verdienst unsres Werkes und wir können es daher um so weniger unter¬<lb/> lassen, der in demselben gegebenen Kritik von den Leistungen, welche bisher<lb/> mit Giottos Namen belegt worden sind, in den Hauptzügen und mit Hervor¬<lb/> hebung der Controversen zu folgen-</p><lb/> <p xml:id="ID_92" next="#ID_93"> Bleiben wir zunächst bei Assise, so müssen auch die Gemälde aus dem<lb/> Leben Christi und des heiligen Franz im südlichen Theile der unteren Kirche<lb/> trotz Numohrs Behauptung, der sie auf Grund einer ziemlich willkürlichen Aus¬<lb/> legung Vasaris dem Giovanni da Milano zuschreibt, als Werte seiner Hand<lb/> in Anspruch genommen werden. Wenn die äußeren kritischen Anhaltepunkte<lb/> nicht hinreichten, dies festzustellen, so müßte die hohe Vortrefflichkeit der Mehr¬<lb/> zahl dieser Fresken es offenbar machen. Neben der etwas zu symmetrisch an¬<lb/> geordneten Darstellung der Geburt des Heilands zeichnet sich der Besuch der<lb/> Könige durch eine Feinheit der religiösen Empfindung aus, die fast an Fiesole<lb/> streift. Ein benachbartes Bild, Se. Franziskus mit dem Tode, zeigt eine Kennt¬<lb/> niß der Anatomie, wie man sie bisher nicht in Giotto gesucht hat, die aber in<lb/> der That von manchem Späteren nicht erreicht worden ist. Der Vergleich mit<lb/> Einzelnheiten bei Luca Signorelli im Dom von Orvieto fällt in dieser Ruck><lb/> ficht nicht zu Gunsten des Letzteren aus. Für die Anfänge der Luftperspective<lb/> ist ferner das Bild von der Erweckung des Kindes aus der Familie spini von<lb/> großem Interesse. Die Gruppen beginnen schon wirklich im Naume zu stehen,<lb/> sie setzen sich merklicher als es bisher erreicht war, von einander los. Die<lb/> Malerei versucht hier zuerst durch Farbenmodellirung die dritte Dimension zu<lb/> ersetzen. Die Möglichkeit, daß Taddeo Gaddi, obgleich er in der Kunst schon<lb/> unter Gaddo stand, dem Meister bei diesen Bildern zur Hand gegangen sei,<lb/> ist nicht ausgeschlossen, namentlich wenn man die Proportionen der Figuren</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0024]
Wichtigkeit; denn hier ist der Punkt, worin er zunächst über seinen Meister
hinausgeht. Cimabues Einfluß auf ihn und noch weit mehr auf seine Schü¬
ler blieb immer erkennbar in etlichen Eigenthümlichkeiten der äußeren Stilisi-
rung, oder sollen wir richtiger sagen der Manier, da sich dieselben im Wesent¬
lichen als absichtliche und nicht immer ungezwungene Reactionen gegen die bis¬
herige Formgebung darstellen — wir erinnern nur an die Zuscunmenziehung
der Augenlider — aber die Meisterschaft der Färbung hat er voraus. Die
lichten Töne, welche Cimabue den dunkeln seiner Vorgänger entgegensetzte, neig¬
ten zum andern Extrem, zur Blässe und Fahlheit; Giotto lenkte in die natür¬
liche Mitte ein. Dieses Streben vermögen wir heute besser zu würdigen als
die Zeitgenossen des Künstlers, die an seinen wie an Cimabues Gemälden
noch die hellen Lasuren wahrnahmen, während wir ihre Substrate sehen.
Bei einem Künstler wie Giotto, dessen Name noch mehr wie der Cima¬
bues eine generelle Anwendung erfuhr, ist es von ganz besonderem Werth,
die Spuren der persönlichen Thätigkeit genau festzustellen. Hierin liegt ein
großes Verdienst unsres Werkes und wir können es daher um so weniger unter¬
lassen, der in demselben gegebenen Kritik von den Leistungen, welche bisher
mit Giottos Namen belegt worden sind, in den Hauptzügen und mit Hervor¬
hebung der Controversen zu folgen-
Bleiben wir zunächst bei Assise, so müssen auch die Gemälde aus dem
Leben Christi und des heiligen Franz im südlichen Theile der unteren Kirche
trotz Numohrs Behauptung, der sie auf Grund einer ziemlich willkürlichen Aus¬
legung Vasaris dem Giovanni da Milano zuschreibt, als Werte seiner Hand
in Anspruch genommen werden. Wenn die äußeren kritischen Anhaltepunkte
nicht hinreichten, dies festzustellen, so müßte die hohe Vortrefflichkeit der Mehr¬
zahl dieser Fresken es offenbar machen. Neben der etwas zu symmetrisch an¬
geordneten Darstellung der Geburt des Heilands zeichnet sich der Besuch der
Könige durch eine Feinheit der religiösen Empfindung aus, die fast an Fiesole
streift. Ein benachbartes Bild, Se. Franziskus mit dem Tode, zeigt eine Kennt¬
niß der Anatomie, wie man sie bisher nicht in Giotto gesucht hat, die aber in
der That von manchem Späteren nicht erreicht worden ist. Der Vergleich mit
Einzelnheiten bei Luca Signorelli im Dom von Orvieto fällt in dieser Ruck>
ficht nicht zu Gunsten des Letzteren aus. Für die Anfänge der Luftperspective
ist ferner das Bild von der Erweckung des Kindes aus der Familie spini von
großem Interesse. Die Gruppen beginnen schon wirklich im Naume zu stehen,
sie setzen sich merklicher als es bisher erreicht war, von einander los. Die
Malerei versucht hier zuerst durch Farbenmodellirung die dritte Dimension zu
ersetzen. Die Möglichkeit, daß Taddeo Gaddi, obgleich er in der Kunst schon
unter Gaddo stand, dem Meister bei diesen Bildern zur Hand gegangen sei,
ist nicht ausgeschlossen, namentlich wenn man die Proportionen der Figuren
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