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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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Damm, mit dem östlichen durch eine 460 Schritt lange Brücke verbunden.
Die NordKälfte der Stadt, der sogenannte Palmberg, wo die Domkirche steht,
gehört zum Großherzogthum Mecklenburg-Strelitz. Molle, die zweitgrößte Stadt
Lauenburgs mit circa 3,300 Einwohnern, liegt an einem See, durch den die
Stecknitz hindurchläuft, treibt lebhaften Handel mit Korn und Salz und hat
die Ehre, auf seinem alten Kirchhofe das Grab Till Eulenspiegels zu besitzen.
Lauenburg endlich und nur 1,072 Einwohnern zieht sich aus anmuthig geformten,
hübsch bepflanzten Hohen an der Mündung der Stecknitz in die Elbe hin und
nährt sich vorzüglich von Schifffahrt und Handel auf den beiden Flüssen, von
denen der erstere in Verbindung mit dem Stecknitz-Kanal den Einwohnern eine
directe Wasserstraße bis Lübeck bietet. Die Burg, die Heinrich der Löwe hier
anlegte, war die erste deutsche Ansiedelung in dem damals von Wenden be¬
wohnten Lande.

Die Verfassung Lauenburgs ist eine ständische. Die Abgeordneten, aus
denen der Landtag besteht, werden für sechs Jahre gewählt und zwar fünf aus
und von der Ritterschaft d. h. aus den Besitzern adeliger oder landtagssähiger
Güter, die indeß auch den bürgerlichen Ständen angehören können, fünf von
den Städten und fünf von den bäuerlichen Grundbesitzern. Außer diesen fünf¬
zehn Abgeordneten gehören aber zur Ritter- und Landschaft noch der Erbland-
marschall und die beiden Landräthe, welche mit jenem den permanenten Aus¬
schuß bilden. Diese drei Herren bekleiden ihr Amt lebenslänglich, und da sie
sämmtlich der Ritterschaft angehören müssen (das Erblandmarschaliamt vererbt
in der Familie von Bülow mit dem Besitz des Gutes Gudow), so ist das
Gleichgewicht der Stände nicht in dem gebührenden Grade vorhanden, sondern
die Stimmen der Ritterschaft verhalten sich zu denen der beiden andern Stände
zusammen wie 8 zu 10. Das Recht der Ritter- und Landschaft Lauenburgs
beschränkt sich darauf, "daß es (vgl. §. 1. der Verfassung vom 20. December
1853) für die Ausschreibung neuer Steuern, sowie bei Veränderungen im
Steuerwesen überhaupt der Zustimmung der Landstände und bei Erlassung
neuer sowie der Avönderung oder der authentischen Interpretation bestehender
Gesetze der Zuziehung derselben bedarf, und daß denselben die Befugnis; zusteht,
etwaige Wünsche des Landes in Vertretung der Rechte desselben zum Vortrag
zu bringen."

Gegen den Werth der Acquisition, welche Preußen mit Lauenburg macht,
läßt sich abgesehen von der vorbehaltenen Selbständigkeit anführen, daß das
Herzogthum der unmittelbaren Verbindung mit dem preußischen Territorium er¬
mangelt. Es würde ein Hohenzollern im Norden bilden. Indeß ist dieser
Mangel nicht von Bedeutung, und jedenfalls hätte der Besitz Lauenburgs einen
weit höhern Werth als einst der von Neuenburg, er brächte kaum irgendwelche
Verlegenheiten mit sich und er böte eine Stellung mehr zwischen Ostsee und


Damm, mit dem östlichen durch eine 460 Schritt lange Brücke verbunden.
Die NordKälfte der Stadt, der sogenannte Palmberg, wo die Domkirche steht,
gehört zum Großherzogthum Mecklenburg-Strelitz. Molle, die zweitgrößte Stadt
Lauenburgs mit circa 3,300 Einwohnern, liegt an einem See, durch den die
Stecknitz hindurchläuft, treibt lebhaften Handel mit Korn und Salz und hat
die Ehre, auf seinem alten Kirchhofe das Grab Till Eulenspiegels zu besitzen.
Lauenburg endlich und nur 1,072 Einwohnern zieht sich aus anmuthig geformten,
hübsch bepflanzten Hohen an der Mündung der Stecknitz in die Elbe hin und
nährt sich vorzüglich von Schifffahrt und Handel auf den beiden Flüssen, von
denen der erstere in Verbindung mit dem Stecknitz-Kanal den Einwohnern eine
directe Wasserstraße bis Lübeck bietet. Die Burg, die Heinrich der Löwe hier
anlegte, war die erste deutsche Ansiedelung in dem damals von Wenden be¬
wohnten Lande.

Die Verfassung Lauenburgs ist eine ständische. Die Abgeordneten, aus
denen der Landtag besteht, werden für sechs Jahre gewählt und zwar fünf aus
und von der Ritterschaft d. h. aus den Besitzern adeliger oder landtagssähiger
Güter, die indeß auch den bürgerlichen Ständen angehören können, fünf von
den Städten und fünf von den bäuerlichen Grundbesitzern. Außer diesen fünf¬
zehn Abgeordneten gehören aber zur Ritter- und Landschaft noch der Erbland-
marschall und die beiden Landräthe, welche mit jenem den permanenten Aus¬
schuß bilden. Diese drei Herren bekleiden ihr Amt lebenslänglich, und da sie
sämmtlich der Ritterschaft angehören müssen (das Erblandmarschaliamt vererbt
in der Familie von Bülow mit dem Besitz des Gutes Gudow), so ist das
Gleichgewicht der Stände nicht in dem gebührenden Grade vorhanden, sondern
die Stimmen der Ritterschaft verhalten sich zu denen der beiden andern Stände
zusammen wie 8 zu 10. Das Recht der Ritter- und Landschaft Lauenburgs
beschränkt sich darauf, „daß es (vgl. §. 1. der Verfassung vom 20. December
1853) für die Ausschreibung neuer Steuern, sowie bei Veränderungen im
Steuerwesen überhaupt der Zustimmung der Landstände und bei Erlassung
neuer sowie der Avönderung oder der authentischen Interpretation bestehender
Gesetze der Zuziehung derselben bedarf, und daß denselben die Befugnis; zusteht,
etwaige Wünsche des Landes in Vertretung der Rechte desselben zum Vortrag
zu bringen."

Gegen den Werth der Acquisition, welche Preußen mit Lauenburg macht,
läßt sich abgesehen von der vorbehaltenen Selbständigkeit anführen, daß das
Herzogthum der unmittelbaren Verbindung mit dem preußischen Territorium er¬
mangelt. Es würde ein Hohenzollern im Norden bilden. Indeß ist dieser
Mangel nicht von Bedeutung, und jedenfalls hätte der Besitz Lauenburgs einen
weit höhern Werth als einst der von Neuenburg, er brächte kaum irgendwelche
Verlegenheiten mit sich und er böte eine Stellung mehr zwischen Ostsee und


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[0236] Damm, mit dem östlichen durch eine 460 Schritt lange Brücke verbunden. Die NordKälfte der Stadt, der sogenannte Palmberg, wo die Domkirche steht, gehört zum Großherzogthum Mecklenburg-Strelitz. Molle, die zweitgrößte Stadt Lauenburgs mit circa 3,300 Einwohnern, liegt an einem See, durch den die Stecknitz hindurchläuft, treibt lebhaften Handel mit Korn und Salz und hat die Ehre, auf seinem alten Kirchhofe das Grab Till Eulenspiegels zu besitzen. Lauenburg endlich und nur 1,072 Einwohnern zieht sich aus anmuthig geformten, hübsch bepflanzten Hohen an der Mündung der Stecknitz in die Elbe hin und nährt sich vorzüglich von Schifffahrt und Handel auf den beiden Flüssen, von denen der erstere in Verbindung mit dem Stecknitz-Kanal den Einwohnern eine directe Wasserstraße bis Lübeck bietet. Die Burg, die Heinrich der Löwe hier anlegte, war die erste deutsche Ansiedelung in dem damals von Wenden be¬ wohnten Lande. Die Verfassung Lauenburgs ist eine ständische. Die Abgeordneten, aus denen der Landtag besteht, werden für sechs Jahre gewählt und zwar fünf aus und von der Ritterschaft d. h. aus den Besitzern adeliger oder landtagssähiger Güter, die indeß auch den bürgerlichen Ständen angehören können, fünf von den Städten und fünf von den bäuerlichen Grundbesitzern. Außer diesen fünf¬ zehn Abgeordneten gehören aber zur Ritter- und Landschaft noch der Erbland- marschall und die beiden Landräthe, welche mit jenem den permanenten Aus¬ schuß bilden. Diese drei Herren bekleiden ihr Amt lebenslänglich, und da sie sämmtlich der Ritterschaft angehören müssen (das Erblandmarschaliamt vererbt in der Familie von Bülow mit dem Besitz des Gutes Gudow), so ist das Gleichgewicht der Stände nicht in dem gebührenden Grade vorhanden, sondern die Stimmen der Ritterschaft verhalten sich zu denen der beiden andern Stände zusammen wie 8 zu 10. Das Recht der Ritter- und Landschaft Lauenburgs beschränkt sich darauf, „daß es (vgl. §. 1. der Verfassung vom 20. December 1853) für die Ausschreibung neuer Steuern, sowie bei Veränderungen im Steuerwesen überhaupt der Zustimmung der Landstände und bei Erlassung neuer sowie der Avönderung oder der authentischen Interpretation bestehender Gesetze der Zuziehung derselben bedarf, und daß denselben die Befugnis; zusteht, etwaige Wünsche des Landes in Vertretung der Rechte desselben zum Vortrag zu bringen." Gegen den Werth der Acquisition, welche Preußen mit Lauenburg macht, läßt sich abgesehen von der vorbehaltenen Selbständigkeit anführen, daß das Herzogthum der unmittelbaren Verbindung mit dem preußischen Territorium er¬ mangelt. Es würde ein Hohenzollern im Norden bilden. Indeß ist dieser Mangel nicht von Bedeutung, und jedenfalls hätte der Besitz Lauenburgs einen weit höhern Werth als einst der von Neuenburg, er brächte kaum irgendwelche Verlegenheiten mit sich und er böte eine Stellung mehr zwischen Ostsee und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/236>, abgerufen am 03.07.2024.