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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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überdies von dem neuen Staate Elemente ausschlösse, die hier die freiheitliche
Entwickelung hemmen würden, während man bei ihrer Einfügung in einen
größern Staat, sobald die rechte Zeit gekommen ist, leicht mit ihnen fertig wer¬
den wird. Endlich aber erblickt Schleswig-Holstein in dem Beschlusse der Lauen-
burger einen Hauptvortheil darin, daß, wenn Preußen demselben wirklich Folge
geben will, damit factisch anerkannt wird, die Stimme der Bevölkerung habe
bei Feststellung ihres Looses ein Gewicht. Man wird also, was auch die Ofsi-
ciösen in Berlin jetzt sagen mögen, das Princip, das man für Lauenburg an¬
erkannt hat, für die nördlichen beiden Herzogtümer, sobald der Friede ge¬
schlossen ist, nicht zurückweisen können, ohne gegen Logik und Gerechtigkeit zu
verstoßen. Einem Braß mag erlaubt sein, davor die Augen zu schließen, dem
Premierminister Preußens ist es nicht erlaubt.

Das Herzogthum Lauenburg hat 19 Quadratmeilen, aus weichen nach
der letzten Zählung (vom 1. Februar 1860) 50,147 Menschen lebten. Der
Boden besteht aus fruchtbarer Geest, stellenweise, doch seltener wie in Holstein,
aus Haiden und Moorstrichen, an der Elbe und der Stecknitz aus fetter Marsch.
Das Land hat mehre große fischreiche Seen und außer der Elbe in der Steck¬
nitz und Wakenitz Flüsse, die für kleine Fahrzeuge schiffbar sind. Ein nicht
unbeträchtlicher Theil des Herzogthums ist mit Forsten bedeckt, welche Bau-und
Brennholz auch für die Ausfuhr liefern, und unter denen der prachtvolle, meist
aus Eichen und Buchen bestehende saa'senwald der bedeutendste ist.

Die Bevölkerung treibt vorzugsweise Landwirthschaft und bei der durch¬
schnittlich großen Fruchtbarkeit des Landes mit vielem Erfolg, so daß nicht un¬
bedeutende Massen von Korn und Biehproductcn ausgeführt werden können.
Die Fabriken sind wenig zahlreich und ohne Wichtigkeit; die Städte klein, aber
ziemlich wohlhabend. Die gesammte Bevölkerung derselben beträgt mit 8,069
etwa ein Viertel der Einwohnerzahl des ganzen Landes. Die Zahl der Dörfer
beläuft sich auf 111, die der Rittergüter, unter denen sich mehre sehr stattliche
befinden, aus 23, und das Areal derselben umfaßt mehr als den dritten Theil der
Bodenfläche des Herzogthums. Nach seinem Culturzustande rangirt letzteres
mit dem benachbarten Mecklenburg, nur daß es noch weniger vom Strome der
Zeit berührt ist als dieses, und daß das Verhältniß der Junkerschaft sich dort
nicht bis zu dem Grade von Widerwärtigkeit entwickelt hat, durch welchen das
Obotritenland einen so wenig beneidenswerther Ruf in Deutschland und bis
über dessen Grenzen hinaus erlangt hat.

Unter den drei Städten Lauenburgs nimmt Natzeburg mit etwas über
4000 Einwohnern den ersten Rang ein. Es ist der Sitz der Negierung des
Landdrosten und des Generalsuperintendenten sowie der Ort, wo die Nitter-
und Landschaft tagt. Recht anmuthig auf einer Insel inmitten eines weit¬
gedehnten Sees gelegen, ist es mit dem westlichen Ufer durch einen breiten


überdies von dem neuen Staate Elemente ausschlösse, die hier die freiheitliche
Entwickelung hemmen würden, während man bei ihrer Einfügung in einen
größern Staat, sobald die rechte Zeit gekommen ist, leicht mit ihnen fertig wer¬
den wird. Endlich aber erblickt Schleswig-Holstein in dem Beschlusse der Lauen-
burger einen Hauptvortheil darin, daß, wenn Preußen demselben wirklich Folge
geben will, damit factisch anerkannt wird, die Stimme der Bevölkerung habe
bei Feststellung ihres Looses ein Gewicht. Man wird also, was auch die Ofsi-
ciösen in Berlin jetzt sagen mögen, das Princip, das man für Lauenburg an¬
erkannt hat, für die nördlichen beiden Herzogtümer, sobald der Friede ge¬
schlossen ist, nicht zurückweisen können, ohne gegen Logik und Gerechtigkeit zu
verstoßen. Einem Braß mag erlaubt sein, davor die Augen zu schließen, dem
Premierminister Preußens ist es nicht erlaubt.

Das Herzogthum Lauenburg hat 19 Quadratmeilen, aus weichen nach
der letzten Zählung (vom 1. Februar 1860) 50,147 Menschen lebten. Der
Boden besteht aus fruchtbarer Geest, stellenweise, doch seltener wie in Holstein,
aus Haiden und Moorstrichen, an der Elbe und der Stecknitz aus fetter Marsch.
Das Land hat mehre große fischreiche Seen und außer der Elbe in der Steck¬
nitz und Wakenitz Flüsse, die für kleine Fahrzeuge schiffbar sind. Ein nicht
unbeträchtlicher Theil des Herzogthums ist mit Forsten bedeckt, welche Bau-und
Brennholz auch für die Ausfuhr liefern, und unter denen der prachtvolle, meist
aus Eichen und Buchen bestehende saa'senwald der bedeutendste ist.

Die Bevölkerung treibt vorzugsweise Landwirthschaft und bei der durch¬
schnittlich großen Fruchtbarkeit des Landes mit vielem Erfolg, so daß nicht un¬
bedeutende Massen von Korn und Biehproductcn ausgeführt werden können.
Die Fabriken sind wenig zahlreich und ohne Wichtigkeit; die Städte klein, aber
ziemlich wohlhabend. Die gesammte Bevölkerung derselben beträgt mit 8,069
etwa ein Viertel der Einwohnerzahl des ganzen Landes. Die Zahl der Dörfer
beläuft sich auf 111, die der Rittergüter, unter denen sich mehre sehr stattliche
befinden, aus 23, und das Areal derselben umfaßt mehr als den dritten Theil der
Bodenfläche des Herzogthums. Nach seinem Culturzustande rangirt letzteres
mit dem benachbarten Mecklenburg, nur daß es noch weniger vom Strome der
Zeit berührt ist als dieses, und daß das Verhältniß der Junkerschaft sich dort
nicht bis zu dem Grade von Widerwärtigkeit entwickelt hat, durch welchen das
Obotritenland einen so wenig beneidenswerther Ruf in Deutschland und bis
über dessen Grenzen hinaus erlangt hat.

Unter den drei Städten Lauenburgs nimmt Natzeburg mit etwas über
4000 Einwohnern den ersten Rang ein. Es ist der Sitz der Negierung des
Landdrosten und des Generalsuperintendenten sowie der Ort, wo die Nitter-
und Landschaft tagt. Recht anmuthig auf einer Insel inmitten eines weit¬
gedehnten Sees gelegen, ist es mit dem westlichen Ufer durch einen breiten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/235>, abgerufen am 01.10.2024.